1000 Arzneimittel von Lieferengpässen betroffen

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Die Menschen in Deutschland werden wohl noch länger damit leben müssen, dass nicht jedes Medikament sofort verfügbar ist. Die Versorgungslage hat sich nach Darstellung des Medikamentengroßhändlers Phoenix Pharma im Vergleich zum Vorjahr zwar etwas entspannt, aber noch immer seien etwa 1000 Arzneimittel von Lieferengpässen betroffen, darunter viele Antibiotika, Fiebersaft, Mittel gegen Asthma, Bluthochdruck, Diabetes und die neuen Abnehmpräparate. Ein Ende der unbefriedigenden Situation sei nicht in Sicht, sagte Phoenix-Vorstandschef Sven Seidel. „Ich gehe davon aus, dass wir das Thema Lieferengpässe in Europa weiter haben werden, wir müssen so gut wie möglich damit umgehen.“

Phoenix Pharma mit Sitz in Mannheim ist der größte Medikamentenhändler in Europa. Der stille Riese beschäftigt 49.000 Mitarbeiter in 29 europäischen Ländern und betreibt außerhalb Deutschlands 3300 eigene Apotheken. Der Konzern ist ein Kind des Industriellen Adolf Merckle. Er kaufte eine Reihe regionaler Pharmagroßhändler und schloss sie 1993 zu Phoenix Pharma zusammen. Das Unternehmen gehört heute vollständig der Familie von Merckles Sohn Ludwig. Das Geschäftsmodell von Phoenix sei zwar krisenfest, aber angesichts des herausfordernden Umfeldes alles andere als immun, sagte Seidel in der Bilanzpräsentation.

Hoher manueller Aufwand für Großhändler

Um die Engpässe zu mildern, müsse Phoenix einen hohen manuellen Aufwand betreiben, sich bevorraten, nach alternativen Wirkstoffen suchen, Medikamente auch mal von Regionen, in denen sie ausreichend vorhanden seien, in andere Regionen verfrachten. Dabei seien die Kosten – Energie, Transport und Personal – gestiegen. Seit Langem schon fordert der Konzern deshalb einen höheren Anteil an den Gewinnen in dem stark regulierten Markt.

Die gesetzliche Grundlage – das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – wurde 2012 in Kraft gesetzt, basiere aber noch auf Daten aus 2009. Demnach erhalten die Großhändler einen Festzuschlag von 73 Cent je Packung, zusätzlich dürfen sie einen prozentualen Aufschlag von maximal 3,15 Prozent auf den Abgabepreis der Hersteller erheben. Von einem Medikamentenpreis von 1200 Euro an ist die Vergütung auf 38,53 Euro je Packung gedeckelt, und das ist nach Seidels Darstellung ein Problem. Denn der Anteil der hochpreisigen Arzneien steige stetig. Phoenix müsse dieses Medikament zudem kaufen, also in erhebliche Vorleistungen treten. Nach Angaben des Großhandelsverbandes Phagro machen die „Hochpreiser“ zwar weniger als ein halbes Prozent der ausgelieferten verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus, haben aber mittlerweile einen Umsatzanteil von 40 Prozent.

Mit eigener App zum „Multichannel-Modell“

Das E-Rezept und den damit verbundenen Aufstieg von ausländischen Versandhändlern – Marktführer sind die beiden Niederländer Doc Morris und Shop Apotheke – beobachtet Seidel nach eigener Darstellung genau. Derzeit sei aber noch nicht zu spüren, dass „Umfänge stark aus dem Apothekenkanal abgezogen werden“. Phoenix hat vor drei Jahren eine eigene App – Gesund.de – veröffentlicht, an die heute jede dritte stationäre Apotheke in Deutschland angeschlossen sei. Die Kunden könnten die Medikamente über die App per E-Rezept bestellen, bekämen bei der Abholung vor Ort dennoch eine Beratung – ein „Multichannel-Modell“, an das Phoenix nach eigenem Bekunden fest glaubt.

Auf den Kostendruck hat der Konzern nach Darstellung des Managements mit Effizienzmaßnahmen reagiert, Prozesse optimiert und Abläufe vereinheitlicht. Das zahlte sich offenbar aus: Die Gesamtleistung, also Umsätze plus Serviceerlöse, sind im Geschäftsjahr 2024/25 um 7,2 Prozent auf 61,3 Milliarden Euro gestiegen. Unterm Strich blieben gut 100 Millionen Euro mehr hängen als im Vorjahr, nämlich 335 Millionen Euro.

Im laufenden Jahr soll der Konzern nach den Worten von Finanzchef Carsten Sauerland schneller wachsen als der Markt und dabei die Profitabilität steigern. Zudem kündigte Sauerland den Abbau der Finanzverschuldung an, um dem Ziel eines Investmentgraderatings näher zu kommen. Die Schulden waren 2022 stark gestiegen, damals hatte Phoenix das Europa-Geschäft des amerikanischen Konkurrenten McKesson gekauft.