Amazon will nicht einfach nur kundenfreundlich sein. Der Onlinehändler schreibt sich „Kundenbesessenheit“ zu. Auf seiner Internetseite nennt er dies als oberstes „Führungsprinzip“. Zu diesem Anspruch hätte ein Plan des Unternehmens, über den vor einigen Tagen berichtet wurde, gut gepasst. Demnach wollte Amazon künftig angeben, welchen Anteil Importzölle am Verkaufspreis von Produkten haben. Solcherlei Transparenz wäre gewiss im Sinne der Kunden. Offenbar missfiel dies aber Donald Trump, dem Verantwortlichen für eine Vielzahl neuer Zölle. Über seine Sprecherin ließ der US-Präsident Amazon einen „feindseligen und politischen Akt“ attestieren. Der Konzern ruderte umgehend zurück und sagte, die Idee werde nicht umgesetzt. Trump sagte später, er habe persönlich mit Amazon-Gründer Jeff Bezos gesprochen, und der habe das „Problem“ schnell gelöst.
Seit gut 100 Tagen ist Trump wieder im Weißen Haus. Seine Amtseinführung lieferte ein unvergessliches Bild: Inmitten von Politikern und Trumps Familie waren einige der bekanntesten Konzernchefs Amerikas. Allen voran der selbst erklärte „First Buddy“ Elon Musk, daneben manche, die wie Bezos oder Meta-Vorstandschef Mark Zuckerberg lange ein schwieriges Verhältnis zu Trump hatten. An diesem Tag paarte sich Wirtschaftsmacht mit politischer Macht.
Das Foto mit den Techmilliardären wurde vielfach als Symbol für ein neues amerikanisches Oligarchentum interpretiert. Aber die Episode um die Amazon-Preise wirft nun zum wiederholten Mal die Frage auf, ob die Nähe von Bezos, Zuckerberg & Co. zu Trump nicht eher ein Zeichen von Ohnmacht als von Macht ist. Bezos ist sofort eingeknickt. Trump hat klargemacht, dass er hundertprozentige Unterwerfung fordert und nichts duldet, was ihn schlecht aussehen lässt oder auch nur im Ansatz als Kritik an seiner Politik verstanden werden kann. Einige der reichsten Menschen der Welt akzeptieren diesen Deal. Das ist umso demütigender, weil sie sich noch nicht einmal darauf verlassen können, dass es für die Linientreue eine Gegenleistung von Trump gibt. Im Nachhinein lässt sie das am Tag der Vereidigung nicht wie mächtige Wirtschaftsbosse aussehen, sondern wie armselige Komparsen.
Wenige Erfolge der Tech-Milliardäre mit der Regierung
Musk ist dabei ein Sonderfall, weil er Trump schon im Wahlkampf mit viel Geld unterstützt hat und dafür mit einem Regierungsposten belohnt wurde. Von den anderen Techmagnaten haben Bezos und Zuckerberg Trump besonders eifrig hofiert, weit über die vielen Millionenspenden von US-Unternehmen zur Amtseinführung hinaus. Amazon gab eine absurde Summe von 40 Millionen Dollar für die Rechte an einer Dokumentation über Melania Trump aus, mehr als je zuvor für einen Film aus diesem Genre. Meta zahlte 25 Millionen Dollar, um eine Klage von Trump beizulegen. Dabei ging es um Trumps Sperre auf Facebook und Instagram nach dem Sturm auf das Kapitol 2021 – den meisten Fachleuten zufolge hatte Meta beste Chancen, den Rechtsstreit zu gewinnen.
Solche Gefälligkeiten haben den Zugang zu Trump gewiss erleichtert. Zuckerberg war angeblich in den ersten 100 Tagen schon dreimal im Weißen Haus. Unter dem Strich scheint aber bislang wenig für ihn herauszuspringen. Er hatte gehofft, einen bedrohlichen Kartellstreit mit der US-Regierung aus der Welt zu schaffen, der Meta zur Trennung von Instagram und Whatsapp zwingen könnte. Bisher verfolgen die Kartellbehörden den Fall aber mit aller Macht weiter, kürzlich hat ein Gerichtsprozess begonnen. Ähnliche Sorgen hat der Wettbewerber Google, dessen Vorstandschef Sundar Pichai ebenfalls bei der Vereidigung war. Google befindet sich sogar inmitten zweier Kartellverfahren, auch hier steht eine Zerschlagung zur Debatte.
Am Ende leidet die Glaubwürdigkeit
Für Apple ist hingegen Trumps Zollpolitik die größte Gefahr. Vorstandschef Tim Cook hat schon in der ersten Amtszeit ein freundlicheres Verhältnis zu Trump kultiviert als Bezos und Zuckerberg. Womöglich kam ihm das jetzt zugute, als der Präsident Smartphones und andere Produkte vorerst von den meisten Zöllen ausnahm. Aber auch für Cook gibt es noch keinen Anlass zur Entwarnung, da Trump mit anderen Zöllen für Elektronikprodukte gedroht hat.
Es ist ein ernüchternder Akt der Selbstaufgabe, dass einige der prominentesten Vertreter der amerikanischen Techelite entschieden haben, sich Trump völlig auszuliefern. Vielleicht reden sie sich ein, dies sei im Interesse ihrer Aktionäre und Mitarbeiter. Es hat aber einen Preis, denn sie beschädigen ihre eigene Glaubwürdigkeit. Niemand sollte es ihnen abnehmen, wenn sie jemals wieder über Prinzipien sprechen.