Wenn Wälder und Moore schwächeln

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Stand: 23.05.2025 08:31 Uhr

Eigentlich sollen Wälder und Moore so bewirtschaftet werden, dass sie klimaschädliches CO2 binden – aktuell aber schaffen sie das aber kaum noch. Forschende kennen Lösungen und raten diese zeitnah anzugehen.

Von Janina Schreiber, SWR

Dürre, Trockenheit, Borkenkäfer: Der Wald ist zu einem Sorgenkind der Klimabilanz geworden – mit Folgen für den gesamten Bereich Landnutzung (LULUCF). Denn unterm Strich stoßen Wälder und Moore inzwischen mehr Treibhausgase aus, als sie aufnehmen. Statt CO2 zu speichern, werden sie tendenziell zur Quelle. Das bestätigte aktuell der Expertenrat für Klimafragen in seinem Bericht.

Deshalb warnt der Vorsitzende Hans-Martin Henning: Deutschland könnte seine im Klimaschutzgesetz (KSG) selbst gesteckten Ziele für den LULUCF-Sektor langfristig verfehlen: “Das ist eklatant.”

Könnte sich dieser Trend wieder umkehren?

Andreas Bolte ist Experte für Waldökosysteme am Thünen-Institut. Er versteht sich als Statistisches Bundesamt für den Wald. Denn sein Institut trägt die Daten über den Zustand der Wälder aus den einzelnen Bundesländern zusammen und erstellt alle zehn Jahre die Bundeswaldinventur. Ob sich der Trend des LULUCF-Sektors als CO2-Quelle wieder umkehren lässt? Er sagt: “Ich will es nicht komplett ausschließen, wenn wir sehr, sehr gute Jahre hätten und gar keine Waldschäden. Aber das kann ich mir nicht vorstellen.”

Er ist deshalb für eine ehrliche Diskussion über das, was wir von unseren wichtigsten potenziellen CO2-Senken, unseren Wäldern und Mooren, erwarten können. Mit den im Klimaschutzgesetz festgelegten Treibhausgas-Einsparungen sieht es auch nach seiner Einschätzung düster aus: “Ich denke schon, dass man sich darauf einstellen muss, dass wir die Ziele verfehlen.”

Er geht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Wälder erst nach 2050 wieder zur Senke werden. Und auch das sei “eine wahnsinnige Herausforderung”. Er fordert deshalb: “Darüber müssen Entscheidungsträger diskutieren. Wie gehen sie damit um?”

Sektor Landnutzung

Das Wort LULUCF setzt sich aus den Abkürzungen zusammen von Land Use, Land Use Chance and Forestry. In diesem Sektor wird ausgerechnet, wie Mensch und Natur gemeinsam das Klima beeinflussen. Wenn Menschen Wälder roden (müssen), Moore trockenlegen oder Böden verändern, wird Kohlenstoff freigesetzt, meist in Form von CO2. Wenn Wälder dagegen wachsen oder Moore nass bleiben, dann speichern sie CO2. Auch der in Holzprodukten gespeicherte Kohlenstoff, Waldbrände oder Torfabbau spielen dabei eine Rolle. Der Sektor kann also zur Klimaerhitzung beitragen oder ihr entgegenwirken.

Wiedervernässung der Moore und Aufforstung der Wälder

Das Credo von Andreas Bolte ist ähnlich dem von Julia Pongratz. Sie hat den Lehrstuhl für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU München inne. Sie sagt, was neben den Wäldern schon immer ein Problem im Landnutzungssektor war, sind unsere Moore:

“Moore emittieren sehr viel an CO2, dadurch, dass sie trockengelegt wurden. Kein anderes Land weltweit war, anteilig an seinen Moorflächen, so erfolgreich im Trockenlegen seiner Moore wie Deutschland.”

