Langsam zeichnet sich immer mehr ab, wie der künftige amerikanische Präsident, Donald Trump, sich ein Ende des Krieges in der Ukraine vorstellen könnte – und was er von Europa will. Auch die Bundesregierung arbeitet intensiv daran, eine genaue Vorstellung von den amerikanischen Erwartungen zu bekommen – und eigene Botschaften unterzubringen. So hat der außenpolitische Berater des Bundeskanzlers, Jens Plötner, nach Informationen der F.A.Z. gerade den künftigen Nationalen Sicherheitsberater von Trump, Mike Waltz, zum ersten Mal persönlich in Washington dazu gesprochen.
Bislang wiederholte Trump in Bezug auf die Lage in der Ukraine vor allem einen Satz: dass er den Krieg beenden werde. Nun gibt es einen Bericht, welche Rahmenbedingungen er im Gespräch mit dem ukrainischen und dem französischen Präsidenten in Paris am vergangenen Wochenende gefordert haben soll. Trumps Botschaft soll klar gewesen sein, berichtet das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf amerikanische Regierungsbeamte. Europa müsse die Führungsrolle in der Verteidigung und Unterstützung der Ukraine einnehmen. Das ist keine Überraschung. Europäische Soldaten sollten als Teil einer Friedenstruppe die Einhaltung eines Waffenstillstands überwachen – ein Szenario, an dem Paris offenbar in Abstimmung mit Kiew arbeitet.
Eine Gefahr für den gesamten Westen
Einig sind sich die Biden-Regierung, Trump und die Europäer, dass direkte Kämpfe zwischen Russland und NATO-Truppen wegen der hohen Eskalationsgefahr vermieden werden müssen. Trump, der die amerikanischen Hilfen für die Ukraine mehrfach kritisiert hat, soll nun nicht ausgeschlossen haben, eine Friedensmission zu unterstützen. Es sollen allerdings keine amerikanischen Soldaten auf ukrainischem Boden eingesetzt werden. Der Republikaner setzt demnach auf eine starke, gut bewaffnete Ukraine, lehnt eine NATO-Mitgliedschaft des Landes jedoch ab, die Präsident Selenskyj gerade wieder als Sicherheitsgarantie gefordert hat.
Aus dem Umfeld des künftigen Präsidenten heißt es, Trump habe sich noch nicht auf einen genauen Plan für die Ukraine festgelegt und das Thema bislang nur oberflächlich behandelt. Konkrete Handlungsanweisungen dürften seine Berater für nationale Sicherheit nach dem Amtsantritt am 20. Januar ausarbeiten. Allen voran eben Mike Waltz. Mit dem hatte Plötner bislang nur einmal länger telefonieren können, in Washington saßen die beiden nun am Donnerstag nach F.A.Z.-Informationen gut 45 Minuten zusammen. Für den bisherigen Ukrainekurs der Bundesregierung war die Abstimmung zwischen dem Sicherheitsberater von Joe Biden, Jake Sullivan, und Plötner wichtig. Daher war das Berliner Bedürfnis groß, nach der Kiew-Reise des Kanzlers vergangene Woche Waltz und die Positionen seines Chefs kennenzulernen – und eigene Botschaften unterzubringen. Einen Aufsatz zum Kriegsende des künftigen Ukraine-Sondergesandten von Trump, Keith Kellogg, hatte man im Kanzleramt schon intensiv gelesen.
Bei dem Gespräch mit Waltz, so ist es aus der Bundesregierung zu hören, soll neben Iran und der Lage im Nahen Osten der Schwerpunkt auf der Ukraine und dem Weg zu einem Ende des Krieges gelegen haben. Dabei sollen sich die in dem Bericht verbreiteten Erwartungen Trumps nicht unbedingt mit den Eindrücken im Gespräch gedeckt haben. Nicht etwa eine Debatte über eine mögliche Friedenstruppe habe im Fokus gestanden, heißt es, sondern eher die Frage, wie man die Ukraine überhaupt in eine starke Verhandlungsposition bekomme. In Berlin hat man den Eindruck bekommen, dass die Einschätzung geteilt werde, dass alle anderen Fragen um eine mögliche Friedenssicherung mit Truppen weit in der Zukunft lägen und von vielen noch unbekannten Variablen abhingen. Öffentlich versucht der Kanzler jedenfalls auch, die aufkeimende Debatte so wegzuschieben.
Neben der Botschaft, dass nichts über die Köpfe der Ukraine und damit nicht über jene der Europäer hinweg entschieden werden solle, war aus Berliner Sicht eine weitere wichtig, die man in Washington anbringen wollte: Wenn Europa unter dem russischen Druck in Bedrängnis gerate, sei das für den gesamten Westen und damit für Trump schlecht. Dem Vernehmen nach sei man dieser Logik bei dem Gespräch in Washington gefolgt. Überhaupt, so ist es zu hören, sei die Atmosphäre besser gewesen, als man sie noch aus der ersten Amtszeit von Trump gewöhnt gewesen sei, als dieser sich mit seiner Kritik gerne an Deutschland abgearbeitet hatte. Das Wort „Taurus“ soll nicht gefallen sein. Nach einem Telefonat mit Trump hatte auch Scholz sich zuversichtlich gezeigt, dass man zusammen etwas hinbekommen könne. Nächste Woche soll die Abstimmung unter den Europäern im Umfeld des Westbalkan-Gipfels in Brüssel weitergehen.