Trump stärkt Russland, schwächt Ukraine

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Gut für Russland, schlecht für die Ukraine, erträglich für den Osten der EU. Etwa auf diesen Nenner bringen die Osteuropaexperten des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) die wirtschaftlichen Folgen von US-Präsident Donald Trumps Zoll- und Ukrainepolitik in ihrer neuen Wachstumsprognose. Während die Aussichten für die kriegsgeplagte Ukraine „zunehmend ungewiss“ seien, hätten sich die Perspektiven beim Angreifer Russland „durch die Annäherung an die USA signifikant aufgehellt“. So werde sich das Wachstum der russischen Wirtschaft nach der Überhitzung der Vorjahre 2025 auf 2,0 Prozent halbieren und im kommenden Jahr wieder auf 2,5 Prozent steigen. Die Aussicht auf eine teilweise oder vollständige Aufhebung der US-Sanktionen sorge in den kommenden Jahren für eine „deutliche Aufhellung der konjunkturellen Perspektiven“ in Russland.

Sollte es zu einem Waffenstillstand oder Friedensabkommen in der Ukraine kommen, würden vermutlich wieder amerikanisches Kapital und Technologie ins Land fließen, sagt Vasily Astrov, Russland-Experte des WIIW. Andere Länder wie Japan, Südkorea und Taiwan könnten folgen.

Ausländische Firmen wie Renault, Hyundai oder Samsung dächten über die Rückkehr nach Russland nach. Südkoreas Elektronikkonzern LG habe die Produktion in seinem Moskauer Werk wieder hochgefahren. In Deutschland wird, wenn auch verhalten, über eine Wiederaufnahme von Gaslieferungen aus Russland diskutiert. Die russische Konjunktur habe zuletzt von den hohen Gehältern der Soldaten und Kompensationen der Familien profitiert. Der Effekt würde sich zwar bei einem Kriegsende abschwächen, doch könnte er durch die Wiederaufnahme der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen ausgeglichen werden.

Die Ukraine als wirtschaftliche Kolonie der USA?

Anders die Lage in der Ukraine, deren Wirtschaftskraft nach dem 30-Prozent-Einbruch 2022 weit von Niveaus vor dem Überfall entfernt ist. Sie habe sich zwar als widerstandsfähig erwiesen. Doch ob der Zuwachs von drei Prozent im Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr erreicht werde, hänge auch vom Kriegsverlauf ab. Schon im vorigen Jahr habe sich die Konjunktur markant abgekühlt, von 6,5 Prozent im ersten Quartal auf nur noch zwei Prozent im letzten. Stichworte hier lauten: Flucht und Vertreibung, Zerstörung der Infrastruktur, Arbeitskräftemangel und steigende Preise, die die Notenbank mit einem inzwischen auf 5,5 Prozent hochgesetzten Leitzins zu bändigen versucht. Doch das ist noch nicht alles.

„Trumps Versuche, die Ukraine zu einer De-facto-Kapitulation zu zwingen und das Land in eine wirtschaftliche Kolonie der USA zu verwandeln, sind die größte Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes“, sagt Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin des Instituts. Sie meint damit das von Trump verlangte Rohstoffabkommen. Demnach würden die Erlöse aus der Gewinnung ukrainischer Bodenschätze (Öl, Gas, „kritische“ Mineralien, Seltene Erden) in einen von den USA kontrollierten Fonds fließen, aus dem auch der Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes finanziert werden soll.

Sollte Trump die Finanz- und Militärhilfe für die Ukraine drastisch kürzen oder das Land zu einem zu für Russland günstigen Friedensschluss ohne „wasserdichte Sicherheitsgarantien“ zwingen, werde sich dies weiter negativ auf die wirtschaftlichen Aussichten auswirken – in der Ukraine, aber auch ganz Osteuropa. Vor dem Hintergrund werde es „entscheidend sein, ob es der EU gelingt, ihre Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine zu verstärken und die USA als wichtigsten Unterstützer des Landes zu ersetzen“, sagt Pindyuk.

Nicht so stark von Trumps Zollpolitik betroffen

Auch die EU ist von Trumps Zoll- und Verteidigungspolitik betroffen. Doch bleibe das Wachstum in den meisten Volkswirtschaften Ostmittel- und Südosteuropas 2025 im Gegensatz zur Eurozone robust, sagt WIIW-Vizedirektor Richard Grieveson. Zwar hat das Institut auch dort die Erwartungen für das BIP-Wachstum um 0,3 Punkte auf 2,5 Prozent reduziert. Dennoch dürften die EU-Mitglieder in Ostmittel- und Südosteuropa in diesem Jahr etwa dreimal so stark wachsen wie die Eurozone und auch 2026 noch doppelt so stark wie diese.

Er nennt dafür mehrere Gründe. So seien die direkten Handelsströme der gesamten Region mit den USA nicht groß, auch dürften „die Kollateralschäden durch die enge Verflechtung mit der stark exportabhängigen deutschen Industrie überschaubar bleiben“, sagt Grieveson. Zudem sollten die negativen Effekte von Trumps Zöllen „weitgehend durch die fiskalpolitische Kehrtwende Deutschlands mit seinem 500-Milliarden-Euro-Paket für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz kompensiert werden“.

Dennoch hinterlässt das dritte deutsche Rezessionsjahr in Folge Spuren bei Nachbarn. Die stark mit Deutschland verflochtene Industrie in Tschechien, der Slowakei, Ungarn oder Rumänien kämpfe mit der Industrierezession in der Bundesrepublik. Wie in früheren Fällen negativer externer Schocks würden Länder mit größeren Binnenmärkten die Folgen besser auffangen „und sich wahrscheinlich erneut als widerstandsfähig erweisen“. Spitzenreiter beim Wachstum unter den östlichen EU-Mitgliedern werde abermals Polen sein, für das das WIIW in diesem und dem kommenden Jahr einen BIP-Anstieg um jeweils 3,5 Prozent erwartet. Das schlägt 2025 sogar die traditionell wachstumsstarken Länder auf dem Westbalkan, die nur auf einen durchschnittlichen Zuwachs von drei Prozent kommen dürften.