Die Zahlen deuten es an: Für die in Deutschland ansässigen Hersteller in der Luft- und Raumfahrt war 2024 insgesamt eigentlich kein schlechtes Jahr. Der Umsatz der Unternehmen stieg um 13 Prozent auf 52 Milliarden Euro, die Zahl der Beschäftigten legte um 5000 auf den Rekordwert von 120.000 zu, während andere Branchen über nachlassende Geschäfte klagen.
Doch zufrieden ist der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) nicht. BDLI-Präsident Michael Schöllhorn nennt die deutsche Luft- und Raumfahrt zwar eine „Zukunftsindustrie“, die „entscheidend zur Souveränität Deutschlands und Wettbewerbsfähigkeit in der Welt“ beitrage. Doch er vermisst Aufträge – vor allem im Rüstungssegment.
Denn das Umsatzplus der Branche basierte 2024 fast ausschließlich auf Aufträgen in der zivilen Luftfahrt. Der Bau von Airbus-Flugzeugen in Hamburg, für die zahlreiche deutsche Unternehmen zuliefern, dürfte wesentlich dazu beigetragen haben. Das Rüstungssegment stagnierte hingegen mit einem Branchenumsatz von 10 Milliarden Euro – trotz von der Vorgänger-Bundesregierung ausgerufener „Zeitenwende“ mit 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen.
„Unternehmen sind in Vorleistung gegangen“
Aus Sicht des BDLI könnte es anders sein. „Unsere Unternehmen sind durch Investitionen in Vorleistung gegangen, jetzt muss die Politik ihren Beitrag liefern“, fordert Schöllhorn, der im Hauptberuf das Verteidigungs- und Raumfahrtgeschäft von Airbus verantwortet. Zu den Vorleistungen zählten insbesondere Einstellungen zusätzlicher Beschäftigter, um mehr produzieren zu können.

„Die Branche ist bereit, die notwendigen Auftragseingänge im Inland schnell und verlässlich umzusetzen“, heißt es vom BDLI auf Nachfrage der F.A.Z. Eine konsequente „Buy-European“-Strategie nütze Unternehmen und dem gesamten Land, sie stärke die technologische Souveränität und sichere industrielle Wertschöpfung am Standort Deutschland. Daher müsse bei künftigen Beschaffungen müsse systematisch geprüft werden, ob europäische Lösungen verfügbar seien. Aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen der Ampelkoalition war auch viel ins Ausland geflossen.
„Wir fordern die Bundesregierung auf, eine neue deutsch-europäische Industriepolitik auszurufen, mit der Sicherheit und Wohlstand für unser Gemeinwesen ermöglicht werden“, sagt Schöllhorn. Die neue Bundesregierung hat den Weg für ein weiteres Sondervermögen frei gemacht. Das würdigen Luft- und Raumfahrtindustrie als wichtige Weichenstellung. Dass damit die Hoffnung auf Auftragsplus nur nur einmalig, sondern mehrere Jahre besteht, nicht unwichtig in einem Industriesegment, in dem Planungszyklen lang und komplex sind.
Aussicht auf Hochlauf in der Raumfahrt
Investitionsbedarf besteht laut BDLI vor allem „Bereich Durchhaltefähigkeit“. Dazu zählt die Beschaffung von Ersatzteilen und Munition sowie das Ausbau der Kapazitäten für die Wartung und Betreuung von Waffensystemen. Und dafür wünscht man sich nicht nur mehr Bauaufträge, sondern auch darüber hinaus eine engere Kooperation. Denn für die Betreuung von Systemen müssten mitunter Wissen und Verfahren zusammen mit der Bundeswehr erst wieder erlernt werden. Das setze voraus, dass hiesige Unternehmen Systeme auch selbstständig betreuen dürfen – auch solche, die nicht aus Deutschland oder Europa stammen.
Mit einem „signifikanten industriellen Hochlauf“ rechnet die Branche auch in der Raumfahrt. Von der neuen Bundesregierung, in der das Forschungsministerium unter der Leitung von Dorothee Bär fortan auch für Raumfahrt zuständig ist und die Branche im Namen trägt, erhofft sich die Industrie eine Aufstockung des nationalen Raumfahrtprogramms auf eine halbe Milliarde Euro.
Als wichtig wird auch erachtet, dass der Bund für eine aktivere deutsche Rolle in der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) sorgt, das ESA-Budget auf sechs Milliarden Euro aufstockt und auch für einen proportional steigenden Mittelrückfluss nach Deutschland sorgt. Zuletzt stagnierten die deutschen Raumfahrtumsätze auf drei Milliarden Euro. Dazu geht die Sorge um, dass sich Budgetkürzungen der amerikanischen NASA negativ auch auf hiesige Unternehmen auswirken.