Eigentlich sollte Margot Friedländer am Freitag die höchste Ehrung, die der Bundespräsident verleihen kann, entgegennehmen: Das große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik. Doch sie ließ den Bundespräsidenten bitten, die Verleihung zu verschieben, weil es ihr nicht gut ging. Nun ist die Holocaustüberlebende und Zeitzeugin am Freitag im Alter von 103 Jahren in Berlin gestorben.
„Sie hat unserem Land Versöhnung geschenkt, trotz allem, was die Deutschen ihr als jungem Menschen angetan hatten. Für dieses Geschenk können wir nicht dankbar genug sein“, schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anlässlich ihres Todes. Margot Friedländers Vermächtnis „ist uns Mahnung und Verpflichtung, gerade in einer Zeit, in der die Demokratie angefochten wird und sich Antisemitismus wieder unverhohlen zeigt“, so Steinmeier.
Ganz besonders hätten ihr die jungen Leute am Herzen gelegen. Ihnen habe sie von den ungeheuerlichen Verbrechen, die die Nationalsozialisten verübt haben, berichtet. „Wer das Glück hatte, ihr zuhören zu dürfen, der weiß: Sie erzählte nie mit Bitterkeit oder Wut. Nie klagte sie an“. Margot Friedländer habe jeden, der ihr begegnete, mit ihrer Wärme, mit ihrer Zugewandtheit, ihrer ungeheuren Kraft beeindruckt. „Ihre tiefe Menschlichkeit hat mich im Innersten berührt“, so der Bundespräsident in seiner Würdigung.
„Margot Friedländer hat das Menschsein zu ihrem zentralen Anliegen gemacht. Sie war nicht nur eine mahnende Stimme unserer Zeit, sondern besaß auch die Gabe, stets das Beste in ihrem Gegenüber zu sehen“, teilte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, mit. „Margot Friedländers Tod zeigt uns die Vergänglichkeit der Erinnerung; er verweist auf die große Verantwortung, die wir gegenüber dieser mutigen und starken Frau und ihrer ganzen Generation haben.“
Seit ihrer Rückkehr in ihre Geburtsstadt – nach mehr als sechs Jahrzehnten im Exil in New York – engagierte sich die Ehrenbürgerin von Berlin unermüdlich für Versöhnung und Erinnerung. Friedländer war mit 88 Jahren aus New York nach Berlin zurückgekehrt. Bis zuletzt mahnte sie zur Verteidigung der Demokratie – erinnern allein reiche nicht. Ihre letzten öffentlichen Worte anlässlich der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Kriegsendes am 7. Mai 2025 im Berliner Rathaus waren: „Für Euch. Seid Menschen. Das ist es, was ich Euch bitte zu tun: Seid Menschen!“
2023 hat sie die Margot Friedländer Stiftung ins Leben gerufen, die sich auch nach ihrem Tod für Demokratie und Freiheit sowie gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung einsetzen wird.