Tim Klüssendorf soll neuer SPD-Generalsekrtär werden

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Von frisch ins Parlament gewählten Abgeordneten wird meist erwartet, dass sie sich hinten anstellen. Allzu ehrgeizige Männer und Frauen gehen den Etablierten meist auf die Nerven. Auch Tim Klüssendorf, der dem Bundestag seit der Wahl 2021 angehört, mag manchem in der SPD schon auf die Nerven gegangen sein. Wie der heute 33 Jahre alte Mann aus Schleswig-Holstein mal einen Antrag zur Steuerpolitik auseinandergenommen hat – daran erinnert sich zumindest noch Lars Klingbeil. Ihm habe aber gleichzeitig imponiert, dass da jemand eigene Vorstellungen habe und auch bereit sei, sie durchzuboxen. Genauso war es bei dem Konzept für die Vermögensteuer, das Klüssendorf als Sprecher der Parlamentarischen Linken federführend entwickelte. Es sieht eine einmalige Abgabe auf hohe Vermögen vor, bei einem persönlichen Freibetrag von zwei Millionen Euro, und einem für Betriebe von fünf Millionen Euro.

Klüssendorf beruft sich bei seinem Konzept auf Konrad Adenauers Lastenausgleich, aber er ist ein dezidiert linker SPD-Mann. Wieso also macht ihn Klingbeil jetzt zum Generalsekretär? Hat der SPD-Vorsitzende nicht erst kurz zuvor gesagt, dass die SPD nicht noch polarisierter und linker werden dürfe?

Klingbeil bindet einen aufstrebenden Linken ein

Tatsächlich könnte es noch zu Spannungen kommen, wenn das Willy-Brandt-Haus unter Klüssendorf seine inhaltlichen Konsequenzen aus dem Bundestagswahlergebnis vorstellt, und Klingbeil gleichzeitig mit seinem Kabinett die Regierungspolitik mit CDU/CSU verkaufen muss. Der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler versucht das absehbare Dilemma mit der Formel zu lösen: „Die SPD ist mehr als eine Regierungsbeteiligung.“

Gleichzeitig bindet Klingbeil eine aufstrebende Figur des linken Flügels eng ein. So hat er es auch schon mit Kevin Kühnert gemacht. Überhaupt erinnert manches von Klüssendorf an Kühnert. Beide sind ähnlich alt, haben ihr halbes Leben aber schon mit Politik verbracht. Klüssendorf hat auch einen analytischen und strategischen Angang. Er denkt gerne in Szenarien. Als der Haushaltsstreit mit der FDP kurz vor der Eskalation stand, schoss er nicht nur rhetorisch scharf gegen Finanzminister Christian Lindner. Sondern dachte auch über Lösungswege nach.

Klüssendorf stammt aus einer Handwerkerfamilie in Schleswig-Holstein. Auf seinem Unterarm trägt er ein großes Tattoo, den Umriss der Lübecker Altstadtinsel, seiner Heimatstadt. Klüssendorf studierte Volks- und Betriebswirtschaft. 2021 holte er in Lübeck das Direktmandat von der CDU zurück zur SPD. Nach dem schlechten Europawahlergebnis war er es, der in der Fraktion die Aussprache gegen Olaf Scholz eröffnete. Die notwendige Angriffslust für einen Generalsekretär hat Klüssendorf also.