Angesichts der unberechenbaren Zollpolitik der amerikanischen Regierung unter Donald Trump sehen Ökonomen bessere Chancen für EU-Freihandelsabkommen mit anderen Ländern. Dazu gehört Gabriel Felbermayr, der Vorsitzende des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo): „Europa kann sich positionieren als der Ort, wo man vertragstreu ist, wo man sich bekennt zu offenen Märkten“, sagte Felbermayr anlässlich der Jahrespressekonferenz der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK) am Donnerstag in Wien.
Nicht nur das Mercosur-Abkommen mit Ländern Südamerikas sei unterschriftsreif, sondern auch Verhandlungen mit Indien und Australien seien fortgeschritten. Oft scheitere es an unbedeutenden Partikularinteressen, sagte Felbermayr, der zuvor das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel leitete. Derzeit habe die EU 44 Freihandelsabkommen mit 76 Ländern.
Der Zollstreit darf sich aus Sicht des Präsidenten der DHK in Österreich, Hans Dieter Pötsch, nicht negativ auf die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und China auswirken. Man müsse „eine Eskalationsspirale vermeiden“, sagte Pötsch, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG und Vorstandsvorsitzender der Porsche SE ist. „Am Ende würden wir alle verlieren.“ Das Vorgehen der EU gegenüber chinesischen E-Autobauern bezeichnete Pötsch als angemessen.
Warnungen vor Abschottung
Bei den europäischen Zöllen auf chinesische E-Autos habe die EU mit China zunächst Gespräche geführt und habe dann aufgrund der Subventionshöhe abgestufte Zölle je Autobauer verhängt. Der VW-Aufsichtsratsvorsitzende zeigte sich zuversichtlich, dass die Zollsituation bei chinesischen E-Autos auch wieder in Richtung Absenkung gehen könnte und man mit dem Handelspartner China vernünftige Lösungen finde. „Das kann zu wirtschaftlichen Möglichkeiten führen“, sagte Pötsch. Chinesische Autobauer haben schon angekündigt, E-Autos in Europa zu fertigen, etwa in Ungarn. Auch Felbermayr warnte davor, sich aufgrund des US-Zollkonflikts von China abzuschotten. „Aus einem ersten Zollschlag kann ein Flächenbrand werden.“ Das sei eine schlechte Strategie für Europa.
Felbermayr erwartet auch keine markante Überschwemmung Europas mit chinesischen Produkten und verwies auf aktuelle Simulationen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Deutschland droht dem IfW zufolge keine Importschwemme chinesischer Waren durch den Handelskonflikt. Die Furcht vor einer Flut chinesischer Güter, die bisher in die Vereinigten Staaten exportiert wurden und nun auf dem Weltmarkt zusätzliche Konkurrenz für deutsche und europäische Exporteure bedeuten, ist demnach laut Simulationsrechnungen unbegründet. Sollte es zu Handelsumlenkungen in manchen Bereichen kommen, müsse die EU bei Zöllen auf chinesische Waren mit absoluter Vorsicht vorgehen, mahnt der Ökonom.
„Weniger Papier, mehr Pragmatismus“
Um die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland und Österreich zu stärken, forderte der Präsident der DHK, Hans Dieter Pötsch, einen merklichen Bürokratie-Abbau. „Wir brauchen eine echte Deregulierungs-Offensive. Weniger Papier, mehr Pragmatismus“, sagte Pötsch. Außerdem hält auch die Senkung der Energie- und Arbeitskosten für nötig.
Trotz zuletzt schwieriger Jahre bleiben Österreich und Deutschland füreinander weiter wichtige Handelspartner. Bei den Ausfuhren sei Österreich für Deutschland ähnlich bedeutend wie Großbritannien und Italien. Deutschland hat nach Angaben der Statistikbehörde Destatis Waren im Wert von 77,2 Milliarden Euro ins südliche Nachbarland exportiert, allerdings 5,7 Prozent weniger als noch im Jahr zuvor.
Österreich ist weiterhin der achtgrößte Exportpartner (zuvor Platz 7) und der neuntwichtigste Importpartner (zuvor ebenfalls Platz 7) Deutschlands. Besonders betroffen von der Delle waren Investitionsgüter wie Maschinen und Werkzeugmaschinen sowie chemische Erzeugnisse. Der Automobilhandel zeigte sich hingegen vergleichsweise stabil. Insgesamt sind nach Angaben der Handelskammer 4.900 deutsche Unternehmen in Österreich tätig. Umgekehrt haben 2.400 österreichische Gesellschaften einen Standort in Deutschland.