Trump und Abu Dhabi

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Seitdem Donald Trump zum zweiten Mal ins Weiße Haus eingezogen ist, geben sich im Oval Office die Großen der Welt die Klinke in die Hand. Zu Gast waren Emanuel Macron und Narendra Modi, Giorgia Meloni und Keir Starmer, die Ministerpräsidenten Irlands und Japans, natürlich Wolodymyr Selenskyj, bereits zweimal Benjamin Netanjahu. Sie alle sind Staats- oder Regierungschefs. Auf Tahnoon Bin Zayed Al Nahyan trifft das nicht zu. Dennoch konferierte am 19. März auch er im Oval Office mit Donald Trump. Im Anschluss gab Vizepräsident J. D. Vance dem in weiten Teilen der Welt unbekannten Gast zu Ehren ein Bankett im Weißen Haus. Tahnoon ist Sicherheitsberater der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). In dieser Woche reist Trump selbst an den Golf und wird auch die Emirate besuchen.

Der mächtigste Mann der Welt beehrt damit ein Land, das nur halb so groß ist wie Florida. Der Staatsfonds der Emirate aber türmt sich auf 1800 Milliarden Dollar, und die Armee des Landes ist die schlagkräftigste im Nahen Osten nach der Israels. Zusammen mit dem großen Saudi-Arabien bilden die kleinen Emirate das Kraftzen­trum der arabischen Welt.

Scheich Tahnoon – als Mitglied der herrschenden Familie des Emirats Abu Dhabi trägt er diesen Ehrentitel – erklärte im Oval Office denn auch, die VAE würden in den kommenden zehn Jahren 1400 Milliarden Dollar in den USA investieren. Eine astronomische Summe, auch im Vergleich zu den 600 Milliarden, die Saudi-Arabien investieren will. Die Milliarden sollen in die Entwicklung Künstlicher Intelligenz fließen, in die Produktion von Halbleitern, den Ausbau fossiler und erneuerbarer Energien und in die verarbeitende Industrie, etwa den ersten Neubau einer Aluminiumschmelze auf amerikanischem Boden seit 35 Jahren.

F.A.Z.-Karte

Vermessen klingt das nur in den Ohren derer, die die Emirate nicht auf dem Schirm haben. Für die amerikanischen Tech-Riesen gilt das nicht. Denn das energiereiche Abu Dhabi, Hauptstadt der Emirate, wittert in der Vermietung von Terabyte neue Geschäftschancen und baut dazu gewaltige Datenzentren. Microsoft etwa macht gerade für ein Projekt in Abu Dhabi 1,5 Milliarden Dollar locker. Im Gegenzug investiert Hussain Sajwani aus Dubai, der seit Jahren eng mit Trump befreundet ist und mit ihm in Mar-a-Lago Silvester gefeiert hat, in den USA 20 Milliarden Dollar in neue Datenzentren.

Es sind aber nicht lukrative Geschäfte allein, die Scheich Tahnoon die Türen ins Weiße Haus geöffnet haben. Trump zählt die Emirate zu den Ländern, auf deren politische Dienste er sich verlassen kann. Als die Welt über Trumps Vorschlag lachte, den Gazastreifen in eine „Riviera“ am Mittelmeer zu verwandeln, war der Botschafter der VAE in Washington, Yousef al-Otaiba, einer der wenigen, die der Idee etwas abgewinnen konnten. Es sei der einzige vernünftige Vorschlag, der auf dem Tisch liege, sagte er.

Schlüsselrolle beim Wiederaufbau von Gaza

Als Trump die Wiederaufnahme von Gesprächen mit Iran über dessen Atomprogramm einfädelte, beauftragte er Anwar Gargash, den erfahrensten Außenpolitiker der VAE, Revolutionsführer Ali Khamenei einen Brief von ihm zu übergeben. Und als aus Furcht vor Rufschädigungen niemand mehr in der arabischen Welt mit einem israelischen Politiker sprechen wollte, empfing Abdullah Bin Zayed Al Nahyan, der Außenminister der VAE, am 4. April in Abu Dhabi seinen israelischen Amtskollegen Gideon Saar. Die Emirate hatten früher als andere arabische Staaten die Berührungsängste gegenüber Israel abgelegt.

Gegenwärtig macht sich die emiratische Regierung Hoffnungen, beim Wiederaufbau von Gaza eine Schlüsselrolle zu über­nehmen: mit der Finanzierung großer Projekte, beim Aufbau des Sicherheitsapparats, an dessen Spitze der seit 2011 in Abu Dhabi im Exil lebende ehemalige PLO-Sicherheitschef Muhammad Dahlan stehen soll, und mit der Ausbildung von Imamen. Dass sie damit beauftragt werden könnten, hat einen einfachen Grund: In kaum einem anderen Land der arabisch-islamischen Welt sind Staat und Moschee, Politik und Religion so strikt getrennt, ist der Islam so wenig in der Öffentlichkeit präsent wie in den VAE.

