Ein letztes Mal tritt Yesenia Lara Gutiérrez am Sonntag vor ihre Anhänger. Die Kandidatin der regierenden Morena-Partei für das Bürgermeisteramt von Texistepec im mexikanischen Bundesstaat Veracruz begrüßt die Leute, festgehalten in einem Livestream auf Facebook. Als sie mit ihren Anhängern durch die Stadt zieht, ertönen plötzlich Schüsse. Panik bricht aus. Die Geschosse, abgefeuert von unbekannten Angreifern auf Motorrädern, treffen Lara tödlich. Auch ihre Tochter sowie zwei weitere Personen werden beim Anschlag getötet. Drei weitere wurden verletzt, wie die Staatsanwaltschaft von Veracruz später mitteilte.
Es war bereits die zweite Ermordung eines Bürgermeisterkandidaten in Veracruz. Ende April stürmten Kriminelle das Wahlkampflokal von Germán Anuar, dem Kandidaten für das Bürgermeisteramt von Coxquihui, und erschossen den Politiker sowie weitere Anwesende. Sechs weitere Menschen wurden verletzt. Sowohl Lara wie auch Anuar gehörten der Morena-Partei von Präsidentin Claudia Sheinbaum an.
In ihrer morgendlichen Pressekonferenz bezog sich die Präsidentin am Montag auf den Mord. Das Motiv der Täter sei unbekannt, sagte Sheinbaum und versicherte den Behörden in Veracruz die Unterstützung der Regierung „in allem, was benötigt wird“. Am Sonntagabend hatte die Gouverneurin von Veracruz, Rocío Nahle betont, dass kein gewähltes Amt „das Leben eines Menschen wert“ sei. Sie werde alles tun, um die Verantwortlichen für diesen „feigen Mord“ zu finden und für freie und demokratische Wahlen zu sorgen.
Gewalt gegen Politiker ist in Mexiko gerade im Wahlkampf keine Seltenheit
Am 1. Juni werden die Wähler in den Bundesstaaten Veracruz und Durango neue Bürgermeister wählen. Darüber hinaus werden die Bürger landesweit an die Urnen gerufen, um erstmals eine Volkswahl für die Hunderte von Richtern durchzuführen. Dabei werden auch die Richter des Obersten Gerichtshofes gewählt. Die Volkswahl ist eine Folge einer noch unter Scheinbaums Vorgänger Andrés Manuel López Obrador vorangetriebenen und durchgesetzten Justizreform, die von der Opposition und auch von der Privatwirtschaft stark kritisiert wird.
Gewalt gegen Politiker ist in Mexiko gerade im Wahlkampf keine Seltenheit. Während der Kampagne für die landesweiten Wahlen von Juni 2024, die als bisher gewalttätigste in Mexiko gilt, wurden laut der Organisation Data Cívica 130 Angriffe auf Bewerber und Kandidaten registriert. 34 davon wurden ermordet, 40 überlebten, 32 erhielten spürbare Drohungen und 10 wurden entführt. In den ersten Monaten dieses Jahres kam es überdies zu einer hohen Zahl von Angriffen gegen Politiker, die nicht im Kontext einer Wahl stattfanden. Betroffen sind in der Regel Lokalpolitiker, die zur Zielscheibe von kriminellen Gruppierungen werden, die ihren Einfluss auf lokaler Ebene zu verteidigen oder auszubauen versuchen.
Unter dem Druck der Vereinigten Staaten hat Sheinbaum in den vergangenen Monaten seine Offensive gegen das organisierte Verbrechen verstärkt, große Mengen von Rauschgift konfisziert und eine Reihe von mutmaßlichen Anführern krimineller Organisationen an die Vereinigten Staaten ausgeliefert. Vergangene Woche sagte Sheinbaum, dass im April landesweit mehr als zweitausend Verhaftungen im Zusammenhang mit Gewalt und organisierter Kriminalität registriert wurden und wertete die „guten Zahlen“ als einen Erfolg ihrer Sicherheitsstrategie. Kurz zuvor hatte Sheinbaum ein Angebot von US-Präsident Donald Trump abgelehnt, Mexiko im Kampf gegen die Kartelle mit Truppen zu unterstützen, jedoch ihren Willen zur Kooperation mit Washington betont.