Die monatlichen Renten der mehr als 21 Millionen gesetzlich versicherten Ruheständler steigen zum 1. Juli um 3,74 Prozent. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch in seiner letzten Sitzung vor dem Regierungswechsel die dazu erforderliche Rechtsverordnung. Die Höhe der diesjährigen Anhebung hatte das Bundesarbeitsminister schon im März auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben berechnet und bekanntgegeben.
Die Erhöhung, die formal auch noch vom Bundesrat gebilligt werden muss, sei „eine gute Nachricht für die Rentnerinnen und Rentner“, erklärte der geschäftsführende Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) dazu. Im Grundsatz folgen die jährlichen Rentenerhöhungen der allgemeinen Lohnentwicklung, allerdings enthält die gesetzliche Berechnungsformel verschiedene Korrekturmechanismen, die für Abweichungen sorgen können. Diesmal wurde für die Löhne ein Anstieg von 3,69 Prozent ermittelt. Die Rentenerhöhung fällt also, auf Bruttobasis, etwas stärker aus.
Dies liegt unter anderem daran, dass im Betrachtungszeitraum der Beitragssatz zur Pflegeversicherung gestiegen ist, den Rentner in voller Höhe zahlen, während für Arbeitnehmer zur Hälfte ihr Arbeitgeber bezahlt. Ohne den Zuschlag zur Rentenerhöhung von 0,05 Prozentpunkten wäre daher die Kenngröße des Rentenniveaus (sie setzt Renten und Löhne in Relation) unter 48 Prozent gesunken. Diese Marke ist nach aktueller Gesetzeslage noch bis einschließlich 2025 festgeschrieben.
Rentenniveau nur durch Auschalten des Demokratiefaktors zu halten
Wie sich der Verordnung entnehmen lässt, löst die diesjährige Erhöhung Mehrausgaben von jährlich gut 15 Milliarden Euro für die gesetzliche Rentenversicherung aus. Deren Gesamtausgaben beliefen sich zuletzt auf rund 400 Milliarden Euro im Jahr. Davon werden gut 120 Milliarden Euro durch Zuschüsse und andere Zahlungen aus dem Bundeshaushalt gedeckt. Der Hauptteil kommt aus lohnabhängigen Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Das bisher befristet bis 2025 geregelte Festschreiben der Kenngröße „Rentenniveau“ wird durch ein Ausschalten des Demographie- oder Nachhaltigkeitsfaktors in der gesetzlichen Rentenformel erreicht. Dieser Faktor soll eigentlich dafür sorgen, dass die Rentenerhöhung etwas geringer ausfällt als die Lohnanstiege, wenn es mehr Rentner und weniger Zahler gibt. Letztere sollen so vor finanzieller Überlastung durch die demographischen Verschiebungen geschützt werden. Denn für die kommenden Jahre bahnen sich deutliche Steigerungen des Beitragssatzes und der Steuerzuschüsse an.
750 Euro jährlich weniger bis 2038
In dem nun auch von den Sozialdemokraten gebilligten Koalitionsvertrag haben Union und SPD allerdings vereinbart, diesen Schutzfaktor für weitere sechs Jahre bis 2031 auszuschalten um die Kenngröße Rentenniveau bei 48 Prozent zu halten. Konkret heißt dies, dass die Renten weiterhin mindestens so stark steigen müssen wie die Löhne, auch wenn Beiträge und Steuerzuschüsse schon durch die wachsende Zahl der Rentner steigen.
Was dies für Begünstigte konkret bedeuten könnte, falls sich die Wirtschaft trotzdem gut entwickelt, rechnete die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt am Mittwoch vor: Würde der Nachhaltigkeitsfaktor weiter wirken, hätten im Jahr 2038 „Rentner mit einer Rente von 1.000 Euro im Monat dann knapp 750 Euro jährlich weniger im Geldbeutel als bei einem stabilem Rentenniveau von 48 Prozent“. Umgekehrt würde die geplante Gesetzesänderung im Beispiel einer vergleichsweise kleinen Rente von 1000 Euro also für 750 Euro mehr Rente im Jahr 2038 sorgen – 62,50 Euro mehr im Monat.
Da in der Rentenversicherung das sogenannte Äquivalenzprinzip gilt, lässt sich aus dieser Berechnung ergänzend ableiten, was die geplante Gesetzänderung für Senioren mit höheren Renten bedeutet: Wer heute zum Beispiel eine Rente von 2.500 Euro bezieht, könnte sich demnach im Jahr 2038 sogar über 1875 Euro mehr freuen, gut 156 Euro mehr im Monat. Für die Summe der Rentenausgaben erwartete die Bundesregierung bisher einen Anstieg auf rund 650 Milliarden Euro im Jahr 2038. Auch dieser würde damit beschleunigt.