Amerika-Reisen: Luftfahrt steuert ins US-Zollgewitter

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Die Boeing-737-Max-Flugzeuge mit den Seriennummern 64677 und 64680 sind aufgefallen – wegen besonderer Flüge. Die führten ohne zahlende Passagiere von Zhoushan in China mit Stopps auf Guam und Hawaii quer über den Pazifik direkt zu Boeing im amerikanischen Seattle. Die werksneuen Flieger waren die beiden ersten, die aus China zurück zum Hersteller gingen – nicht wegen technischer Probleme, sondern wegen des aktuellen Zollkonflikts. In China wurde die Abnahme der Flugzeuge, die für die Gesellschaft Xiamen Airlines bestimmt waren, verweigert.

Nachdem die US-Regierung von Donald Trump Produkte aus China mit 145 Prozent Zoll belegt hatte, konterte China mit einem 125-Prozent-Zoll auf US-Waren. Die Flugzeuge wären plötzlich sehr teuer gewesen. Boeing -Chef Kelly Ortberg bestätigte, dass der Konzern die Flieger zurückbekommen hat. Boeing versucht nun, glimpflich aus der misslichen Lage zu kommen und alternative Abnehmer zu finden. Da wegen andauernder Verzögerungen die Lieferzeiten für Neubestellungen lang sind, dürften sich In­teressenten finden, die so etwas zügiger neue Flugzeuge bekommen.

Die Rückkehr der Boeing-Jets nach Seattle ist nur eine Episode, wie sich Spannungen wegen der aktuellen US-Politik auf die Luftfahrt auswirken. Parallel dazu wächst die Sorge vor einem Einbruch der Passagierzahlen auf Flügen in die Vereinigten Staaten. Im ersten Quartal reisten nach vorläufigen Zahlen der Tourismus­behörde NTTO 3,3 Prozent weniger Besucher in die USA. Im Monat März betrug der Rückgang bei Gästen aus Übersee­gebieten – womit alle Ankünfte außer aus Kanada und Mexiko erfasst sind – 11,6 Prozent. Das Minus für Deutsche fiel mit 28,2 Prozent im März besonders groß aus.

„Nächste Zone mit Turbulenzen“

Maria Lattore, Branchenspezialistin des Kreditversicherers Allianz Trade, sieht „dunkle Wolken“ für den Tourismus und die Luftfahrt aufziehen. In der Pandemie hätten Unternehmen drei Jahre mit Einbußen zu kämpfen gehabt. „Nach kurzer Verschnaufpause fliegen sie in die nächste Zone mit Turbulenzen, ausgelöst durch das Zollgewitter über den USA“, sagt sie. Den USA, im Tourismus gemessen an der Zahl der internationalen Ankünfte auf Rang drei hinter Frankreich und Spanien, drohe ein Rückschlag.

Zunächst spüren das US-Fluglinien, Delta Airlines hat die Jahresprognose zurückgenommen. United Airlines hofft, dass vor allem zahlungskräftige Amerikaner weiter buchen. „Aber auch Transatlantikflüge zeigen einen Nachfragerückgang, sodass auch viele in­ternationale Fluggesellschaften in unruhige Zeiten fliegen“, sagt Lattore. Air France/KLM meldete eine „leicht schwächere“ Nachfrage nach Economy-Tickets.

Die Deutsche Lufthansa , die an diesem Dienstag Geschäftszahlen für das erste Quartal vorlegt, hielt sich zuletzt bedeckt und verwies auf zuversichtliche Aussagen, die es zur Veröffentlichung der Jahres­bilanz 2024 Anfang März gab. Auch der Geschäftsreisedienstleister Travelperk sieht keinen Einbruch bei dienstlichen Atlantikquerungen. In einem Vier-Wochen-Zeitraum im März und April habe es einen Anstieg von den USA nach Europa um 21 Prozent, in die Gegenrichtung um 18 Prozent gegeben. „Das spiegelt eine gesunde Aktivität innerhalb unserer Kundschaft wider“, sagte Travelperk-Vorstand Jean-Christophe Taunay-Bucalo.

