„Dauerschulden“ der EU wird es nicht geben

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Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist nach seinem ersten Telefonat mit US-Präsident Donald Trump vorsichtig optimistisch, dass der Handelsstreit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten nicht weiter eskaliert und mittelfristig beendet werden kann. Er habe Trump zum Abschluss eines Handelsabkommens mit dem Vereinigten Königreich gratuliert, ihn aber zugleich darauf hingewiesen, dass er keine weiteren Abkommen mit einzelnen europäischen Ländern abschließen könne, sondern nur mit der ganzen EU, sagte Merz anlässlich seines Antrittsbesuchs bei den EU-Institutionen am Freitag in Brüssel. „Ich hatte den Eindruck, dass er das akzeptiert, dass das auch seine Sicht ist, dass er das nur mit uns zusammen kann.“

Wie zuvor Kommissionschefin Ursula von der Leyen warb Merz für einen beidseitigen vollständigen Zollabbau. „Ich habe Trump gesagt, das ist aus meiner Sicht keine gute Idee, diesen Zollstreit zu eskalieren. Die beste Lösung wäre ‚down to zero‘ für alles und für alle.“ Auch in Amerika beginne die Diskussion über die nachteiligen Auswirkungen der hohen Zölle für die eigene Wirtschaft, sagte Merz. Diese Diskussion nehme Trump „natürlich“ wahr. Er betonte in Brüssel, dass die EU und die USA nicht nur über Zollhöhen, sondern auch über die gegenseitige Anerkennung technischer Standards reden müssten, die als Handelshemmnis wirkten. Das sei „mindestens genauso wichtig“ wie die Diskussion über die Zölle“.

Von der Leyen sagte, Trumps Abschottungspolitik lasse die EU zu einem immer attraktiveren Handelspartner werden. Mittlerweile bestünden 76 Handelsabkommen mit Partnern auf der ganzen Welt. Merz ergänzte, Deutschland unterstütze selbstverständlich die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Dagegen gibt es vor allem aus Frankreich erheblichen Widerstand.

„Die EU muss das auch tun“

Auch von der Leyen gab sich zu den bevorstehenden Gesprächen der Kommission mit der amerikanischen Seite verhalten optimistisch. Sie fügte aber hinzu, dass sie sich mit Trump erst treffen werde, wenn spürbare Ergebnisse zu erwarten seien. Der amerikanische Präsident hatte die Kommissionschefin am Vortag „phantastisch“ genannt und hinzugefügt, er glaube, er werde von der Leyen bald treffen. Die EU sei eine „große Sache“.

Merz traf in Brüssel von der Leyen und den Präsidenten des Europäischen Rates, António Costa. Die Gespräche waren stark von wirtschaftspolitischen Fragen bestimmt. Ebenfalls am Freitag stattete der neue Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) dem französischen Finanz- und Wirtschaftsminister Eric Lombard in Paris seinen Antrittsbesuch ab.

Merz forderte von der EU entschlossenere Reformen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Die „viel zu groß gewordene europäische Regulierung“ müsse zurückgeschnitten werden. Als Beispiel nannte er die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD). Die EU-Gesetzgeber hatten deren vollständige Einführung Anfang April um ein bis zwei Jahre verschoben. Merz sagte, das reiche nicht aus, das Gesetz müsse vollständig zurückgenommen werden. „Deutschland wird sein Lieferkettengesetz abschaffen, die EU muss das auch tun.“

Darüber hinaus will Merz derzeit nicht gehen

Weitgehend bedeckt hielt der Kanzler sich mit Blick auf die Position der neuen Bundesregierung zur bevorstehenden Debatte über den nächsten mittelfristigen EU-Finanzrahmen. Diese Diskussion werde „schwierig“, er sehe auch keinen Konsens zwischen Berlin und Paris zum Umfang und zur Struktur des neuen EU-Budgets. Eine Änderung der deutschen Position zu „Dauerschulden“ der EU werde es nicht geben. Die Corona-Pandemie sei ein „einmaliger Anlass“ für eine gemeinsame Verschuldung gewesen.

Ob die neue schwarz-rote Regierung möglicherweise in der Finanzierung von gemeinsam beschafften Rüstungsgütern einen weiteren „einmaligen Anlass“ sieht, ließ der Kanzler offen. Er lobte die bisherigen Finanzierungsvorschläge der Kommission, die im Wesentlichen in der Suspendierung der EU-Budgetregeln für die nationale Beschaffung von Rüstungsgütern sowie in dem Kreditprogramm SAFE bestehen. Letzteres dient ebenfalls der Finanzierung nationaler Beschaffung, aber über Geld, das die EU-Kommission an den Finanzmärkten aufnimmt und als Darlehen an die Mitgliedstaaten weiterreicht.

Darüber hinaus will Merz in der Rüstungsbeschaffung jedenfalls derzeit nicht gehen. Eine dauerhafte gemeinsame EU-Verschuldung verstoße nicht nur gegen die Europäischen Verträge, sondern stoße auch an ökonomische Grenzen. „Ich sehe mit zunehmender Sorge auf die immer weiter steigende Staatsverschuldung nicht nur, aber auch in Europa“, sagte Merz. In der EU sei die Refinanzierung der Staatsschulden und nicht zuletzt der Zinsen zunehmend gefährdet.

„Eine ganze Reihe von Projekten“

In der Rüstungsbeschaffung sei „Geld allein“ ohnehin nicht die Antwort, fügte der Kanzler hinzu. Das größte brachliegende Potential liege in „Simplifizierung, Standardisierung und Stückzahl“. Damit meint Merz die Beschaffung simplerer und aufeinander abgestimmter Waffensysteme sowie eine größere Einkaufsmacht durch gemeinsame Beschaffung.

Klingbeil äußerte sich in Paris ähnlich. In Verteidigungsfragen seien auch strukturelle Reformen notwendig, sagte er. „Es geht nicht nur um Investitionen in Verteidigung, sondern es geht auch darum, dass wir auf der europäischen Ebene darüber reden, wie wir die Prozesse effizienter gestalten können.“ Gleiches gelte für die Rüstungsbeschaffung. Man müsse darüber reden, wie man die Kraft aller 27 Nationalstaaten, die alle mehr in die Verteidigung investierten, „bündeln und die Strukturen auch verändern“ könne.

Zu gemeinsamen EU-Schulden, die gerade den hoch verschuldeten Franzosen dringend benötigte Ausgabenspielräume verschaffen könnten, wollte auch Klingbeil sich nicht festlegen. „Wir wissen um die gemeinsame Verantwortung, dass wir Europa jetzt auf die nächste Ebene heben“, sagte Klingbeil. Es brauche ein starkes Europa. Dafür müsse man „gemeinsame Wege gehen, dafür müssen beide Seiten auch mutig sein und sich bewegen“. Konkreter wollte er am Freitag nicht werden.

Stärker als in Brüssel ging es in Paris um Atmosphärisches. Auf französischer Seite ist die Hoffnung groß, nach den bleiernen Jahren der rot-grün-gelben Koalition nicht nur auf der Ebene von Bundeskanzler und Staatspräsident zu neuem Elan zu finden. Lombard sagte, man wolle „gemeinsam daran arbeiten, die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern wieder zu stärken und einen Beitrag unserer beiden Länder zum Aufbau einer neuen Phase der Europäischen Union zu leisten“. Man habe „eine ganze Reihe von Projekten“ verabredet, die man gemeinsam voranbringen wolle, sagte Klingbeil.