Auch die EU hat gesiegt

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Es ist kein Naturgesetz, dass populistische oder nationalistische Kandidaten in der EU unaufhaltsam vorrücken. Das ist eine Lehre aus Rumäniens Präsidentschaftswahl. Der bisherige Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan ist alles andere als ein Volkstribun. Er kann und will seine Herkunft als tüftelnder Mathematiker nicht verleugnen. Dass er bald Präsident sein wird, bedeutet zugleich eine Stärkung des liberalen, proeuropäischen Lagers in Rumänien insgesamt.

Dans Erfolg stärkt zudem einen aus Deutschland stammenden Politiker in Rumänien: Dominic Fritz, geboren in Lörrach und aufgewachsen im Schwarzwald, ist nicht nur seit 2020 Bürgermeister von Timișoara (Temeswar), sondern seit Kurzem auch kommissarisch Vorsitzender der einst von Dan gegründeten Reformpartei „Union Rettet Rumänien“, der USR. Fritz war eine treibende Kraft bei der Ausbootung der früheren USR-Vorsitzenden Elena Lasconi, die selbst Präsidentin werden wollte, aber zuletzt als chancenlos galt.

Machtkampf in Rumäniens größter Reformpartei

Mit seinen Verbündeten in der Partei legte Fritz die USR auf eine Unterstützung Dans fest und verdrängte Lasconi als Parteichefin. Nicht nur in Bukarest und Temeswar wird gemunkelt, der frühere Leiter des Büros von Altbundespräsident Horst Köhler wolle sich bald zum regulären Vorsitzenden von Rumäniens größter Reformpartei wählen lassen. Dass seine USR in Bukarest künftig mitregieren will, hat Fritz schon unmissverständlich deutlich gemacht.

Zu den größten Verlierern der Wahl gehört dagegen Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Der hatte im Wahlkampf für den großrumänischen Nationalisten George Simion Partei ergriffen.

Orbán sah in Simion einen Verbündeten für seine prorussische Vetopolitik in der EU. Doch sein Plan scheiterte nicht zuletzt an der ungarischen Minderheit in Rumänien, die fast geschlossen für Dan stimmte. Aus guten Gründen.

Die Mehrheit der Siebenbürger gegen den Nationalisten

Unter einem Präsidenten Simion, der schon früher mit den Ungarn Siebenbürgens in Konflikt geraten war, hätte es ungemütlich werden können für Rumäniens größte Minderheit. Eine Wahl Simions, warnte der wichtigste Politiker der fast eine Million Ungarn in Rumänien, wäre eine Katastrophe für seine Volksgruppe. Simion sei kein Freund der Ungarn und werde es nie sein. Das sahen fast alle Ungarn Rumäniens genauso.

Bei der Präsidentschaftswahl in Polen dagegen ist eine Entscheidung vertagt. Die Ausgangslage erinnert dabei an jene in Rumänien. Auch dort wird in der Stichwahl in zwei Wochen der Hauptstadtbürgermeister gegen einen rechtspopulistischen Kandidaten antreten.

Warschaus Bürgermeister Rafał Trzaskowski von der liberal-konservativen Bürgerkoalition erhielt in der ersten Runde am Sonntag etwa 31 Prozent der Stimmen. Karol Nawrocki von der Partei Recht und Gerechtigkeit liegt aber nur etwa zwei Prozentpunkte dahinter. Nun wird viel davon abhängen, wer mehr Stimmen der ausgeschiedenen Kandidaten für sich mobilisieren kann.

Sollte Trzaskowski gewinnen, wäre das ähnlich wie in Rumänien ein starker Schub für das liberale Lager. Polens Ministerpräsident Donald Tusk könnte dann ohne präsidiale Querschüsse regieren. Es ist nicht ausgemacht, dass es so kommt.

Doch das Beispiel Rumäniens zeigt: Der Weg in ein immer nationalistischeres oder rechtspopulistischeres Europa ist keine Einbahnstraße. Auch jene politischen Kräfte, die bei aller Kritik an Details die Europäische Union weiterhin für die beste aller möglichen Lösungen für die Menschen in Europa halten, können noch Wahlen gewinnen.