Das Religionsministerium wurde abgeschafft und durch das 2016 geschaffene Ministerium für Toleranz und Koexistenz ersetzt. Dem untersteht das Abrahamitische Familienhaus als Leuchtturm für religiöse Toleranz.

Gute Geschäftsbeziehungen zu den USA: Werbebanner für den Trump-International-Golf-Club in Dubai
Gute Geschäftsbeziehungen zu den USA: Werbebanner für den Trump-International-Golf-Club in Dubaidpa

Weithin sichtbar bilden zwischen dem Louvre Abu Dhabi und dem Nationalmuseum eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee ein Dreieck. Alle drei haben die gleiche kubische Form und sind gleich groß, auch das Material ist gleich. Das weltweit einzigartige Ensemble vermittelt die Botschaft, dass verschiedene Wege zu Gott führen, dass keiner besser ist, dass es zwischen den Religionen keine Hierarchie gibt.

KI sei das neue Erdöl, heißt es in Abu Dhabi

Da, wo die ehrgeizigen Emirate nicht Pionier sind, stehen sie oft zumindest an vorderster Front. Etwa bei erneuerbaren Energien. Das jüngste Projekt: eine Solarenergieanlage mit einer Leistung von sechs Gigawatt und einem Batteriespeicher für 19 Gigawattstunden, der die Energie nonstop verfügbar macht. Die Anlage kostet sechs Milliarden Dollar und ist bloß der Anfang. Die VAE lassen es sich insgesamt 54 Milliarden Dollar kosten, bis 2030 auf eine Gesamtleistung erneuerbarer Energien von 19,8 Gigawatt zu kommen, was einem knappen Drittel der aktuellen Leistung in Deutschland entspricht.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Ganz vorne dabei sind die VAE auch bei der Künstlichen Intelligenz. KI sei das neue Erdöl, sagt Muhammad Baharoon, der Direktor der Denkfabrik Bhuth in Dubai. Als weltweit erstes Land wollen die Emirate KI einsetzen, um Gesetze zu erstellen und zu überarbeiten. Das soll den Gesetzgebungsprozess beschleunigen. Mit einem Staatsfonds und einem staatlichen Unternehmen beteiligen sich die VAE an „Stargate“, einem Projekt, das Präsident Trump unmittelbar nach seinem Amtsantritt verkündete und das bis zu 500 Milliarden Dollar in eine In­frastruktur für KI investieren soll.

Dank der persönlichen Beziehungen von Präsident Muhammad Bin Zayed Al Nahyan zu Macron wollen die VAE in Frankreich bis zu 50 Milliarden Dollar in den dann größten KI-Hub des Kontinents investieren. Trotz ihrer engen Beziehungen zu den USA: Abgeschrieben haben die VAE Europa nicht. Am 11. April wurde bekannt, dass sie und die EU Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufnehmen.

Was treibt die VAE an, so groß in der Welt mitzuspielen? Sie wurden 1971 als Föderation kleiner und armer Emirate gegründet. Der Ölreichtum des Emirats Abu Dhabi spülte dann lange unauffällig Petrodollars in die Staatsfonds. Parallel dazu zog der Ideenreichtum des Emirats Dubai Kapital und Talent an. Mit dem Tod des Staatsgründers Zayed Bin Sultan Al Nahyan im Jahr 2004 war es auch im größten Emirat Abu Dhabi mit der stillen Bescheidenheit vorbei. Seine Söhne streben anders als er nach Macht und Einfluss. Sie stoßen in die Lücken vor, die mit den geopolitischen Verschiebungen entstehen. Schon 2011 adelte US-General James Mattis, Verteidigungsminister in Trumps erster Amtszeit, die Emirate zum „Little Sparta“ – klein, aber schlagkräftig. Mit den weltweit fünftgrößten Waffenimporten und einer bedeutenden eigenen Rüstungsindustrie ist die Armee der VAE seither noch schlagkräftiger geworden.

50 Milliarden Investitionen in Afrika allein im Jahr 2022

Die Armee ist die machtpolitische Klammer für die kommerziellen Ambitionen der Emirate. 2023 verkauften sie erstmals gegen Yuan und nicht gegen Dollar Flüssiggas nach China. 2024 sind sie der von China und Russland geführten informellen Vereinigung der BRICS-Staaten beigetreten – nicht um sich vom Westen abzuwenden, sondern um sich neue Möglichkeiten zu eröffnen. Das zahlt sich aus. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die VAE zwischen den Kriegsparteien den Austausch von mehr als 3700 Kriegsgefangenen vermittelt.

Treibende Kraft sind die Emirate bei der Schaffung neuer Wirtschaftskorridore: Der IMEC (India-Middle East-Europe Economic Corridor) soll eines Tages Indien mit Europa verbinden, die Development Road wird dann von den VAE über den Irak und die Türkei nach Europa verlaufen. Aber auch Afrika haben die Emirate in ihre Strategieplanung einbezogen. Decke man als Bereitsteller und Koordinator von Netzwerken eine Region nicht ab, verliere man seine Relevanz, erklärt Denkfabrik-Direktor Baharoon. In den vergangenen Jahren haben die Emirate mehr als jedes andere Land, China eingeschlossen, in Afrika investiert. Auf 50 Milliarden Dollar beliefen sich die Investitionen allein 2022.

