Deutsche Wirtschaft wächst auf breiterer Front

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Die deutsche Konjunktur hat sich am Jahresbeginn unerwartet stark beschleunigt. Das Bruttoinlandsprodukt legte im Zeitraum von Januar bis März um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Stärker wuchs die Wirtschaft zuletzt vor zweieinhalb Jahren, im dritten Quartal 2022. Das Bundesamt begründete die für deutsche Verhältnisse recht hohe Wachstumsrate mit einer überraschend guten Entwicklung im März. Ende April hatten die Statistiker das Wachstum im ersten Quartal noch auf 0,2 Prozent geschätzt.

Ökonomen hoben positiv hervor, dass die wirtschaftliche Erholung im ersten Quartal breit angelegt war. Der Export, die Investitionen und auch der private Konsum legten spürbar zu. Darin gründen Hoffnungen, dass in der Wirtschaft etwas in Gang gekommen sei. Doch meldeten Beobachter auch Zweifel an, dass der konjunkturelle Schwung überzeichnet sei. Sie verwiesen darauf, dass die hektische Zollpolitik des amerikanischen Präsidenten Donald Trump als Sondereffekt Export und Produktion begünstigt hätten. Ein gewisser Rückfall des Wachstums im zweiten Quartal sei wahrscheinlich, vermuten viele Ökonomen.

„Die Wirtschaft stabilisiert sich auf niedrigem Niveau“

„Trump macht die deutsche Wirtschaft wieder groß, vorerst“, kommentierte Carsten Brzeski von der ING-Bank. Das überraschend starke Wachstum im ersten Quartal aber sei wegen der Sondereffekte eine Ausnahme. „Die Vorzieheffekte im Export sind bei Weitem nicht die ganze Geschichte“, sagte dagegen der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Stefan Kooths. „Die Wirtschaft stabilisiert sich auf niedrigem Niveau.“ Die Entwicklung passe zu den Prognosen, nach denen die Wirtschaft sich im Laufe des Jahres allmählich aufwärts entwickeln werde.

Die bessere Ausgangslage am Jahresbeginn führt zu ersten Aufwärtsrevisionen von Konjunkturprognosen. Die Commerzbank erwartet nun auf Jahressicht ein Wachstum des realen BIP um 0,2 Prozent statt der zuvor prognostizierten Stagnation. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hatte Deutschland erst am Mittwoch für dieses Jahr eine Stagnation prognostiziert. Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank, warnte aber, dass die schlechten strukturellen Bedingungen in Deutschland kein kräftiges Wachstum erwarten ließen. Die Pro­gnosen eines Wachstums von einem Prozent oder mehr im kommenden Jahr beruhen nach seiner Einschätzung allein auf der dann höheren Zahl an Arbeitstagen und der staatlichen Mehrnachfrage.

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Der Export legte im Zeitraum von Januar bis März um 3,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu, nachdem er noch am Jahresende in etwa demselben Umfang eingebrochen war. Er war immer noch 1,1 Prozent geringer als vor einem Jahr, was die schwierige Wettbewerbssituation der Industrie unterstreicht. Zuletzt legte nach den Angaben der Statistiker die Ausfuhr von pharmazeutischen Erzeugnissen und von Autos deutlich zu. Beides sind wichtige Exportgüter in die Vereinigten Staaten. Die Entwicklung stützt die Vermutung, dass Händler bemüht waren, vor den Zollerhöhungen noch möglichst viele Waren in die USA zu liefern. Demnach wären in den kommenden Monaten weniger Lieferungen Richtung Amerika zu erwarten. Das gälte erst recht, falls Trump sein jüngste Drohung wahr machen sollte, einen Sondereinfuhrzoll von 50 Prozent auf Waren aus Europa zu erheben. Derzeit beträgt der Sonderzoll zehn Prozent.

Private Konsumausgaben abermals gestiegen

Der Zuwachs der Bruttoanlageinvestitionen um 0,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal stützte sich weitgehend auf staatliche Aktivität. Besonders stark wuchsen öffentliche Investitionen in den Hochbau jenseits des Wohnungsbaus und in militärische Ausrüstungsinvestitionen. Dagegen dauert die Misere der privaten, unternehmerischen Ausrüstungsinvestitionen an. Mit minus 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal schrumpften diese Investitionen des vierte Mal nacheinander oder das siebte Mal in den vergangenen neun Quartalen. Die Wachstumsschwäche in der Industrie ist nicht überwunden. Gemessen an der realen Bruttowertschöpfung, lag das verarbeitende Gewerbe 1,6 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Im Baugewerbe ergab sich ein Minus von 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die privaten Konsumausgaben stiegen das vierte Quartal nacheinander, und zwar um 0,5 Prozent. Darin spiegeln sich die nachwirkenden kräftigen Lohnerhöhungen des vergangenen Jahres, aber auch ein etwas stärkerer Wille zum Konsum. Im Vergleich zum Vorjahr legte der private Konsum stärker zu als die Einkommen, sodass die Sparquote von 13,6 auf 13 Prozent fiel. Der Staatskonsum sank dagegen um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Zuletzt war das im Frühjahr 2023 der Fall gewesen. Das Statistische Bundesamt führt das jetzige Minus vor allem auf die vorläufige Haushaltsführung des Bundes und einiger Bundesländer zurück, die Ausgaben für Sachaufwand reduziert hätten.

Die Wirtschaftsleistung wurde im ersten Quartal von 45,8 Millionen Erwerbstätigen erbracht – 60.000 Personen weniger als vor einem Jahr. Im produzierenden Gewerbe und im Baugewerbe sank die Beschäftigung, während sie im Dienstleistungsbereich auch dank staatlicher Nachfrage stieg. Ein Schlaglicht auf die von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) angestoßene Debatte über die Arbeitszeit werfen folgende Zahlen: Im Durchschnitt arbeiteten die erwerbstätigen Personen im ersten Quartal 0,4 Prozent mehr Stunden als vor einem Jahr. Das Arbeitsvolumen in der Gesamtwirtschaft erhöhte sich um 0,2 Prozent.