1952 erscheint unter dem Titel „Ich, der Robot“ im Düsseldorfer Karl-Rauch-Verlag eine Sammlung mit Erzählungen des bis dahin in Deutschland noch kaum bekannten Autors Isaac Asimov. Die Weltraum-Buch-Reihe war der Versuch, amerikanische Science-Fiction als Hardcover – das Format für seriöse Romanliteratur – im deutschen Sortimentsbuchhandel durchzusetzen. Der Umschlag zeigt die etwa drei Viertel der gesamten Bildfläche einnehmende, in verschiedenen Abstufungen von Metallic-Grau gehaltene Darstellung eines Androidenkopfes. Die Pupillen weisen, aus der Perspektive der Maschine, nach links unten, war ihr etwas Ängstliches verleiht und dadurch den menschenähnlichen Charakter noch unterstreicht. Das Antlitz der Maschine erinnert stark an C-3PO, den Protokoll- und Dolmetscher-Droiden aus dem von George Lucas allerdings mehr als zwanzig Jahre später erdachten „Star Wars“-Universum.
Das eigentliche Vorbild dürfte die von Walter Schulze-Mittendorff entworfenen Figur des „Maschinenmenschen“ aus Fritz Langs expressionistischem Stummfilmklassiker „Metropolis“ aus dem Jahr 1927 sein. Das Buch enthält die erste Version von Asimovs bis heute immer wieder zitierten drei Robotergesetzen: „Ein Robot darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem Menschen Schaden zugefügt wird. Zweitens: Ein Robot muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen, es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren. Und drittens: Ein Robot muss seine eigene Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel Eins oder Zwei kollidiert.“
Dieser Mechanismus dirigiert seinen Arbeitsmodus selbst
In seinem Kommentar geht der Herausgeber der Buchreihe, Gotthard Günther, ein in Sachen Computertechnologie und mathematischer Logik bewanderter Philosoph, der Frage nach, ob es technisch überhaupt möglich wäre, „menschliches Bewusstsein auf Maschinen zu übertragen“. Nur in diesem Falle hätte Asimovs Moralkodex für Maschinen mehr als einen rein hypothetischen Sinn. In seinem populärwissenschaftlich gehaltenen Kommentar, den wir in dem 2016 erschienenen Band „Science Fiction als neue Metaphysik? Gotthard Günthers Kommentare zu ‚Rauchs Weltraum-Büchern‘“ nachlesen können, schließt er die Herstellung eines maschinellen Selbstbewusstseins aus logischen Gründen aus – nicht jedoch die Herstellung eines Maschinenbewusstseins überhaupt.
Die Entwicklung der Technik sei vom Werkzeug zur halbautomatischen Maschine (wie dem Automobil) und von dort zu vollautomatischen Maschinen fortgeschritten, deren Arbeitsrhythmus wie bei der thermostatisch geregelten Öl- oder Stromheizung vom Menschen unabhängig sei. „Ein Thermostat, der die Temperatur in einer neuzeitlichen Wohnung regelt, braucht nicht mehr bedient zu werden, um sinngemäß zu funktionieren. Dieser Mechanismus dirigiert seinen Arbeitsmodus selbst.“ Solche Maschinen müssen lediglich noch gewartet werden.

Die allgemeine Theorie ihrer Funktionsweise wurde in den Vereinigten Staaten in einem neuen wissenschaftlichen Fach entwickelt: der Kybernetik. Der Mathematiker Norbert Wiener hatte im Zweiten Weltkrieg versucht, ein Flugabwehrgeschütz zu entwickeln, das mithilfe eines rückkoppelnden Systems die voraussichtliche Flugbahn von Flugzeugen der Achsenmächte zu berechnen in der Lage war. Er stand mit einer Gruppe von Forschern ganz unterschiedlicher Disziplinen im Austausch, die nach einer fächerübergreifenden theoretischen Grundlage suchten und sich dafür zwischen 1946 und 1953 zu einer Reihe von insgesamt zehn von der Josiah-Macy-Stiftung geförderten Tagungen trafen. Seit 1949 nannten sie sich Kybernetiker.
