Wie Boulderwelt den Boulder-Trend früh erkannt hat

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Betritt man die Boulderwelt im Münchner Werksviertel mit Ausblick über die Dächer der Stadt, spürt man sofort die besondere Atmosphäre: An den Wänden kämpfen Menschen aller Altersklassen vom absoluten Anfänger bis zum erfahrenen Profi Seite an Seite um den nächsten Griff. Währenddessen tauscht man sich im Café munter aus und feiert gemeinsame Erfolgsmomente. Bouldern soll hier nicht nur ein Sport sein, sondern ein Erlebnis, das verbindet. Bouldern bedeutet Klettern ohne Seil in sicherer Absprunghöhe von bis zu 4,5 Metern, wobei Weichbodenmatten für Schutz sorgen. Es ist eine eigenständige Kletterdisziplin und fordert Technik, Kraft und Taktik gleichermaßen heraus. Jeder Griff, jeder Zug und jede Lösung einer Route können ein besonderes Erfolgserlebnis bereithalten.

Dass Bouldern längst keine Nischensportart mehr ist, beweist seine olympische Premiere im August 2021 in Tokio. Markus Grünebach, einer der Geschäftsführer der Boulderwelt GmbH in Brunnthal bei München, bestätigt: „Die Zeichen einer Trendsportart hat Bouldern schon lange nicht mehr, das ist ein Breitensport geworden.“

Die Boulderwelt zählt zu den Pionieren und eröffnete 2010 die damals größte Boulderhalle der Welt in München. Die beiden Gründer, Grünebach und Dave Cato, selbst ambitionierte Kletterer, wollten ihre Leidenschaft für das Bouldern weitergeben und eine größere Community schaffen. Bouldern sollte für jedermann in hoher Qualität zugänglich sein. Mit heute acht Standorten in Deutschland – Regensburg, Frankfurt, München Ost, West und Süd, Dortmund, Karlsruhe, Hamburg – zieht man jährlich rund eine Million Besucher an und ist nach eigenen Angaben der größte inhabergeführte Boulderhallenbetreiber in Deutschland.

Jahreskarten für 650 Euro

Mehr als 700 Voll- und Teilzeitkräfte arbeiten im Unternehmen. Laut Grünebach erzielte Boulderwelt 2023 einen Gesamtumsatz von 15 Millionen Euro. 2024 sollen es gut 17 Millionen Euro Umsatz sein. Die Preise reichen von Tageskarten ohne Einstiegshürden ab etwa 13 Euro für Erwachsene bis zu Jahreskarten für regelmäßige Besucher für rund 650 Euro.

Die Zahl der Kletter- und Boulderhallen in Deutschland ist nach Angaben des Deutschen Alpenvereins (DAV) von 150 im Jahr 2000 auf 566 Anlagen im Oktober 2023 gestiegen. Besonders starken Zuwachs habe das Bouldern erfahren, die Zahl der Boulderer schätzte der DAV auf deutlich über 500.000. „Nahezu alle Aktiven klettern und bouldern in den Hallen.“

Bei der wachsenden Zahl an Boulderhallen in Deutschland stellt sich die Frage: Was hebt Boulderwelt von anderen ab? Ein zentraler Faktor liege in der kreativen und individuellen Gestaltung der Hallen und Kletterwände sowie in der Auswahl der Standorte, heißt es. Jede Zielgruppe solle optimale Bedingungen vorfinden. „Die Boulderwelt bildet deswegen in einem mehrjährigen internen Ausbildungsprogramm Routenbauer aus, was in der Branche einzigartig ist“, berichtet Thomas Peter, ebenfalls Geschäftsführer von Boulderwelt.

Ausgebildete Routenbauer

Die ausgebildeten Routenbauer sollen sicherstellen, dass die Routen für Anfänger genauso gut gebaut werden wie für ambitionierte Sportler und so jeder sicher Spaß und Erfolgserlebnisse haben kann. Die Geschäftsführer legen Wert auf ein breites Angebot für alle Zielgruppen. Grünebach betont: „Die Boulderwelt steht ganz klar dafür, dass sie für jeden eine Boulderhalle sein will.“ Die 25- bis 35-Jährigen sind die größte Kundengruppe. Aber auch unter Senioren wird der Sport beliebter. „Unser ältester regelmäßiger Besucher ist 80 Jahre alt, und die Zahl der über Sechzigjährigen nimmt deutlich zu“, berichtet Peter.

Anders als man vermuten würde, ist Bouldern kein besonders gefährlicher Sport. Der DAV untersuchte 2019 Unfälle beim Bouldern mit Rettungsdiensteinsatz. Auf 1000 Stunden Bouldern kamen 0,18 Unfälle. Im leistungsorientierten Fußball, dem Volkssport Nummer eins, waren es im gleichen Zeitraum 9,4 Unfälle, mehr als 50 Mal so viele. Wer die Risikofaktoren mangelnde Erfahrung, mangelnde Fitness, Selbstüberschätzung und Unachtsamkeit beachtet, kann den Sport unfallfrei betreiben.

Bouldern hat mehr zu bieten als sportliche Herausforderungen und ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Es kann auch therapeutisch bei psychischen Erkrankungen wirken. In den vergangenen Jahren hat sich Klettern, vor allem therapeutisches Bouldern, als wirksame Ergänzung zu klassischen Therapieformen etabliert und wird zunehmend in Kliniken eingesetzt. „Auch bei uns in den Hallen gibt es spezialisierte Therapeuten, die mit ihren Patienten dort arbeiten und Bouldern gezielt nutzen“, sagt Peter. Eine Studie von 2015 zum Projekt „Klettern und Stimmung“, das 2013 Psychologen und Soziologen der Universität Erlangen entwickelt haben, zeigt, dass therapeutisches Bouldern depressive Symptome lindert, das körperliche Wohlbefinden verbessert und die psychische Resilienz stärkt.

Corona-Pandemie war sehr schwere Zeit

Vor der Gründung der Boulderwelt 2009 fristete das Bouldern ein Schattendasein in dunklen, beengten Räumen. Das wollten die Gründer ändern. Peter erinnert sich: „Die grundsätzliche Idee war, das Bouldern aus den Kellerlöchern herauszuholen.“ Bis man mit der Boulderwelt eine inspirierende Umgebung geschaffen hatte, musste man auch einen steinigen Weg gehen.

Insbesondere die Corona-Pandemie war eine sehr schwere Zeit für das Unternehmen und die ganze Branche. Temporäre Schließungen der Hallen, aufwendige Einlasskontrollen und Hygienemaßnahmen führten zu Umsatzausfall und zusätzlichen Kosten. Ein Teil konnte über staatliche Hilfsmaßnahmen abgefangen werden. „Die Kunden blieben der Boulderwelt treu und zahlten teilweise ihre Mitgliedsbeiträge weiter“, berichtet Peter.

Auch dank eigener finanzieller Rücklagen bewältigte man die Corona-Krise, was anderen Anbietern nicht gelang. So steht Boulderwelt heute stärker da als vor Corona, und die Geschäftsführer Thomas Peter, Markus Grünebach und Sebastian Oppelt haben weiterhin viele Pläne: Die Boulderwelt soll deutscher Marktführer bleiben, und sie wollen weitere Standorte eröffnen.