Muhammad Bin Zayed Al Nahyan (rechts), Präsident der VAE, mit Syriens Präsident Ahmed al-Sharaa
Muhammad Bin Zayed Al Nahyan (rechts), Präsident der VAE, mit Syriens Präsident Ahmed al-SharaaReuters

Hohe Priorität genießen Häfen, der Bergbau und die Landwirtschaft. Die emiratische Investitionsoffensive ist den Ländern Afrikas willkommen. Denn China fährt sein Engagement herunter, die westlichen Hilfen gehen seit dem Krieg in der Ukraine zurück, und an multilateralen Finanzierungen hängen schwere bürokratische Lasten.

Mehr als 20 Staaten Afrikas erleichtern emiratische Projekte die Finanzierung ihrer Energiewende weg von fossilen Brennstoffen; den VAE verschaffen sie zudem Emissionszertifikate, die sie gegen ihre fortgesetzte Ölförderung verrechnen. Gleichzeitig wird das Hafennetz dichter. Dubai Ports World und Abu Dhabi Ports betreiben bereits in acht Ländern Afrikas 13 Häfen. Zu ihrer Verkehrsinfrastruktur gehören Eisenbahnstrecken und, über den ganzen Kontinent verteilt, Dutzende Trockenhäfen und Logistikhubs. In zehn Ländern Afrikas haben Staatsfonds der Emirate bedeutende landwirtschaftliche Nutzflächen aufgekauft, um zu Hause die Nahrungsmittelsicherheit zu verbessern.

Im Kampf gegen Islamismus wenig erfolgreich

Auf die Investitionen folgte erst in den letzten Jahren eine verstärkte militärische Zusammenarbeit. Bilaterale Verteidigungsabsprachen bestehen mit 28 Staaten. Die meisten beziehen von der jungen emiratischen Rüstungsindustrie moderne Produkte, gepanzerte Fahrzeuge oder Korvetten; mit vielen bestehen Ausbildungsabkommen; in sechs Staaten unterhalten die VAE Militärbasen mit eigenen Truppen. Die Streit Group, ein Hersteller gepanzerter Fahrzeuge, produziert in Uganda. Auf dem afrikanischen Kontinent sind die Emirate damit präsenter als die berüchtigten russischen Wagner-Söldner.

Soft Power: Im April fand in Abu Dhabi eine internationale Buchmesse statt.
Soft Power: Im April fand in Abu Dhabi eine internationale Buchmesse statt.AFP

Die militärische Präsenz dient dem Schutz der Investitionen und mit den Basen am Horn von Afrika der Freiheit der Schifffahrt. Darüber hinaus unterstützen die VAE Staaten im Kampf gegen Terrorgruppen wie die Shabaab, Boko Haram und M23. Und sie mischen kräftig in den Konflikten auf dem Kontinent mit. In Äthiopien unterstützen sie zum Schutz ihrer umfangreichen Landkäufe im Krieg um Tigray die Regierung.

Ihre Einmischung begründen sie meist mit dem Kampf gegen den Islamismus. Der aber ist nur selten erfolgreich. In Libyen haben die Emirate den Rebellengeneral Chalifa Haftar bei dessen vergeblichem Versuch unterstützt, die Hauptstadt Tripolis von einer islamistischen, von der Türkei gestützten Regierung zu erobern. In Somalia leisten sie mit ihren Basen in zwei abtrünnigen Regionen dem Zerfall des Staates Vorschub. In der Sahelzone arbeiten sie mit den Putschgenerälen zusammen, die die westlichen Truppen aus ihren Ländern hinausgeworfen haben.

Bitter ist die Bilanz in Sudan. Dort haben die VAE große Agrarflächen gekauft. Im Machtkampf zwischen der Armee, deren Spitze islamistische Neigungen unterstellt werden, und den Rebellen der Rapid Support Forces (RSF) unter General Hemedti unterstützen sie Letzteren, auch mit Waffen. Sie sind ihm dankbar dafür, dass seine Einheiten im Jemen, in dessen Süden die Emirate einen Vasallenstaat gründen wollen, an ihrer Seite gekämpft haben. Firmen, die ihren Sitz in den Emiraten haben und Gold schmuggeln, sollen die RSF finanzieren. Noch schwerer wiegt die beim Internationalen Strafgerichtshof eingereichte Klage, dass die VAE am Genozid und den Verbrechen gegen die Menschlichkeit der RSF in Darfur eine Mitschuld trügen, was die Regierung in Abu Dhabi von sich weist.

Die Emirate sind damit nicht nur das erste arabische Land mit einem Ministerium für Toleranz, sondern auch das erste, das wegen Komplizenschaft in einem Genozid vor Gericht steht. Trump besucht ein widersprüchliches, durch und durch kapitalistisches Land. Der Staatszweck, keine Geschäftschance auszulassen, heiligt hier die Mittel. Das dürfte ihm gefallen.