Wie die Smartphonenutzung der Eltern Kleinkinder beeinflusst

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Stand: 17.05.2025 04:55 Uhr

Sind Eltern viel am Handy, kann das auch deren Kindern schaden – und das mehr als den meisten bewusst ist. Eine neue Studie zeigt: Allein das Checken von Benachrichtigungen könnte einen Einfluss haben.

Von Anja Braun und Emily Burkhart, SWR

Es ist kein seltenes Bild auf Spielplätzen: Während die Kinder Löcher im Sand graben, scrollt mindestens die Hälfte der Eltern durchs Handy – und fühlt sich eher gestört, wenn die Kleinen ihre Aufmerksamkeit suchen.

Doch eine aktuelle Studie zeigt: Die digitale Ablenkung durch Smartphones oder Tablets kann bei Kindern – besonders im Alter bis fünf Jahre – mehr Schaden anrichten, als den meisten Eltern wohl bewusst ist. In der Forschung wird das als Technologie-Interferenz bezeichnet, kurz Technoferenz. Sie tritt auf, wenn die Interaktion und Kommunikation durch die Verwendung digitaler Geräte gestört wird. 

Folgen für die kognitive Entwicklung des Kindes

Forschende der University of Wollongong in Australien analysierten Daten aus 21 Forschungsarbeiten mit fast 15.000 Teilnehmern aus zehn Ländern.

Das Forschungsteam kommt zu dem Ergebnis: Kinder deren Eltern häufig am Gerät waren, zeigten geringere kognitive Fähigkeiten, eher emotionale Probleme sowie Verhaltensprobleme und verhielten sich weniger sozial. Außerdem hätten diese Kinder eine insgesamt schwächere Bindung an ihre Eltern und verbrächten selbst viel Zeit vor Bildschirmen. Die Unterschiede stufen das Forscherteam zwar eher als gering ein, doch waren sie in fast allen untersuchten Bereichen statistisch messbar.

“Anwesend aber nicht emotional verfügbar”

Das bestätigt Paula Bleckmann, Professorin für Medienpädagogik an der Alanus Hochschule Alfter. “Der Aufbau einer sicheren Bindung wird massiv gestört, wenn Kleinkinder wieder und wieder Situationen der sogenannten ‘absent presence’ erleben: Die Eltern sind körperlich anwesend, aber emotional für das Kind nicht verfügbar”, warnt sie.

Auch kann sie bestätigen: Kinder, deren Eltern häufiger digital abgelenkt sind, hätten ein signifikant erhöhtes Risiko, digitale Medien selbst schon in jüngerem Alter und zeitlich ausgedehnter zu nutzen – bis hin zu einer späteren möglichen Sucht. “Dann fressen Bildschirme die Zeit, die Kinder für den direkten Weltkontakt mit allen Sinnen brauchen, der für ein gesundes Hirnwachstum unerlässlich ist. Das hat wiederum negative Folgen für die kognitive Entwicklung”, so Bleckmann.

Zusammenhang nicht zwingend kausal

Nach den Daten gibt es da einen deutlichen Zusammenhang – aber dieser war korrelativ. Das heißt, das eine steht in Beziehung zum anderen, bedingt es aber nicht zwingend. Man kann also nicht sagen, wenn Eltern zu oft am Handy sind, dann schaden sie automatisch der Entwicklung ihrer Kinder. Aber die Überblicksstudie zeigt eindeutig die Beobachtung: Wenn Eltern viel am Handy hängen, haben die Kinder mehr Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, ihre Gefühle zu regulieren und gute Noten zu bekommen.

Verzögert, oberflächlich oder abweisend

Wenn Mama oder Papa öfter das Handy benutzen, so die Studie, bekomme das Gerät Aufmerksamkeit, die sonst eher für das Kind da gewesen wäre. Die Eltern reagierten auf die Signale ihrer Kleinen oft verzögerter, häufiger oberflächlich oder oft sogar abweisend – oder sie nähmen sie gar nicht wirklich wahr.

Das führe dazu, dass die kleinen Kinder weniger geistig angeregt werden durch ihre Eltern, die in der Regel ihr direktes Umfeld sind. Dadurch könne sich zum Beispiel die Sprachentwicklung der Kinder verzögern – das hat eine finnische Studie gezeigt. Schlicht weil die alltägliche verbale Interaktion zwischen Eltern und Kind eingeschränkt ist. Gerade in den ersten Lebensjahren ist das laut Experten eigentlich der einflussreichste Faktor der Sprachentwicklung.

