Missbrauch im Bistum Speyer: Mehr Täter unter Ordenspriestern

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Der Anteil von Angehörigen katholischer Männerorden unter den Missbrauchstätern ist womöglich höher als bisher angenommen. Das legt eine Missbrauchsstudie für das Bistum Speyer nahe, die am Donnerstag von Wissenschaftlern der Universität Mannheim vorgestellt wurde. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass Ordensgeistliche sowie bistumsfremde Priester im Bistum Speyer unter den Beschuldigten seit 1980 überrepräsentiert seien.

Die Forscher äußern Zweifel an dem Befund der sogenannten MHG-Studie, die 2018 im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlicht wurde. Diese deutschlandweite Untersuchung ergab auf der Grundlage der von den Bistümern übermittelten Zahlen, dass Ordensgeistliche unter den Missbrauchstätern unterrepräsentiert seien. Die Autoren der Speyerer Studie vermuten, dass eine „marginale Aktenführung für Ordensgeistliche“ der Grund für die vergleichsweise geringe Zahl der erfassten Fälle ist, diese tatsächlich aber deutlich höher sein könnte.

Begünstigt wurde Missbrauch durch Ordenspriester laut der Studie vor allem, weil der Bischof von Speyer und die Bistumsverwaltung bis mindestens in die 1990er-Jahre hinein „keine nachweisbare oder überprüfbare Aufsicht über die Ordensmitglieder, die in der Diözese tätig waren“, geführt hätten. „Die von Rom gestützte Autonomie der Orden ermöglichte geistliches Handeln im Bistum weitgehend ohne Kontrolle“, sagte die Historikerin Sylvia Schraut. Die Ordensoberen hätten offensichtlich allein entscheiden können, welche Ordenspriester sie mit welchen Aufgaben betrauen.

Die Autoren verweisen darauf, dass sich das Bistum bis heute mehr oder weniger auf die Orden verlasse und verlassen müsse, wenn es um die Prüfung von Qualifikationen und Lebenslauf vor dem Einsatz in Speyer gehe. Es fehlten Regelungen für eine Oberaufsicht des Bistums. Insgesamt hat die Studie für den Zeitraum zwischen 1946 und 2023 109 beschuldigte oder überführte Priester identifiziert und 41 Laien. Ein weiterer Teil der Untersuchung soll 2027 veröffentlicht werden.