Niemand kann Edi Rama Paroli bieten

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Bei der Parlamentswahl in Albanien hat die von Ministerpräsident Edi Rama geführte Sozialistische Partei (PS) den erwartet klaren Wahlsieg errungen. Nach Auszählung der Stimmen von gut 94 Prozent aller Wahlbezirke kam die PS bei der Wahl am Sonntag auf rund 52 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die vom ehemaligen Präsidenten und Ministerpräsidenten Sali Berisha geführte konservative Demokratische Partei (PD) kam den Angaben vom Dienstagmorgen zufolge auf gut 34 Prozent. Vier kleinere Parteien erreichten einen Stimmenanteil von jeweils drei bis vier Prozent.

Danach kann Ramas Partei mit 82 der 140 Mandate im Kuvendi i Shqipërisë, dem Einkammerparlament in Tirana rechnen. Das sind acht Sitze mehr als bei den Wahlen von 2021. Die PD kommt auf 52 Sitze, was ein Verlust von sieben Mandaten gegenüber dem Wahlergebnis von vor vier Jahren ist. Auf die vier Parteien der politischen Mitte entfallen die übrigen sechs Sitze.

Der Widersacher ist 80 Jahre alt

Die Wahlbeteiligung lag bei 42 Prozent. Dabei sind die Stimmen der Albaner in der Diaspora, die erstmals bei einer Parlamentswahl in diplomatischen Vertretungen im Ausland wählen konnten, jedoch noch nicht mitgezählt. Die Wahlbeobachtungsmission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte bereits am Montagabend in Tirana erklärt, die Wahlen seien „klar und transparent“ verlaufen, durch ihre lange Regierungszeit von zwölf Jahren habe sich die PS jedoch „einen unfairen Machtvorteil geschaffen“.

Der Wahlausgang ist ein großer persönlicher Erfolg für den 60 Jahre alten Rama, der in dem Balkanstaat mit rund 2,4 Millionen Einwohnern seit 2013 als Ministerpräsident die Geschicke lenkt. Rama bezeichnete seinen abermaligen Wahlsieg als „jene Erfahrung meines Lebens, die mich am tiefsten mit Demut erfüllt“. Der Wählerauftrag zur Fortsetzung der Regierungsarbeit komme „zu einem historischen Zeitpunkt für Albanien – als einem zukünftigen EU-Mitglied“, sagte Rama. Das Versprechen, Albanien werde den angestrebten EU-Beitritt bis 2030 erreichen, war das wichtigste Thema in der Wahlkampagne Ramas und der PS gewesen.

Rama und die PS regieren schon seit 2017 ohne Koalitionspartner, ihren Vorsprung auf die Opposition konnten sie nun abermals ausbauen. Ramas Herausforderer Berisha ist mit 80 Jahren zu alt, als dass er dem überaus selbstbewussten Regierungschef ernsthaft Paroli bieten könnte. Der weitere klare Wahlsieg Ramas wurde auch durch den Umstand begünstigt, dass es in der PD seit Jahren einen Kampf um die Nachfolge Berishas gibt. Statt einen politischen Erben heranzuziehen hat Berisha jüngere Konkurrenten in seiner Partei ausgeschaltet. Die PD beklagte nach ihrer Wahlniederlage die umfassende Kontrolle der PS über die Institutionen und die Taktik der Regierungspartei, Wähler zu beeinflussen. „Wenn Zehntausende Menschen im Gegenzug für ihre Stimme einen Job erhalten und wenn überall vor den Wahllokalen PS-Anhänger postiert sind, dann wissen wir, wie wir solche Wahlen zu nennen haben“, sagte PD-Chef Berisha.

EU attestiert dem Land Fortschritte

Das Ansehen von Rama hat offenkundig auch nicht durch den jüngsten Korruptionsskandal um Erion Veliaj, den einflussreichen Bürgermeister der Hauptstadt, Schaden genommen. Veliaj galt als möglicher Nachfolger Ramas an der Spitze der PS und auch als potentieller künftiger Regierungschef. Der 45 Jahre alte Veliaj ist seit 2015 Bürgermeister von Tirana – ein Amt, das einst auch Edi Rama als Vehikel zum Aufstieg ins Ministerpräsidentenamt hatte nutzen können. Gegen Veliaj ermittelt die Sonderstaatsanwalt zur Korruptionsbekämpfung (SPAK) seit Mai 2014 wegen des Verdachts der Korruption im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge, im Februar 2025 erfolgte dann die Festnahme des Bürgermeisters. Veliaj bestreitet die Vorwürfe. Rama wirft der SPAK vor, die Festnahme Veliajs wenige Monate vor der Wahl sei aus politischen Motiven erfolgt.

Albanien war 2009 der NATO beigetreten und hatte im selben Jahr den EU-Beitritt beantragt. Die erste Regierungskonferenz für die Beitrittsverhandlungen zur EU fand im Juli 2022 statt. Als problematisch für eine EU-Mitgliedschaft galten bislang die Korruption und die organisierte Kriminalität in Albanien. Für Brüssel galt die Wahl als weiterer wichtiger Test auf dem Weg Albaniens zur EU-Mitgliedschaft. Mit den Worten, das Land habe „bedeutende Fortschritte gemacht und beharrlich ehrgeizige Reformen durchgesetzt“, hatte der EU-Botschafter in Tirana, der italienische Diplomat Silvio Gonzato, vor der Wahl vom Sonntag die Entwicklung der letzten Jahre unter Rama gewürdigt.

In der Migrationspolitik der EU spielt das Land bereits jetzt eine Rolle: Albanien schloss mit dem EU-Gründungsmitglied Italien ein Abkommen, um jährlich bis zu 40.000 illegale Migranten aus sicheren Herkunftsländern in Aufnahmezentren im Nordalbanien unterzubringen und deren Asylanträge dort durch italienische Beamte bearbeiten zu lassen, noch ehe die Migranten die EU erreicht haben. Die vor rund einem Jahr fertiggestellten Aufnahme- und Abschiebezentren stehen aber wegen eines langanhaltenden Rechtsstreits der Regierung in Rom mit italienischen und auch europäischen Gerichten faktisch leer.