Im Weißen Haus in Washington, dem Amtssitz des amerikanischen Präsidenten, geschehen merkwürdige Geschichten. Einige Monate nach Donald Trumps erstem Amtsantritt im Jahr 2017 traf der Milliardär und Investor Nelson Peltz den Präsidenten zur persönlichen Audienz. Peltz überreichte Trump ein Dossier, wonach die finanziellen Probleme der amerikanischen Staatspost vor allem durch den Onlinehändler Amazon verursacht worden seien. Unter anderem behauptete Peltz fälschlicherweise, Amazon erhalte Vorzugspreise von der Staatspost. So berichtete es die Zeitschrift „New Yorker“.
Für Trump war das ein gefundenes Fressen. Der Amazon-Gründer Jeff Bezos war dem Präsidenten ein Dorn im Auge, weil dessen Zeitung „Washington Post“ kritisch über ihn schrieb. Trump setzte, so der Bericht, einen hochrangigen Mitarbeiter auf den Fall an. Im Weißen Haus wurde gerätselt, welches Interesse Peltz daran haben könne, Amazon beim Präsidenten anzuschwärzen. Dann stellte sich heraus, dass der Investor mit seiner Beteiligungsgesellschaft einige Monate zuvor einen Milliardenanteil an Procter & Gamble, dem großen Hersteller von Pflegeprodukten und anderen verbrauchernahen Gütern, erworben hatte. Anscheinend fürchtete Peltz, dass Amazon durch den Kauf der Supermarktkette Whole Foods seine Geschäfte stören könne.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Es sei ungerecht, dass die amerikanische Post Amazon und anderen viel zu wenig für ihre Transportleistung abverlange, zwitscherte Trump Ende 2017 auf dem Onlinedienst Twitter. Peltz’ Anliegen war auf Gehör gestoßen. Es lohnt sich, eng mit dem Präsidenten vernetzt zu sein.
Ökonomisch ist der bizarre Vorgang nicht einfach zu bewerten. Nach einer Theorie, die eher auf das Gute im Menschen setzt, ist der enge Kontakt zwischen Unternehmen und Politikern oder Regulierern hilfreich, damit Letztere Praxiswissen aus der Wirtschaft erlangen und bessere Entscheidungen im Interesse des ganzen Landes treffen können. Nach einer anderen Theorie sind Fälle wie der des Investors Peltz einfach nur Korruption. Spenden von Unternehmen, um Politiker wie Trump im Wahlkampf zu unterstützen, sind demnach der Preis für Eintrittskarten ins Weiße Haus. Die lange Reihe an Techmilliardären und anderen Unternehmensgrößen, die zur zweiten Amtseinführung des Präsidenten im Januar meist je eine Million Dollar gespendet und dem Ereignis noch mit ihrem persönlichen Erscheinen Glanz verliehen hatten, folgten nach dieser Theorie weniger einer patriotischen Pflicht. Vielmehr lösten sie ein Ticket, um das Ohr des Präsidenten und seiner engen Mitarbeiter zu finden.
Börsenerfolg nach Präsidentenbesuch
Die wirtschaftlichen Vorteile des engen Kontakts zum amerikanischen Präsidenten gelten unabhängig von der Person des Amtsinhabers. Sie lassen sich zum Beispiel für den Demokraten Barack Obama nachweisen, der in Deutschland ja mehr noch als in den Vereinigten Staaten als Vertreter des Guten angesehen wird. „All die Freunde des Präsidenten“ lautet übersetzt der Titel einer Studie der Ökonomen Jeffrey Brown und Jiekun Huang von der University von Illinois aus dem Jahr 2017. Die Forscher zeigen darin in umfangreichen ökonometrischen Tests, dass der Marktwert von Unternehmen an der Börse steigt, wenn das Spitzenpersonal der Unternehmen zuvor den Präsidenten oder einen seiner Spitzenberater getroffen hatte. Die Studie legt auch offen, dass Unternehmen, die mehr für die Wahlkampagnen von Obama gespendet hatten, mehr Zugang zum Weißen Haus erhielten. Die Wahlkampfspenden könnten sich so als gute Investitionen für die Unternehmen herausgestellt haben. Unternehmen, die besonders gut mit Obamas Weißem Haus vernetzt waren, verloren demnach an der Börse übermäßig Wert, als Trump 2016 völlig überraschend erstmals zum Präsidenten gewählt wurde.
Die Studie basiert auf bemerkenswerten Daten. Obama hatte in seinen beiden Amtszeiten nach anfänglichem Zögern die Besucherliste des Weißen Hauses freiwillig offengelegt. Jedermann konnte mit zeitlicher Verzögerung von einigen Wochen nachvollziehen, mit wem der Präsident oder seine Berater sich persönlich getroffen hatten. Erst diese freiwillige Transparenz gab den Forschern die Chance, die engen Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik wissenschaftlich auszuwerten.
Nur zwei amerikanische Präsidenten haben diese Offenheit in den vergangenen Jahrzehnten gewagt und die Besucherlisten veröffentlicht: Barack Obama und Joe Biden. Die Vorgänger Bill Clinton, George W. Bush und auch der jetzige Präsident Trump hielten und halten ihre Besucherliste geheim.
„Black Box“ für Zollausnahmen
Trump macht allerdings in ausgewählten Fällen keinen Hehl aus seinen „Deals“ mit den Wirtschaftsbossen. „Ich habe Tim Cook kürzlich geholfen“, prahlte er im Weißen Haus, nachdem er im April die Sondereinfuhrzölle von 145 Prozent auf iPhones und andere elektronische Waren aus China vorerst ausgesetzt hatte. Cook ist Chef des iPhone-Herstellers Apple, der einen Großteil seiner Produkte in China fertigen lässt. Cook hatte nach Medienberichten zur Amtseinführung von Trump persönlich eine Million Dollar gespendet.
Der enge Zusammenhang zwischen Spenden und politischem Einfluss ist auch im Falle von Trump wissenschaftlich belegt. Während seiner ersten Amtszeit erlaubte Trump Unternehmen, Ausnahmen von den damaligen Zöllen im Handelskrieg gegen China zu erlangen. Solche Ausnahmen gab es in der amerikanischen Geschichte immer wieder. Früher wurden sie vom Kongress beschlossen. Die erste Trump-Regierung aber ließ die Unternehmen Anträge stellen, die von der Regierung für die jeweilige Branche genehmigt wurden oder auch nicht – angeblich unter Berücksichtigung amerikanischer Interessen. Eine undurchschaubare „Black Box“ nannte die renommierte Zeitung „Wall Street Journal“ dieses Verfahren.
In einer gerade veröffentlichten Studie zeigen die vier Ökonomen Veljko Fotak, Hye Seung Lee, William Megginson und Jesus Salas auf, dass die erste Trump-Regierung diese Zollausnahmen nicht nur anhand neutraler wirtschaftlicher Kriterien gewährte. Die Analysen deuten vielmehr darauf hin, dass die Regierung Unternehmen begünstigte, die im Wahlkampf für Trump gespendet hatten. Es zeigt sich ferner, dass die erste Trump-Regierung Unternehmen benachteiligte, die für die demokratische Gegenkandidatin Hillary Clinton gespendet hatten. Demnach nutzte Trump die Zollausnahmen nicht nur, um seine Befürworter zu belohnen, sondern auch, um seine politischen Widersacher zu bestrafen.