Die Regionalbahn nach Groß-Umstadt fährt in zwei Minuten von Gleis 11 ab. Also schnell hin und rasch hinein! So einfach ist das bisher. Künftig aber sollten Fahrgäste zweimal hinschauen, bevor sie am Frankfurter Hauptbahnhof in einen Zug einsteigen. Ist es der, der gleich vorne am Bahnsteig steht? Oder muss man auf dem Bahnsteig am ersten Zug entlanglaufen, weil an das gewünschte Ziel erst der zweite Zug fährt, der auf dem gleichen Gleis weiter hinten wartet?
Denn die Deutsche Bahn, die seit Langem über Engpässe in diesem Kopfbahnhof klagt, hat jetzt einen einfachen Ausweg gefunden, um Flexibilität und Kapazität zu erhöhen: Auf den meisten Gleisen können künftig zwei Züge abgefertigt werden statt nur einer. In Notfällen kann das von sofort an genutzt werden. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember wird es dann im großen Stil eingeführt.
Es ist eine Änderung vor allem für den Regionalverkehr. Die meisten ICE-Züge sind so lang, dass sie den gesamten Bahnsteig benötigen. Für die neuen Möglichkeiten musste die Deutsche Bahn neue Signale in der Mitte der Bahnsteige installieren, die den Lokführern anzeigen, wie weit sie fahren dürfen, wenn noch ein zweiter Zug auf dem gleichen Gleis steht. Die Zugdeckungssignale, wie sie in der Eisenbahner-Fachsprache heißen, hängen entweder unter dem Dach, das die Fahrgäste vor Regen schützt, oder an den Auslegern neu aufgestellter Masten. Wer nicht nach ihnen sucht, dem fallen sie nicht auf.
Sackgasse verhindert Ausfahrt bei Doppelbelegung
Seit Januar wurden mit diesen Anzeigen die Gleise 10, 11 und 14 bis 17 ausgerüstet. Stolz berichtete der Vorstandsvorsitzende der DB-Tochtergesellschaft Infra Go, Philipp Nagl, vor einigen Tagen auf dem Internetportal „Drehscheibe Online“, dass diese Signale nun in die Technik des Hauptbahnhofs integriert und damit funktionsfähig seien. Für einige andere Gleise gibt es diese Signale schon länger, namentlich an den Gleisen 12 und 13. Dort werden die Anzeigen seit 2006 gelegentlich genutzt, um Züge zusammenzukoppeln oder zu trennen, wie von Infra Go verlautet.
Nur an den Gleisen 1a, 4, 5 und 24 findet sich die neue Technik weiterhin nicht. Diese Gleise sind entweder zu kurz, oder es ergäbe sich kein betrieblicher Nutzen, wie es bei der Deutschen Bahn heißt. Vorerst jedenfalls. Zu den vielen Modernisierungsvorhaben des Konzerns rund um den Hauptbahnhof zählt auch die Verlängerung des Bahnsteigs zwischen den Gleisen 4 und 5. Dann ließen sich auch dort grundsätzlich jeweils zwei Züge unterbringen.
Eine Tücke der Neuerung: Weil der Frankfurter Hauptbahnhof ein Kopfbahnhof ist, die Gleise also vor dem Querbahnsteig enden, kann der Zug, der als erster einfährt, die Station erst dann wieder verlassen, wenn der zwischenzeitlich dahinter eingefahrene zweite Zug wieder abgefahren ist. So lange steckt er in der Sackgasse fest. Das muss im Fahrplan berücksichtigt werden und sollte hoffentlich im Alltag keine Rolle spielen.
Bahn will pünktlicher, verlässlicher und profitabler werden
Doch für die Deutsche Bahn überwiegen die Vorteile. „Mit täglich über 1400 Zügen ist der Frankfurter Hauptbahnhof schon heute einer der wichtigsten Verkehrsknoten im deutschen Eisenbahnnetz – und es wird dringend weiterer Platz gebraucht“, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns. Die neuen Signale, die die Teilung des Bahnsteigs erlaubten, führten zu einem schnellen und spürbaren Effekt, nicht nur durch die bessere Ausnutzung der Bahnsteige, sondern auch die erwähnten Möglichkeiten, Züge zu verbinden oder zu trennen.
Das oberste Ziel des Konzerns sei es schließlich, dass die Züge künftig pünktlicher, verlässlicher und profitabler seien. Gerd-Dietrich Bolte, für die Infrastruktur des Konzerns in Deutschlands Mitte verantwortlich, verspricht konkret für den Fahrplanwechsel im Dezember zusätzliche Züge von und nach Frankfurt.
Die Fahrgäste sollen dann auf den verschiedenen Anzeigen im Bahnhof ablesen können, wo genau ihr Zug abfährt. Technisch lässt sich das schon an den derzeit installierten Displays darstellen, der Frankfurter Hauptbahnhof soll jedoch von 2026 an völlig neue Anzeigen bekommen, wie es bei Infra Go heißt. Im Zuge der Installation wurde auch die Geschwindigkeit auf der Strecke heraufgesetzt, die vom Hauptbahnhof Richtung Höchst und Niederrad führt, dort können die Züge nun 80 statt 60 Kilometer in der Stunde fahren.
Bei der Deutschen Bahn richtet man den Blick aber schon auf das nächste Bauvorhaben im Hauptbahnhof: die Schaffung eines 25. Gleises an der Nordseite der Halle. Es soll bis 2027 oder 2028 fertiggestellt sein. Stets wird jedoch bei der Deutschen Bahn hervorgehoben: Soll der Eisenbahnverkehr in und um Frankfurt in erheblichem Maße zunehmen, reichen all diese Verbesserungen nicht aus. Es helfe nur ein Tunnel mit unterirdischer Station.