Technische Geräte variieren ihre Leistung
In der von Mathematikern, Physikern, Elektrotechnikern, Neurologen, Psychologen und Anthropologen gemeinsam begründeten Wissenschaftsdisziplin geht es um die intelligente Lenkung von Realitätszusammenhängen durch informative Daten. Dabei wird „Information“ weder als Materie oder Energie noch als Geist oder Subjektivität, sondern als ein eigengesetzliches Zwischengebiet verstanden. Die traditionelle Unterscheidung von totem und lebendigem Prozess, von Mechanismus und Organismus wird für obsolet erklärt. Die Kybernetiker entwickelten auf diese Weise ein fachübergreifendes Denken, das die Selbststeuerung von Informationsprozessen durch Rückkopplungsmechanismen, wie sie in der Regelungstechnik in Gebrauch waren, als Modell für analoge Prozesse der Informationsverarbeitung in der biologischen Welt entdeckte. Auf diese Weise konstruierte technische Geräte folgten nicht von außen eingegebenen Befehlen, sondern variierten ihre Leistung nach Maßgabe der erzielten Ergebnisse.
Die in der philosophischen Überlieferung wichtige Unterscheidung von Körper und Geist ließen die Beteiligten dahingestellt sein. Ganz ähnlich, so führte Günther in seinem Kommentar zu Asimov aus, habe der deutsche Philosoph Arnold Gehlen in seinem 1940 erschienenen Hauptwerk „Der Mensch“ ein auf die Handlung fokussiertes Begriffssystem entwickelt, „das den Unterschied von Leib und Seele nicht mehr kennt“.
In seiner 1957 publizierten Schrift „Das Bewusstsein der Maschine. Eine Metaphysik der Kybernetik“ lehnt sich Günther in einer Passage, in der es um die Frage der Existenz einer außerhalb des Bewusstseins liegenden Außenwelt geht, erkennbar an Gehlens Handlungstheorie an – ohne diesen hier beim Namen zu nennen. „Indem wir mit unseren Händen nach den Dingen greifen“, so Günther, „überzeugen wir uns davon, dass die Dinge ‚außerhalb‘ von uns existieren.“ Das sich in Handlungen betätigende Bewusstsein sei konstitutionell unfähig, an der objektiven Welt zu zweifeln. Dass das von uns bearbeitete und veränderte Ding nur in unseren Bewusstseinsakten existieren soll, sei vom praktischen Standpunkt aus vollkommen sinnlos. Der handelnde Wille biete daher eine zuverlässige Brücke von der Innen- zur Außenwelt.
Gehlens Theorie der Willensfreiheit
Gehlen wiederum war sich bewusst darüber, dass seine Handlungstheorie, die etwa zur selben Zeit entstand wie die Modellüberlegungen der kybernetischen Forschung, mit dieser in wesentlichen Punkten übereinstimmte. 1957 zeigte er in „Die Seele im technischen Zeitalter“, wie sich menschliche Handlungen, die automatische Temperaturregulierung moderner Heizungen sowie körpereigene Funktionen wie das System der Blutdruckregelung als rückbezügliche Kreislaufprozesse beschreiben ließen. „Alle Beteiligten“, schrieb er 1971 in einem Aufsatz, „arbeiteten ohne Fühlung miteinander an parallelen Problemen, wie ihnen erst später klar wurde.“

Zu Günther hatte Gehlen jedoch tatsächlich einen persönlichen Kontakt. Vor seiner Zeit in den Vereinigten Staaten, in die er mit seiner jüdischen Frau Marie Hendel nach einem Umweg über Italien und Südafrika emigriert war, hatte der Philosoph mit einer Arbeit über die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung von Hegels Logik promoviert und von 1935 bis 1937 an dem damals von Gehlen geleiteten philosophischen Institut in Leipzig gearbeitet. Gemeinsam mit dem in der Bundesrepublik der Fünfzigerjahre zum Starsoziologen aufgestiegenen Gehlen-Schüler und -Freund Helmut Schelsky verfasste er eine Abhandlung über „Christliche Metaphysik und das Schicksal des modernen Bewusstseins“. Schelsky und Gehlen waren zu dieser Zeit überzeugte Parteigänger des faschistischen Staates. Von Gehlens „Theorie der Willensfreiheit“ war Günther, wie er in seinem autobiographischen Text „Selbstdarstellung im Spiegel Amerikas“ schrieb, damals tief beeindruckt.
