Willkommen in der Stagflation!

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Er sei ein Narr, sagte Donald Trump in der zurückliegenden Woche mal wieder über den amerikanischen Notenbankchef Jerome Powell. Ein Dummkopf, der keine Ahnung habe. Das kennt man. Anders als sonst fügte der amerikanische Präsident aber hinzu: „Abgesehen davon mag ich ihn sehr.“

Trotz solcherlei plötzlicher Milde dürfte Trump sich sehr geärgert haben, dass Powell das Szenario einer „Stagflation“ für die Vereinigten Staaten an die Wand malte. Gemeint ist mit diesem ökonomischen Horrorbegriff aus den Siebzigerjahren eine Phase wirtschaftlicher Bewegungslosigkeit, die zu allem Überfluss auch noch von einer hässlichen Inflation begleitet wird.

Herausforderung für die Geldpolitik

Für Notenbanken ist ein solches Szenario eine besondere Herausforderung: Die Inflation erfordert eigentlich Zinserhöhungen. Wenn es aber zu solchen kommt, wird es mit der Stagnation zumindest nicht besser.

Was heißt das für Anleger? „Willkommen in der Stagflation!“ schreibt die Vermögensverwaltung Reichmuth & Co über ihren wöchentlichen Marktbericht und liefert umgehend gleich ein paar Tipps mit, wie Privatanleger gemeinhin am besten durch solch unerfreuliche Zeiten hindurchzukommen pflegen.

Dabei gilt allerdings die Alltagserfahrung: Wer sich bei der Auswahl seiner Jacke morgens allein auf statistische Erkenntnisse zu den durchschnittlichen Temperaturen um diese Jahreszeit verlässt, fährt damit oftmals schlechter, als wer das konkrete Wetter in Augenschein nimmt.

„Studien zeigen, dass Stagflationsphasen für Aktienmärkte insgesamt negativ sind, jedoch variieren die Auswirkungen je nach Sektor und Land“, heißt es in der Analyse von Reichmuth & Co. „Dividendenstarke Qualitätsaktien mit Preissetzungsmacht sowie die Bereiche Basiskonsum und Gesundheitswesen konnten in solchen Phasen oft profitieren.“

Ähnlich sieht das Reinhard Pfingsten, der Chefanlagestratege der Deutschen Apotheker- und Ärztebank in Düsseldorf. Sollte es in Richtung Stagflation gehen, so meint er, schlügen sich diejenigen Aktien noch relativ am besten, die recht stabile „Cash Flows“ hätten, also Nettozuflüsse an liquiden Mitteln, die dabei aber ihre Umsätze und Gewinne recht gut an die Inflation anpassen könnten. „Dies sind Unternehmen aus dem Versorger-, Telekom- und Gesundheitsbereich, aber auch solche Unternehmen die trotz der Zölle nicht substituiert werden können, wie zum Beispiel Unternehmen aus dem Maschinenbau“, sagt Pfingsten.

Defensive Aktien werden interessant

Sicher ist noch nicht, dass es zur Stagflation in den Vereinigten Staaten kommt. Michael Heise, Chefökonom des Multifamilyoffice HQ Trust, meint, die Gefahr sei derzeit zumindest „recht groß“. Selbst wenn die amerikanischen Zölle sich auf einem Niveau von zehn Prozent einpendeln sollten, sei dies ein Vielfaches des Niveaus aus der Zeit vor dem Antritt des Präsidenten und könnte das Preisniveau in den Vereinigten Staaten leicht um ein Prozent erhöhen.

„Mit einer Stagnation der Wirtschaft vergleichbar zur Situation bei uns seit drei Jahren würde ich nicht rechnen, aber mit einem für US-Verhältnisse schwachem Wachstum, das im Jahresdurchschnitt allenfalls bei 1,5 Prozent liegt“, sagt Heise. In dieser Situation dürften nach seiner Einschätzung sogenannte defensive Aktien aus den Wirtschaftssektoren Versorger, Basiskonsum und Energie relativ gut abschneiden.

Eher zusetzen würde eine Stagflation nach Einschätzung des Ökonomen dagegen den Sektoren Kommunikationsdienste und Finanzwesen: „Zu diesen Einschätzungen kommt man, wenn man die langfristige Entwicklung seit etwa Anfang der Siebzigerjahre im Hinblick auf Phasen höherer Inflation und schwachen Wachstums untersucht.“

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