Der erste Auftritt eines Papst nach seiner Wahl auf dem mittleren Balkon des Petersdomes gehört zu den emblematischen Momenten seiner Amtszeit. Was der Papst in seiner ersten Ansprache sagt und, wie er auftritt, vermittelt einen ersten Eindruck davon, wie er sein Amt versteht und was er mit der Kirche vorhat. Was lässt sich aus dem ersten Auftritt von Leo XIV. ablesen?
Die erste Ansprache von Papst Leo XIV. war deutlich länger als die seiner beiden Vorgänger. Rund sechs Minuten dauerte sie. Franziskus hatte 2013 etwa vier Minuten geredet, Benedikt XVI. sagte 2005 nur vier Sätze. Der amerikanische Papst las seine Rede ab. Auffallend war, dass er das Blatt, das sich in einer Art Mappe oder Klemmblock befand, selbst in der Hand hielt. Neu war auch, dass der amerikanische Papst im Gegensatz zu seinen Vorgängern, nicht nur Italienisch sprach, seine Rede enthielt auch eine spanische Passage, in der er sein ehemaliges Bistum Chiclayo in Peru grüßte.
Dass ein Papst in seiner ersten Ansprache seinen Vorgänger würdigt, ist eine übliche Geste des Respekts und der Höflichkeit, aber vor allem auch ein Bekenntnis zur Kontinuität in der Leitung der katholischen Kirche. Leo XIV. stellte seine Verbundenheit mit Franziskus stark heraus. Gleich dreimal nannte er seinen Vorgänger, zweimal davon namentlich. Er erinnerte an den letzten „Urbi et Orbi“-Segen von Franziskus vor seinem Tod am Ostersonntag.
Leo XIV. bekennt sich zum Bemühen um Frieden
Er rief dazu auf, dessen „schwache, aber immer mutige Stimme, die Rom segnete“, im Ohr zu behalten. Seine Hommage endete mit den Worten: „Danke Franziskus“. Seine beiden Vorgänger hatten ihre Reverenz deutlich knapper und förmlicher gehalten. Franziskus rief im März 2013 nur zum Gebet „für den emeritierten Bischof Benedikt XVI.“ auf. Benedikt XVI. wiederum würdigte den „großen Johannes Paul II“, im Vergleich zu dem er selbst nur ein „einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn“ sei.
Leo XIV. beließ es indes nicht bei einer persönlichen Referenz. Der amerikanische Papst bekannte sich auch inhaltlich zum Pontifikat seines Vorgängers und nannte zentrale Stichwörter aus dessen Pontifikat: „Wir wollen eine synodale Kirche sein“, sagte er, die sich stets um den Frieden bemühe und versuche, vor allem jenen nahe zu sein, die litten. Damit stelle sich Leo XIV. hinter den weltweiten Gesprächsprozess über Reformen in der katholischen Kirche, den Franziskus 2021 ins Leben gerufen hatte.
So sehr er in seiner ersten Ansprache die Kontinuität zu Franziskus hervorhob, optisch knüpfte Leo XIV. an Benedikt XVI. und Johannes Paul II. an. Seine Gewandung war ein Bekenntnis zur Tradition. Im Gegensatz zu Franziskus, der ganz in weiß vor die Öffentlichkeit trat, trug Leo XIV. eine rote Mozzetta, wie sie die meisten Päpste vor Franziskus getragen hatten. Das ist jener Schulterumhang, von dem es heißt, Franziskus habe sich nach seiner Wahl geweigert in anzuziehen mit den Worten: „Der Karneval ist vorbei“.
Leo XIV. trägt seine Ordensmitgliedschaft nach außen
Außerdem trug Leo XIV. von Anfang an die sogenannte Stola der vier Evangelisten, die für Benedikt XV. angefertigt wurde. Franziskus hatte sich dieses Stola erst für den anschließenden „Urbi et orbi“-Segen umlegen lassen. Insgesamt spricht daher vieles dafür, dass der neue Papst mehr mit Liturgie und vatikanischen Traditionen anfangen kann, als sein Vorgänger.
Bemerkenswert war auch der Unterschied zu Franziskus mit Blick auf das Papstamt. Franziskus hatte in seiner Ansprache nur vom Bischof von Rom gesprochen und kein einziges Mal vom Papst oder vom Nachfolger Petri. Leo XIV. hingegen bedankte sich bei den Kardinälen dafür, dass sie ihn zum „Nachfolger Petri“ gewählt hätten.
Leo XIV. ist wie sein Vorgäner Ordensmann. Franziskus erwähnte seine Ordensmitgliedschaft jedoch mit keinem Wort in seiner Ansprache, die Jesuiten kamen darin nicht vor. Leo XIV. hingegen spielte mit dem Satz „Ich bin ein Kind des heiligen Augustinus“ darauf an, dass er dem Augustinerorden angehört, dessen Generaloberer er mehrere Jahre lang war.
Ganz auf der Linie seines Vorgängers lag Leo XIV., als er zum Schluss seiner Ansprache der itsalienischen Voksfrömmigkeit seine Reverenz erwies und an die „Madonna di Pompei“, erinnerte, deren Gedenktag die katholische Kirche am Donnerstag beging.