Jüdische Diasporagemeinden: Antisemitische Vorfälle steigen weltweit

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Nicht nur in Deutschland sind die antisemitischen Vorfälle nach dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 erheblich angestiegen. Die sieben größten jüdischen Diasporagemeinden aus Frankreich, Kanada, dem Vereinigten Königreich, Argentinien, Australien, den Vereinigten Staaten und Deutschland hatten sich 2023 zu einer „Task Force Against Antisemitism“ (J7) zusammengeschlossen. Am Vorabend des achtzigsten Jahrestags der Befreiung Deutschlands haben sie im Schloss Bellevue mit dem Bundespräsidenten über die Entwicklung des Antisemitismus und seine internationale Dimension gesprochen. „Beim Antisemitismus handelt es sich um ein globales Phänomen, das eine globale Antwort erfordert“, hieß es bei der Gründung der J7.

„Die J7 sind ein Glücksfall für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland, das haben die vergangenen Tage erneut gezeigt“, sagte der Präsident des Zen­tralrats der Juden, Josef Schuster, der F.A.Z. In diesen Zeiten sei es wichtig, dass sich der Zentralrat mit den größten jüdischen Gemeinden außerhalb Israels vernetze. „

In all unseren Ländern dringt der Antisemitismus von den extremistischen Rändern in die Mitte der Gesellschaft. Dagegen stehen wir zusammen und lernen voneinander“, so Schuster in Berlin. In Deutschland hat sich aus seiner Sicht eine Front gebildet, die quer durch die Linke und Rechte, von den Islamisten bis zur Mitte der Gesellschaft verläuft. „Diese Koalition stellt die Selbstverständlichkeit des heutigen jüdischen Lebens und die deutsche Erinnerungskultur infrage“ sagte Schuster.

Schuster hält historisch-politische Bildung gerade im digitalen Zeitalter für entscheidend. Denn es sei offenkundig, dass die Menschen hassen, was sie nicht kennen, so der Präsident des Zentralrats. Die Lehre aus dem sprunghaften Anstieg des Antisemitismus nach dem 7. Oktober dürfe kein Rückzug des Jüdischen sein. Die jüdischen Diasporagemeinden sähen, dass liberale Demokratie und Judentum zusammengehörten. „Wir müssen ein Teil unserer freiheitlichen Gesellschaften sein und uns nicht ‚desintegrieren‘, wie manche meinen“, so der Zentralratspräsident.

Online-Hass und Gewalt

In den Jahren 2021 bis 2023 sind die antisemitischen Vorfälle nach Angaben der J7 um elf Prozent in Australien, um 23 Prozent in Argentinien, um 75 Prozent in Deutschland, um 82 Prozent im Vereinigten Königreich, um 83 Prozent in Kanada, um 185 Prozent in Frankreich und um 227 Prozent in den Vereinigten Staaten gestiegen. Im Jahr 2021 wurden in den Vereinigten Staaten 2717 antisemitische Vorfälle registriert, im Jahr 2023 waren es 8873, im Jahr 2024 sogar 9354.

Konkret geht es um eine Eskalation des Online-Hasses, eine wachsende Gefährdung von Juden, die ihre Zugehörigkeit in der Öffentlichkeit zeigen, um gewalttätige Aktionen gegen jüdische Institutionen wie Synagogen, Schulen und Gemeindehäuser. Die meisten Regierungen seien nicht in der Lage, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die den Terrorismus gegen den jüdischen Staat unterstützten.

Aus Kanada berichtete der jüdische Vertreter Noah Shack von Vandalismus gegen jüdische Geschäfte und Unternehmen und Brandbomben auf Synagogen. In Argentinien nahm der Antisemitismus vor allem in Bildungseinrichtungen und Hochschulen zu, wo kritisches Denken durch uralte Vorurteile ersetzt worden sei, wie der jüdische Vertreter Mauro Berenstein berichtete. Der französische Vertreter des „Conseil Représentatif des Institutions Juives en France“, Yonathan Arfi, sieht nicht nur eine statistische Zunahme antisemitischer Vorfälle oder eine Krise für die jüdische Gemeinschaft, sondern einen Test für die westlichen Demokratien.

„Achtzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind jüdische Führungspersönlichkeiten aus der ganzen Welt zusammengekommen, um eine einfache Wahrheit zu bekräftigen: dass wir niemals zulassen werden, dass Hass unsere Zukunft bestimmt“, sagte die Präsidentin der „Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations“ Betsy Berns-Korn.