Merz, Macron, Starmer und Tusk fordern Putin zu Waffenruhe auf

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Die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen haben am Samstag Russland ultimativ aufgefordert, schon am Montag eine dreißigtägige Waffenruhe in der Ukraine beginnen zu lassen. In dieser Zeit sollen die Modalitäten für künftige Friedensverhandlungen festgelegt werden.

Während eines gemeinsamen Besuches beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew wiesen Bundeskanzler Friedrich Merz, Präsident Emmanuel Macron, Premierminister Keir Starmer und Ministerpräsident Donald Tusk zugleich russische Versuche zurück, ihren Plan mit Bedingungen zu verknüpfen. Für den Fall, dass Russland ihren Vorschlag zurückweisen sollte, drohten sie mit erheblich verschärften Sanktionen.

Ein Sprecher des russischen Präsidenten Putin hatte unmittelbar vorher gesagt, Russland werde sich auf eine Waffenruhe nur einlassen, wenn dadurch keine Vorteile für die Ukraine entstünden. Deshalb müsse der Westen für den vereinbarten Zeitraum seine Unterstützung für Kiew einstellen. Tusk sagte dazu, eine bedingungslose Waffenruhe sei eben eine bedingungslose Waffenruhe „und nichts anderes“. Die anderen stimmten ihm zu, und Starmer fasste sich in die kurze Bemerkung, jetzt dürfe es aus Russland „kein Wenn und Aber“ mehr geben.

Videokonferenz mit etwa zwei Dutzend Staats- und Regierungschefs

Die vier Besucher und ihr ukrainischer Gastgeber versuchten, ihrem Vorschlag durch enge Abstimmung mit etwa zwei Dutzend anderen Staats- und Regierungschefs aus mehreren Kontinenten sowie mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump Nachdruck zu verleihen. Sie verbanden ihr Kiewer Treffen deshalb mit einer Videokonferenz, an der etwa zwei Dutzend weitere Staats- und Regierungschefs aus mehreren Kontinenten sowie die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen, der EU-Ratspräsident António Costa und NATO-Generalsekretär Mark Rutte teilnahmen. Wie später berichtet wurde, erhielten sie für ihren Plan einhellige Unterstützung.

Um Einigkeit mit den Vereinigten Staaten zu demonstrieren, riefen Selenskyj und seine Besucher spontan beim amerikanischen Präsidenten Donald Trump an. Der war von ihrem Vorhaben seit einem Telefongespräch mit Friedrich Merz am Donnerstag Abend schon unterrichtet und hat am Samstag nun offenbar Unterstützung signalisiert. Starmer sagte jedenfalls auf einer Pressekonferenz nach den Beratungen, die Position der Vereinigten Staaten sei „absolut klar“ und man habe jetzt „Einhelligkeit“.

Wegen dieser Verzahnung von Staaten aus der Europäischen Union, der NATO und der sogenannten „Koalition der Willigen“ zur Unterstützung der Ukraine wird der neue Waffenstillstandsplan jetzt intern als die größte diplomatische Friedensinitiative seit dem russischen Großangriff auf die Ukraine vor mehr als drei Jahren dargestellt.

Saudi-Arabien könnte Erdölförderung hochfahren

Russland soll nach dem Willen der beteiligten Länder durch die Drohung mit deutlich verschärften Sanktionen zur Zustimmung bewegt werden. Die Maßnahmen sollen über das ohnehin geplante 17. Sanktionspaket der Europäischen Union weit hinausgehen. Macron beschrieb die geplante neue Dimension mit den Worten, falls Russland sich verweigere, sei Schluss mit „business as usual“.

Wie die neuen Sanktionen aussehen sollen, schien noch nicht klar, weil es ebensoviele mögliche Varianten wie dazu passende Bedenken gibt. Selenskyj sprach allgemein von Maßnahmen „im Energiesektor und beim Bankensystem“, aber intern gab es in Kiew offenbar noch keine Klarheit.

Macron hat wohl darauf hingewiesen, dass Europa einen totalen und schnellen Abschied von russischen Gaslieferungen schwer verkraften würde, und Merz scheint zu zögern, wo es darum geht, die eingefrorenen russischen Staatsguthaben von mehreren hundert Milliarden Euro endgültig zu beschlagnahmen. Offenbar fürchtet der Kanzler, dass solche Konfiskationen das internationale Vertrauen in den Anlageplatz Europa schwächen könnten. Nun gibt es die Hoffnung, dass Trump Saudi-Arabien dazu bewegen könnte, seine Erdölförderung hochzufahren. Dann könnten die Preise sinken und der Öl-Exportnation Russland eine wichtige Einnahmequelle nehmen.

Merz weicht Taurus-Frage aus

Bei dem Kiewer Treffen und der angeschlossenen internationalen Schaltkonferenz hat sich außerdem angedeutet, dass der französisch-britische Plan, einen künftigen Frieden durch eine internationale „Rückversicherungstruppe“ in der Ukraine zu sichern, wenig Unterstützer findet. Öffentlich sprach am Samstag jedenfalls nur noch Macron von diesem Vorhaben. Starmer, der die Idee eine Zeitlang unterstützt hat, schwieg, und Merz sagte auf Nachfrage während einer Pressekonferenz, welche Maßnahmen man treffen werde, solle nicht Gegenstand „öffentlicher Erörterungen“ werden. Auch in den internen Gesprächen der „Koalition der Willigen“ hat offenbar nur ein einziges kleineres Land Macrons Vorhaben unterstützt.

Auf der Pressekonferenz wich Merz auch einer Frage nach dem deutschen Marschflugkörper „Taurus“ aus. Die Ukraine wünscht sich diese Waffe, um zum Beispiel Waffenlager und Kommandozentralen in der Tiefe Russlands bekämpfen zu können, und Merz hatte im Herbst, noch als Oppositionsführer, die Lieferung des „Taurus“ als Option für den Fall eines Wahlsiegs ausdrücklich ins Spiel gebracht.