Skep­tiker warnen, Rückschläge kämen noch, wenn die Stimmung zwischen USA und der EU düster bleibe. Für die Lufthansa käme ein Dämpfer zur Unzeit. In Richtung Osten – auf Chinastrecken – leidet der Konzern darunter, dass er Russland teuer umfliegen muss, während chinesische Airlines weiter den direkten Weg nehmen. Lufthansa hat deshalb die Zahl der China-Flüge gekürzt.

Weniger Passagiere und teurere Flugzeuge?

Der Zollkonflikt und weitere Missstimmungen können Airlines doppelt treffen – wenn weniger Passagiere reisen wollen und die Rechnungen für neue Flugzeuge steigen. Passagiere müssen indes keine Zölle befürchten, die direkt Flugtickets verteuern. Vielmehr kann eine abnehmende Nachfrage zu sinkenden Ticketpreisen führen, was die Einnahmen von Airlines schmälern würde. Allerdings sind wegen des gesunkenen Kerosinpreises auch ihre Kosten momentan niedriger. Das gleiche Nachfragerückgänge aktuell mehr als aus, heißt es von Allianz Trade.

Gewichtiger kann das Problem mit neuen Flugzeugen geraten. Trump hat zwar zunächst hohe Zölle – außer für China – ausgesetzt. Der neue US-Basiszoll von 10 Prozent auf Einfuhren sowie ein 25-Prozent-Sonderzoll auf Autos, Stahl und Aluminium bestehen aber fort. Unklar ist, was folgt.

Und Flugzeuge sind – anders als das Duell zwischen dem US-Hersteller Boeing und dem europäischen Rivalen Airbus suggeriert – internationale Güter. Zugelieferte Einzelteile queren Grenzen, an denen Zölle und Gegenzölle drohen. Boeing erhält für das Langstreckenmodell 787 Rumpfteile aus Italien und Flügelteile aus Südkorea. Airbus betreibt für Mittelstreckenjets zwar eine Endmontage in den USA, Bauteile und andere Modelle müssen aber importiert werden.

„Niemand wird das bezahlen“

Die Folgen einer Zolleskalation skizzierte schon Aengus Kelly, der Chef des Flugzeugfinanzierers Aercap , im Gespräch mit dem US-Nachrichtensender CNBC: „Im schlimmsten Fall, sagen wir mit einer allgemeinen Zollerhöhung um 25 Prozent, einem gegenseitigen Schlagabtausch, würde der Preis einer Boeing 787 um 40 Millionen Dollar steigen.“ Das würde den Markt durchwirbeln. „Niemand wird das bezahlen“, sagte er.

Lufthansa hatte zu Jahresbeginn Aufträge für 101 Flugzeuge bei Boeing offen. Darunter befinden sich 15 Exemplare des Langstreckenfliegers 787, die eigentlich schon im Dienst sein sollten. Die stehen fertig montiert in den USA, wegen einer fehlenden Zertifizierung eingebauter Bu­siness-Class-Sitze des neuen Lufthansa-Einrichtungskonzepts Allegris sind sie noch nicht nach Deutschland geflogen. Zuletzt reifte der Plan, einige Flieger dennoch abzuholen und zunächst mit einigen gesperrten Plätzen einzusetzen.

Eine Verschärfung des Konflikts könnte das Vorhaben verteuern. Lufthansa baut für den Ernstfall vor. Eine Option, die sich in der Prüfung befinden soll, ist, die Flugzeuge zunächst nicht nach Frankfurt zu holen, sondern in der Schweiz über die dortige Lufthansa-Tochtergesellschaft Swiss zu re­gistrieren. Das Kalkül: Dann fielen mögliche EU-Gegenzölle nicht an.

Ein Luftfahrtmanager, der sonst für pointierte Äußerungen bekannt ist, bekundet derweil, dass alles schon nicht so schlimm kommen werde. Michael O’Leary betreibt bei Ryanair eine reine Boeing-Flotte, inklusive Optionen sind bis ins nächste Jahrzehnt mehr als 300 Flugzeuge bestellt. Jüngst sagte er der „Wirtschaftswoche“, er rechnete nicht mit steigenden Flugzeugpreisen. „Wir und Boeing werden immer optimistischer, dass die Trump-Regierung tatsächlich zunehmend bereit ist, mit Boeing zusammenzuarbeiten, um dem Konzern zu helfen.“