Merz bei Macron: Die entrostete Achse Berlin-Paris

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In die in den Scholz-Jahren erstarrten deutsch-französischen Sonderbeziehungen kommt Bewegung. Schon vor seiner Wahl zum Bundeskanzler ließ Friedrich Merz (CDU) erkennen, dass ihm am guten Draht zu Präsident Emmanuel Macron mehr gelegen ist als seinem Vorgänger. Sein Antrittsbesuch am Mittwoch bekräftigt diesen Willen zur Entrostung der Achse Berlin–Paris. Gerade in den brennenden wirtschafts-, handels- und verteidigungspolitischen Fragen will Merz Deutschland und Frankreich enger zusammenbringen und so Europa stärken. In Paris hat man solche Si­gnale aus Berlin sehnsüchtig erwartet.

Guter Wille allein reicht jedoch nicht, um den deutsch-französischen Motor wieder ins Laufen und Europa nach vorne zu bringen. Zwar wäre schon viel gewonnen, wenn sich Berlin und Paris nicht länger gegenseitig aneinander abarbeiten. Vor allem von grüner Seite wurde mit abschätzigen Äußerungen über Frankreichs Energiepolitik viel Porzellan zerschlagen. Umgekehrt agierte Frankreich in der Handelspolitik als Geisterfahrer, obwohl das Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten angesichts der geopolitischen Krisen zeitgemäßer denn je ist.

Doch auch in frischer Teilbesetzung wird sich das deutsch-französische Paar an seinen Taten messen lassen müssen. Gerade bei komplexen Themen wie der schon ewig und nun auch wieder von Merz und Macron versprochenen Vertiefung der Kapitalmärkte darf man sehr gespannt sein, ob Durchbrüche gelingen. Gleiches gilt für die stärkere Standardisierung und Interoperabilität von Waffensystemen.

Dabei ist der Handlungsbedarf immens. Die EU ist für die großen Herausforderungen der Gegenwart unzureichend gerüstet, und für ihre beiden größten Volkswirtschaften gilt das in besonderem Maße. Die Verteidigungsfähigkeit bleibt lückenhaft, und die Standortbedingungen sind vor allem für die Industrie nicht mehr wettbewerbsfähig. In Frankreich kommen eine desaströse Finanzlage und fragile innenpolitische Verhältnisse erschwerend hinzu. In dieser Gemengelage ist ein stabil regiertes Deutschland, das mutige Reformen und Veränderungen nicht scheut, wichtiger denn je.