In den Vereinigten Staaten befreundete sich der spätere Professor für Biologische Komputerlogik im Department of Electrical Engineering an der Staatsuniversität von Illinois mit Ernst Bloch und geriet eher zufällig in Kontakt mit Science-Fiction-Literatur, für die er sich schnell begeisterte. Mehrere prominente Autoren lernte er persönlich kennen. Darunter Isaac Asimov und John W. Campbell jr., der das damals bedeutendste Science-Fiction-Magazin „Astounding Science Fiction“ herausgab. Als philosophische Fachzeitschriften Günthers ambitionierte Arbeiten zur Entwicklung einer nacharistotelischen Logik ablehnten, bot sich ihm die Chance, seine Überlegungen in populären Darstellungen zunächst dort zu veröffentlichen und – dazu dienten seine Einleitungen und Kommentare zu vier Bänden von Rauchs Weltraum-Büchern – für die amerikanische Science-Fiction als ernst zu nehmende Literaturgattung in Deutschland die Werbetrommel zu rühren.
Der Mensch als eine Art biologische Maschine
Will der Mensch verstehen, wie sein Bewusstsein funktioniert, ist er der Auffassung von Günther zufolge gut beraten, es „als Handlung, d. h. in einem technischen Herstellungsverfahren in der Außenwelt zu wiederholen“. Er muss versuchen, sein „Ich“ oder Teile davon in einem gegenständlichen Modell zu konstruieren. Kybernetische Theorien lösen einen partiellen Ausschnitt aus dem Handlungsbereich des Bewusstseins heraus und übertragen den Ausschnitt „auf isoliert objektive Seinszusammenhänge“.
Allerdings ist es eine Sache, auf diese Weise Einblicke in das Funktionieren unserer Gehirn- und Nerventätigkeit zu gewinnen, und eine ganz andere, diese Erkenntnisse als hinreichende Erkenntnis über das menschliche Wesen zu betrachten. Gehlen hatte den Menschen als ein Wesen beschrieben, zu dessen wichtigsten Eigenschaften es gehöre, zu sich selbst Stellung nehmen zu müssen, wozu eine Deutungsformel, ein Bild von sich selbst notwendig seien – und das nicht ohne Konsequenzen: „Ob sich der Mensch als Geschöpf Gottes versteht oder als arrivierten Affen, wird einen deutlichen Unterschied in seinem Verhalten zu wirklichen Tatsachen ausmachen; man wird in beiden Fällen auch in sich sehr verschiedene Befehle hören.“
Nicht wenige Visionäre der Computertechnologie sehen den Menschen als eine Art biologische Maschine. Wolfgang Schmidhuber sagt, dass er in sich selbst nichts Bemerkenswertes finde, „das nicht auch in zukünftigen lernenden Robotern denkbar wäre“. Günther hätte ihm sicherlich vehement widersprochen. Wer den Vorschlag unterbreiten würde, auf dieser Grundlage so etwas wie eine „Seele“ zu konstruieren, so meinte er, der gehöre „unter ärztliche Beobachtung“. Seit einiger Zeit versprechen sich Entwickler selbstlernender Maschinen entscheidende Fortschritte davon, dass sie ihren Systemen wie Lebewesen einen Körper geben, mit dem diese mit ihrer Umwelt kommunizieren. Wie weit sie damit kommen, ist offen. Gehlens subtile Beschreibungen von Handlungskreisläufen, die den menschlichen „Geist“ als Synthese von Intelligenz, Phantasie, Sensibilität und Körperbeherrschung verstehbar machen, könnten sich dabei aber wohl als hilfreich erweisen.