Der amerikanische Präsident Donald Trump will an diesem Montag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefonieren. Trump schrieb am Samstag auf seiner Plattform Truth Social ausschließlich in Großbuchstaben, es werde darum gehen, „das ‚Blutbad‘ zu stoppen, das im Durchschnitt mehr als 5000 russische und ukrainische Soldaten die Woche tötet“, sowie um „Handel“.
Danach werde er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dann mit diesem zusammen mit „verschiedenen NATO-Mitgliedern“ sprechen, schrieb Trump weiter. Hoffentlich werde es „ein produktiver Tag“ und es werde eine Waffenruhe eintreten. Putins Sprecher, Dmitrij Peskow, bestätigte, dass ein solches Telefonat vorbereitet werde, äußerte sich aber nicht zu Aussagen Trumps im Sender Fox News, nach denen „Putin dieser ganzen Sache müde“ sei und „schlecht aussieht“.
Russland und die Ukraine waren bei ihren ersten direkten Verhandlungen seit 2022 am Freitag in Istanbul übereingekommen, demnächst jeweils 1000 Kriegsgefangene auszutauschen. Es wäre der größte solche Austausch seit Kriegsbeginn. Eine sofortige, bedingungslose Waffenruhe von 30 Tagen, wie sie die Ukraine und der Westen fordern, lehnt Moskau aber weiter ab.
Massive Drohnenangriffe am Wochenende
Wenige Stunden nach dem Ende der Verhandlungen kamen im nordukrainischen Gebiet Sumy nach Behördenangaben neun Menschen ums Leben, als eine russische Drohne einen Kleinbus getroffen habe. In der Nacht zum Sonntag verzeichnete die Ukraine den bisher größten russischen Drohnenangriff seit Kriegsbeginn. Russland habe 273 unbemannte Flugobjekte eingesetzt, teilten die Luftstreitkräfte mit.
Der Leiter der russischen Delegation in Istanbul, Putins Kulturberater Wladimir Medinskij, sagte, beide Seiten sollten jetzt erst einmal ihre „Sicht auf eine mögliche künftige Waffenruhe vorstellen“, danach werde man weiterverhandeln. Der Leiter der ukrainischen Delegation, Verteidigungsminister Rustem Umjerow, hatte nach dem Treffen im Dolmabahçe-Palast gesagt, „nächster Schritt“ müsse ein Treffen beider Präsidenten sein. Selenskyj hatte schon in Istanbul direkt mit Putin auf dessen Verhandlungsvorstoß hin sprechen wollen und war in die Türkei gereist, doch der Kreml hatte stattdessen rangniedere Funktionäre entsandt.
Medinskij sagte, man habe die ukrainische Forderung zu dem Treffen aufgenommen. Doch Putins Sprecher hob später hervor, ein solches sei nur möglich, wenn die Verhandlungsdelegationen „bestimmte Vereinbarungen“ erzielt hätten. Nicht kommentieren wollte Peskow zahlreiche Berichte über russische Forderungen, die Medinskij in Istanbul unterbreitet habe. Um die Chancen auf ein Ergebnis zu verbessern, müsse „absolut hinter verschlossenen Türen“ verhandelt werden, sagte Peskow.
Ukraine soll sich zu Neutralität verpflichten
Diese Berichte weisen darauf hin, dass die russischen Vertreter Putins alte Maximalforderungen erhoben haben. Unter anderem solle sich die Ukraine zu Neutralität verpflichten und alle Gegenden verlassen, die Russland beansprucht, aber nicht kontrolliert, berichtete das amerikanische Medium Bloomberg. Gemeint sind Teile der im Herbst 2022 annektierten Gebiete von Donzek, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Auch dürfte die Ukraine keine Reparationen von Russland fordern, keine Massenvernichtungswaffen und keine ausländischen Truppen auf ihrem Gebiet haben.
Die russische Delegation habe zudem damit gedroht, die nördlichen Gebiete Charkiw und Sumy zu erobern, schrieb der Kiewer Korrespondent der britischen Zeitschrift „The Economist“ auf der Plattform X unter Berufung auf eine „gut platzierte Quelle“. Demnach habe Medinskij gesagt: „Wir wollen keinen Krieg, aber wir sind bereit, für ein Jahr, zwei, drei zu kämpfen – so lange, wie es braucht. Wir haben Schweden 21 Jahre lang bekämpft“.
Gemeint ist der Große Nordische Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum Anfang des 18. Jahrhunderts. „Wie lange seid ihr bereit zu kämpfen?“, habe Medinskij die Ukrainer gefragt und hinzugefügt: „Vielleicht werden einige, die hier an diesem Tisch sitzen, mehr ihrer Lieben verlieren. Russland ist bereit, ewig zu kämpfen.“
Im russischen Staatsfernsehen zeigte Medinskij nach den Verhandlungen einen Ordner. Aus diesem habe man den Ukrainern „zitiert“ und „in Erinnerung gerufen“. Putins Emissär bekräftigte in dem Gespräch die russische Falschdarstellung, der Westen habe Kiew 2022 zum Abbruch der Verhandlungen gedrängt. Wer jetzt eine Waffenruhe fordere, kenne „die Geschichte überhaupt nicht“, sagte Medinskij, der in Moskau als Leiter der „Russischen Militärhistorischen Gesellschaft“ Putins Blick auf die Geschichte forciert.
Medinskyj zieht „historische Analogien“
Medinskij führte ein nicht verbürgtes Napoleon-Zitat an, demzufolge im Krieg stets gleichzeitig gekämpft und verhandelt wird, und zog „historische Analogien“ zwischen dem Ukrainekrieg und Kriegen früherer Jahrhunderte, an deren Verlängerung ebenfalls „England und Frankreich“ schuld gewesen seien, wie Medinskij unter Einhaltung der aktuellen Kreml-Linie sagte.
Diese prägte sogar Medinskijs Wortwahl. „Engländer und Franzosen“ hätten den Finnen nach dem sowjetischen Überfall von 1939 verboten, einen Frieden zu schließen: „Kämpft mit den Russen bis zum letzten Finnen.“ Putin und sein Medienapparat erzählen seit Langem wahrheitswidrig, der Westen schreibe Kiew vor, „bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen“.
Medinskij schloss mit einem vorgeblichen Bismarck-Zitat, demzufolge man Russen nicht bestehlen soll, da sie sich immer das holten, was ihnen zustehe. Sogar eine Geschichtswebsite, die von Medinskijs „Russischer Militärhistorischer Gesellschaft“ aufgelegt worden ist, weist diese Aussage als „Mythos“ aus, der „aus dem Internet bekannt“ sei.
Putin selbst sagte am Wochenende im Staatsfernsehen, „wir haben genug Kräfte und Mittel, um das, was im Jahr 2022 begonnen worden ist, zu einem logischen Ende mit einem für Russland nötigen Ergebnis zu führen“. Man müsse die „Ursachen beseitigen, die die Krise hervorgerufen haben“, die „Sicherheit des russischen Staates gewährleisten“ sowie die „Interessen unserer Leute in den Gebieten, über die wir immer reden, dort, wo Leute leben, die Russisch für ihre Muttersprache und Russland für ihre Heimat halten.“