Wenn Kinder sich häufiger nicht wahrgenommen fühlen und mit dem Gerät um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern konkurrieren müssen, dann kann das auch negative Auswirkungen auf ihre sozialen Fähigkeiten haben.

Das Problem wird von Eltern oft nicht gesehen

Mehr als 70 Prozent der Eltern haben demnach angegeben, dass sie beim Spielen mit ihren Kindern oder beim Essen digitale Geräte benutzen. Doch dass die ständige digitale Ablenkung offenbar den Kindern schadet, sei den meisten Eltern gar nicht bewusst.

Dabei spielte laut der Untersuchung die Art der Unterbrechung keine große Rolle: Ob Eltern generell in Anwesenheit ihrer Kinder am Handy waren oder ob eine laufende Eltern-Kind-Interaktion von einer Nachricht oder einem Anruf unterbrochen wurde. Die Auswirkungen auf die Kinder schienen ähnlich. Hier sei aber weitere Forschung nötig, so Wissenschaftler.

Kleinkinder leiden besonders

Besonders gravierend sind die Ausprägungen von übermäßiger Handynutzung der Eltern auf Kleinkinder. Denn da sind die Auswirkungen sehr grundlegend und prägend für die weitere Entwicklung. In der Metastudie wurden deshalb Eltern mit Kindern bis zum Alter von fünf Jahren untersucht. Die Forschenden schreiben, dass wechselseitige Interaktionen gerade zu Hause mit den Eltern für die kognitive Entwicklung von Kleinkindern unerlässlich sind.

Die übermäßige Handynutzung der Eltern spielt aber auch für ältere Kinder eine Rolle, so die Beobachtung einer kanadischer Studie. Dort wurde bei 9- bis 11-Jährigen untersucht, inwieweit die übermäßige Smartphone-Nutzung der Eltern die psychische Gesundheit der Kinder beeinflusst. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die häufige Ablenkung der Eltern durch das Handy bei ihren Kindern Angstsymptome, Unaufmerksamkeits- und Hyperaktivitätssymptome in der späteren Entwicklung begünstige.

Was Experten Eltern raten

Eltern sollten sich bewusst machen, welche Technikgewohnheiten sie haben und bildschirmfreie Zeiten und Zonen schaffen – vor allem im Umgang mit dem Nachwuchs. Eltern sind sich häufig wahrscheinlich gar nicht bewusst, wie oft oder wie lange sie Geräte in der Nähe ihrer Kinder benutzen. Sie arbeiten nebenher im Homeoffice, nehmen gerade mal einen Anruf entgegen, während das Kind aus der Schule erzählt oder tippen beim gemeinsamen Essen rasch die Kuchenzusage für den Basar in die WhatsApp-Gruppe der Kita-Eltern.

Technologie ist aber nicht grundsätzlich schlecht, betonen die Forscher. “Unser Ziel ist es nicht, Eltern ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie sich die alltägliche Gerätenutzung auf Momente der Verbundenheit auswirken kann und wie kleine, absichtliche Änderungen einen bedeutenden Unterschied machen können”, sagt Marcelo Toledo-Vargas Hauptautor der Studie. Er rät etwa darauf zu achten, dass gerade beim Essen, während der Spielzeiten oder beim Ins-Bett-Bringen keine Handys im Raum sind oder stumm geschaltet sind. Das sei schon mal ein erster Schritt, um präsent und aufmerksam bei den Kindern zu sein.

Medienpädagogikprofessorin Bleckmann rät den Medienkonsum realistisch zu betrachten, denn “an dem Perfektionsanspruch, zu den Wachzeiten ihres Kinder niemals digital abgelenkt zu sein, würden fast alle scheitern”. “Kinder brauchen keine perfekten Eltern, sondern Eltern, die eigene Bedürfnisse und kindliche Bedürfnisse klug ausbalancieren”, betont sie. “Denn stellen Sie sich vor, da ist irgendwann ein riesiger Kloß im Hals der jungen Mutter, die den ganzen Tag mit diesem Kleinkind verbringt, was anstrengend genug ist, und dann noch nicht mal ans Smartphone darf, um ihre Freundin anzurufen, wenn sie die Krise kriegt und ihr die Decke auf den Kopf fällt.”