Wie gesund ist die naturbelassene Milch?

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Immer mehr Menschen kaufen Milch direkt beim Bauern – doch Rohmilch birgt Risiken, die viele unterschätzen. Besonders für bestimmte Gruppen kann sie sogar gefährlich sein.

Mehr Vitamine, vorbeugend gegen Allergien und besser für den Darm: Rohmilch gilt als besonders gesund. Gerade in den sozialen Medien erlebt das Lebensmittel einen regelrechten Hype. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen an sogenannten “Milchtankstellen” bedienen. Doch das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) warnt: Wer Rohmilch trinkt, ohne sie vorher zu erhitzen, geht ein hohes gesundheitliches Risiko ein.

Rohmilch ist Milch von Kühen (oder auch Ziegen oder Schafen), die weder pasteurisiert noch homogenisiert wurde und ihren natürlichen Fettgehalt behält. Beim Pasteurisieren wird die Milch für 15 bis 30 Sekunden auf 72 bis 75 °C erhitzt und danach sofort wieder abgekühlt, um Krankheitserreger abzutöten. Beim Homogenisieren werden die Fettkügelchen durch hohen Druck zerkleinert und gleichmäßig in der Milch verteilt. So trennt sich die Milch nicht.

Verbraucher können Rohmilch entweder direkt beim Bauern – zum Beispiel an Milchtankstellen – oder als sogenannte Vorzugsmilch in abgepackter Form im Handel kaufen. Stammt die Milch nicht aus einem besonders streng kontrollierten Betrieb, muss der Verkäufer gut sichtbar darauf hinweisen, dass sie vor dem Verzehr abgekocht werden muss.

Vorzugsmilch ist unbehandelte Rohmilch, die nur durch staatlich zugelassene und kontrollierte Vorzugsmilchbetriebe hergestellt werden darf. Die Betriebe benötigen eine Genehmigung des Veterinäramtes und unterliegen besonderen hygienischen Vorschriften und Kontrollen.

Pasteurisierte Kuhmilch gilt als gesunde Quelle von Eiweiß, Kalzium, Zink und Jod. Sie liefert überdies wichtige Vitamine wie Vitamin B2 und B12. Rohmilch liefert geringfügig mehr Vitamine – so kann der Gehalt an Vitamin B12 und E durch das Erhitzen abnehmen. Gleichzeitig steigt jedoch der Anteil an Vitamin A leicht an. Die wichtigen Inhaltsstoffe wie Kalzium und Eiweiß bleiben vollständig erhalten.

Neben dem vermeintlich höheren Nährstoffgehalt greifen viele Menschen zur Rohmilch, weil sie sich davon gesundheitliche Vorteile erhoffen: etwa die Vorbeugung einer Laktoseintoleranz, eine bessere Aufnahme “guter” Bakterien oder eine positive Wirkung auf das Haarwachstum. Doch für diese Annahmen gibt es keine wissenschaftlichen Belege.

Zwar gibt es Hinweise darauf, dass Kinder, die in einem ländlichen Umfeld aufwachsen, ein geringeres Allergie- und Asthmarisiko haben. Allerdings können hier verschiedene Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Es gibt keine direkten Beweise dafür, dass der Verzehr von Rohmilch einen schützenden Effekt hat.

Im Gegensatz zu den vermeintlichen Vorteilen von Rohmilch sind die Nachteile klar belegt. So können in der Rohmilch krank machende Bakterien wie Campylobacter, Salmonellen oder EHEC (enterohämorrhagische Escherichia coli) enthalten sein. Diese Erreger gelangen meist durch mangelnde Hygiene beim Melken in die Milch – selbst wenn der Stall sauber ist. Die Keime können zum Teil schwere Durchfallerkrankungen auslösen.

Auch andere Krankheitserreger wie das FSME-Virus oder das Vogelgrippe-Virus (bisher nur in den USA) können in Rohmilch vorkommen, wenn auch selten.

Rohmilchabgabeautomaten, sogenannte Milchtankstellen, halten die Rohmilch kühl und verhindern, dass sich Bakterien vermehren. Eine Kontamination mit krankmachenden Keimen kann jedoch schon über das Tier beziehungsweise beim Melken erfolgen. Die Kühlung der Automaten reduziert die Keime nicht; das Infektionsrisiko bleibt bestehen.

Rohmilch in der Schwangerschaft: Schwangeren wird dringend vom Verzehr abgeraten.Vergrößern des Bildes
Rohmilch in der Schwangerschaft: Frauen, die ein Kind erwarten, wird dringend vom Verzehr abgeraten. (Quelle: Eva-Katalin/getty-images-bilder)

Rohmilch sollte generell nicht ohne Erhitzen verzehrt werden, empfiehlt das Bundeszentrum für Risikobewertung. Und: Bei empfindlichen Personen sollte auch die streng kontrollierte Vorzugsmilch abgekocht oder gänzlich gemieden werden, da auch sie immer ein gewisses Infektionsrisiko birgt. Bei ihnen kann es sonst leichter zu einem schweren Verlauf kommen.

Zu den empfindlichen Personengruppen gehören:

  • Säuglinge
  • Kleinkinder
  • Schwangere
  • ältere Menschen
  • Menschen mit einem geschwächten Immunsystem

Wer auf Rohmilch nicht verzichten möchte, sollte sie vor dem Trinken unbedingt abkochen, das heißt, die Milch mindestens 20 bis 30 Sekunden auf 72 Grad erhitzen. Das gilt auch für die Weiterverarbeitung – etwa zu Joghurt oder Desserts. Auch bei der Lagerung ist Vorsicht geboten: Vorzugsmilch darf maximal vier Tage alt sein und muss bei höchstens 8 °C aufbewahrt werden.

Rohmilch mag ein naturbelassenes Lebensmittel sein – gesünder ist sie deshalb nicht. Die potenziellen gesundheitlichen Gefahren, besonders durch gefährliche Keime wie EHEC oder Campylobacter, überwiegen die leicht höheren Werte bestimmter hitzeempfindlicher Vitamine. Andere Gesundheitsversprechen von Rohmilch sind darüber hinaus nicht wissenschaftlich bestätigt.