Multiple Sklerose: Verlauf, Schübe und Lebenserwartung

5

Multiple Sklerose wird auch das “Chamäleon der Neurologie” genannt. Nicht nur die Diagnose der chronischen Nervenerkrankung ist schwierig, auch der Verlauf ist uneinheitlich.

Prognosen sind daher bei einer Multiplen Sklerose stark vom individuellen Fall abhängig. Dennoch lassen sich einige Einschätzungen über den Verlauf machen.

Patienten, bei denen die Diagnose Multiple Sklerose gestellt wird, sind in der Regel zwischen 20 und 40 Jahre alt. Der Verlauf der chronischen Nervenerkrankung ist sehr variabel. In vielen Fällen ist er von sogenannten Schüben gekennzeichnet. Das sind Phasen, in denen bestimmte neurologische Symptome auftreten, die sich meist innerhalb weniger Wochen teilweise oder vollständig zurückbilden.

Bei manchen Patienten jedoch verschlechtert sich der Zustand kontinuierlich, ganz ohne Schübe. Dennoch verläuft nicht jede MS so gravierend, dass der Patient zwangsläufig im Rollstuhl endet. Statistisch gesehen lebt etwa ein Drittel der Patienten ohne größere Behinderungen. Ein weiteres Drittel weist zwar körperliche Einschränkungen auf, die auch den Alltag beeinträchtigen, aber prinzipiell Berufstätigkeit und Familienplanung zulassen. Lediglich bei einem Drittel führt Multiple Sklerose zu deutlichen Beeinträchtigungen, die mit Berufsunfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit verbunden sind.

Auch wenn Multiple Sklerose bei jedem Menschen unterschiedlich verläuft, kommt es nach Auskunft der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) bei etwa 70 Prozent der Patienten zu Schüben in der frühen Phase der Krankheit. Von einem Schub sprechen Experten, wenn MS-typische Symptome wie zum Beispiel Sehstörungen, Lähmungen oder Missempfindungen in den Beinen plötzlich und ohne erkennbare Ursache auftreten, mindestens 24 Stunden anhalten und seit dem Beginn des letzten Schubes mehr als 30 Tage vergangen sind.

Die Symptome können Tage bis Wochen anhalten und klingen danach in der Regel vollständig ab. Manchmal dauert es Wochen und Monate, manchmal sogar Jahre, bis es erneut zu einem Schub kommt. Das Wiederkehren der Schübe bezeichnet man auch als schubförmig remittierenden Verlauf einer MS.

Doch nicht immer beginnt eine Multiple Sklerose mit Schüben. Die Krankheit kann auch von Anfang an einen voranschreitenden Verlauf haben. Mediziner sprechen in diesem Fall vom primär chronisch progredienten Verlauf. Nach einer bestimmten Zeit, die von Patient zu Patient individuell unterschiedlich ist, kommt es zu einem langsamen, kontinuierlichen Fortschreiten der Krankheit, bei dem Symptome und Beschwerden allmählich immer stärker werden. Körperliche Beeinträchtigungen nehmen von Anfang an zu, oft ohne einzeln abgrenzbare Schübe. Allerdings tritt diese Form eher selten auf und betrifft meist nur Patienten, bei denen der Krankheitsbeginn nach dem 40. Lebensjahr liegt.

Eine sehr viel häufigere Form ist der sekundär chronisch progrediente Verlauf. Dabei geht die Krankheit nach einer längeren Phase der schubförmigen Entwicklung in einen fortschreitenden Verlauf über, bei dem sich die Behinderungen nicht mehr zurückbilden und mit der Zeit zunehmen. Wann genau dieser Zeitpunkt erreicht ist, dass bestimmte körperliche Fähigkeiten definitiv verloren gehen, lässt sich nicht mit Gewissheit voraussagen. Mithilfe von Medikamenten lässt sich dieser Zeitpunkt jedoch hinauszögern.

Auch wenn die Entwicklung einer MS bei jedem Patienten anders verläuft, lässt sich eine Reihe von Faktoren festmachen, die für einen günstigen Verlauf der Krankheit sprechen. Das MS-Selbsthilfeportal AMSEL benennt diese wie folgt:

Auf einen eher ungünstigen Krankheitsverlauf bei MS deuten folgende Faktoren und Symptome hin:

Ob die Krankheit das Leben verkürzt, ist eine Frage, die viele MS-Erkrankte beschäftigt. Laut einer kanadischen Studie von 2011 liegt die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer mit Multipler Sklerose bei 74 Jahren, für Frauen bei 79 Jahren. Verglichen mit der nicht an MS erkrankten Bevölkerung sind das im Schnitt sechs Jahre weniger. Allerdings kann aus den Resultaten der Studie nicht individuell vorhergesagt werden, wie hoch die Lebenserwartung im Einzelfall ist.