Ein neuer Pragmatismus der SPD?

6

Gemessen an der Personalauswahl, die der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz für die CDU-Ministerposten getroffen hat, ist die Aufstellung der SPD im neuen Kabinett recht konventionell. Allerdings wäre es auch schwer als Aufbruchsignal zu vermitteln gewesen, hätten die Sozialdemokraten Merz’ Faible für Seiteneinsteiger aus der Wirtschaft gewissermaßen spiegelbildlich gekontert – etwa mit einer Gewerkschaftsvorsitzenden als neuer Ar­beits- und Sozialministerin.

Dass SPD-Chef Lars Klingbeil mit Verena Hubertz eine (wenn auch politisch erfahrene) Unternehmerin als Bau- und Wohnungsministerin berufen hat, lässt sich vielleicht sogar als Hinweis auf ein stilles Einvernehmen mit Merz werten: darüber, dass pragmatischer Realitätssinn und unideologische Problemlösungskompetenz tatsächlich ein Kennzeichen der neuen Regierung werden sollen. Wie gut das gelingt, falls es die Absicht ist, wird freilich auch von Klingbeils Auftreten als Finanzminister abhängen.

Bleibt Bärbel Bas als Arbeitsministerin unideologisch?

Ebenso interessant wird es sein, wie sich die künftige Arbeitsministerin Bärbel Bas dazu verhält. Tatsächlich ist sie in den vergangenen drei Jahren staatstragend und un­ide­olo­gisch aufgetreten, weil das ihrem Amt und Rollenverständnis als Bundestagspräsidentin entsprach. Aber was ist das Rollenverständnis einer sozialdemokratischen Arbeitsministerin? Wird sie dort tatsächlich einen neuen Stil prägen?

In jedem Fall wird die Nachfolgerin von Hubertus Heil, des großen Verlierers Klingbeilscher Personalpolitik, knifflige Gratwanderungen schaffen müssen. Auf der einen Seite lastet auf ihr kein geringerer Erwartungsdruck der Gewerkschaften als auf Heil und dessen Vorgängerin Andrea Nahles; ein Druck der die „Rente ab 63“, das Bürgergeld und den politischen Mindestlohn erzeugt hat.

Auf der anderen Seite gibt ihr der Koalitionsvertrag ein Arbeitsprogramm mit vielen CDU-Projekten auf, darunter die Abschaffung des Bürgergelds. Allerdings gibt es auf diesem Politikfeld auch Mittel, sich Stabilität auf solchen Gratwanderungen zu verschaffen: ein ausgewogener Diskurs mit beiden Sozialpartnern, Gewerkschaften und Arbeitgebern. Ihn wieder aufzunehmen, käme schon einem Politikwechsel gleich.