Vertrauensvorschuss für Kamieth und BASF

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Auf den Strategiewandel der BASF hätten die Aktionäre auch anders reagieren können. Schließlich hat ihnen der neue Vorstand um den Vorsitzenden Markus Kamieth im Herbst einiges zugemutet: sich vom Mantra der Größe verabschiedet, beträchtliche Teile des Konzerns de facto zum Verkauf frei gegeben, mindestens ins Schaufenster gestellt für Partner. Angekündigt, die Dividende zu kürzen, die Investitionen zusammenzustreichen, Anlagen zu schließen, den grünen Umbau langsamer anzugehen und den Fokus noch mehr auf Asien zu richten.

Doch statt Kritik erntet die Führung auf der Hauptversammlung vor allem Lob. Tenor: Endlich geht der Vorstand eine Frischzellenkur an, gipfelnd in der Aussagen, „der Dinosaurier lebt“. Tatsächlich hat der größte Chemiekonzern der Welt seit Jahren seine Kapitalkosten nicht verdient und die Dividende nur aus der Substanz bezahlen können. Obwohl das Unternehmen seinen Status als einer der besten Dividendenzahler in Deutschland verliert, beweisen die Aktionäre damit Realitätssinn. Auch wenn sein Name selten genannt wurde, die Veranstaltung war auch eine Abrechnung mit dem ehemaligen Vorstandschef Martin Brudermüller. Fakt ist aber auch: noch ist unklar, ob die neue Strategie aufgeht.

Anfängliche Kursgewinne an der Börse wurden jedenfalls von Zollquerelen wieder zunichte gemacht. Noch bleibt ein langer Weg zu gehen: Der Fokus auf Grundchemikalien birgt die Gefahr, dass der Konzern in Spezialmärkten den Anschluss verliert. Die neuen Kerngeschäfte werden zudem dauerhaft die versprochenen höheren Margen nur liefern, wenn die Strategie des „Last man standing“ aufgeht, also weniger effiziente Unternehmen vor allem im mit Abstand größten Markt Europa aufgeben. Denn hier werden die Chemiemärkte kaum noch wachsen.

Größte Ambitionen seit Jahren

Der Verdrängungswettbewerb bedeutet auch: um diesen Kampf zu bestehen, muss BASF die nötige Effizienz bekommen. Der Vorstand wird also um harte Einschnitte im defizitären Großstandort Ludwigshafen nicht herumkommen. Das wird nicht ohne Widerstand abgehen.

Im Gegenzug will Kamieth wie Brudermüller das Geschäft in Asien ausbauen, obwohl dort Überkapazitäten wachsen. Im Auftreten konziliant, im Handeln radikal – so stark wie Kamieth hat den Konzern seit Jahrzehnten niemand umgebaut. Die Aktionäre haben dem Vorstand dafür ihr Vertrauen ausgesprochen. Jetzt muss er liefern.