Um dem Trend der Klimagas-Quelle in der Landnutzung entgegenzuwirken, müsse also beides passieren: Wiedervernässung der Moore und Aufforstung der Wälder. Die Frage sei nicht so sehr, wie das funktioniert, sondern mit wem: “Erfolgsentscheidend ist, auch die Teile der Gesellschaft, die diese Maßnahmen umsetzen müssen, die Landwirte und Landwirtinnen, die Forstwirte und Forstwirtinnen, von Anfang an miteinzubeziehen.”

Nutzungskonflikte müssten also frühzeitig identifiziert, idealerweise aus dem Weg geräumt oder zumindest minimiert werden.

Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz

Pongratz ist davon überzeugt, dass sich Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz nicht im Weg stehen müssen: Zum Wiedervernässen von Mooren müssten diese gar nicht aus der Nutzung rausgenommen werden. Paludikultur sei eine Idee: Dort werden dann zum Beispiel Schilf- oder Seggengräser angebaut. Auch die können wieder als Biomasse genutzt werden, als Vorläufer für Produkte, die teilweise sogar Holz ersetzen können.

Häufig seien für die Bewirtschaftung allerdings andere, neue Maschinen nötig. Außerdem brauche es ein Vermarktungsmodell für die Produkte, die Landwirte müssten wissen, woher das Saatgut kommt, so Pongratz. “Ich sage nicht, dass das einfach ist. Aber es gibt eben sehr vielversprechende Ansätze.”

Ein weiterer: Auch PV-Anlagen lassen sich auf wiedervernässte Moore stellen. Das sei genehmigungstechnisch nicht trivial. Es zeige aber: Lösungen gibt es vielfältige, wo Klimaschutz und Wertschöpfung zusammen funktionieren.

Andreas Bolte plädiert dafür, die Aufforstung zu erleichtern. Aktuell sei das rechtlich problematisch und ökonomisch für Waldbesitzer unattraktiv. Außerdem würde es der Bilanz helfen, wenn der Anteil der Holznutzung in langlebigen Holzprodukten wie dem Holzbau erhöht wird.

Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz

Die Politik kann nach Meinung beider Fachleute diesen Prozess der Moor-Wiedervernässung, genauso wie den der Aufforstung unterstützen: Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK), welches unter der ehemaligen Bundesumweltministerin Steffi Lemke eingeführt wurde, sei ein Schlüssel, um Menschen, die Wald und Moore bewirtschaften, zu erreichen.

Auch die derzeit auf EU-Ebene laufenden Verhandlungen über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2027, bei dem es um Subventionen für die Landwirtschaft geht, sei ein wichtiger Punkt, so Pongratz.

Jetzt starten

In jedem Fall sei klar: Damit Wälder und Moore langfristig wieder zur Senke werden, müssten die Maßnahmen dafür schon heute umgesetzt werden. Andreas Bolte vom Thünen-Institut erklärt: “Von daher ist es jetzt wichtig, dass jetzt beteiligte Ministerien, das Umweltministerium, aber auch Landwirtschaftsministerium, tatsächlich auch eng zusammenarbeiten.” Das sei nicht nur Arbeit, sondern auch eine Menge neuer Möglichkeiten.

Auf SWR-Anfrage teilte das Bundesumweltministerium mit, dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) eine bedeutende Rolle zu geben – wie im Koalitionsvertrag angekündigt. Außerdem würden weitere Maßnahmen absehbar erforderlich sein.

In welcher Höhe diese Maßnahmen gefördert werden, dazu machte das Ministerium noch keine Angaben. Bis März 2026 muss die Regierung laut Klimaschutzgesetz ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen.

Schwächelnde Wälder

Beim Gesamtblick auf die deutsche Klimabilanz ist für Julia Pongratz der schwächelnde Wald auch als Auftrag für andere Sektoren zu verstehen. Die Bereiche Gebäude und Verkehr hatten zuletzt ihre Klimaziele verfehlt: “Hier baute man darauf, dass eine große CO2-Senke im LULUCF-Sektor den mangelnden Fortschritt der anderen Sektoren kompensieren würde. Dies wird nicht der Fall sein.” Deshalb sei uns umso relevanter, ambitionierte Klimaziele in jedem Sektor für sich zu setzen und zu erreichen.