Zehn Fakten zu Trumps Zollpolitik

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1. Das Handelsbilanzdefizit der USA mit der EU, das Trump so schrecklich findet, sieht größer aus, als es ist. Im vorigen Jahr hat die EU wertmäßig deutlich mehr Güter an die USA exportiert als von dort importiert. Das Handelbilanzdefizit der Vereinigten Staaten betrug im vorigen Jahr 236 Milliarden Dollar, zeigen Zahlen des US Census. In diesem Jahr weitete sich die Kluft sogar deutlich aus: In den ersten drei Monaten allein betrug das kumulierte Defizit 96 Milliarden Dollar. Der Grund ist offensichtlich, dass die US-Importeure in Erwartung der Trump-Zölle schnell noch Güter zu alten Bedingungen einführen wollte. Im Handel mit Dienstleistungen dagegen erzielen die USA einen Handelsbilanzüberschuss mit der EU in Höhe von 76 Milliarden Dollar. Wenn man Güter und Dienstleistungen zusammennimmt, dann reduziert sich das Handelsbilanzdefizit auf 161 Milliarden Dollar. Immerhin.

2. Trump braucht gar keine Zölle, um das Handelsbilanzdefizit schrumpfen zu lassen. Er könnte stattdessen sparen. Das Handelsbilanzdefizit entsteht, weil die Vereinigten Staaten mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen. Diese zusätzlichen Ausgaben müssen definitionsgemäß für ausländische Waren und Dienstleistungen aufgewendet werden. Die Finanzierung dieser Ausgaben erfolgt entweder durch Kredite von ausländischen Kreditgebern oder durch ausländische Investitionen in US-Vermögenswerte und Unternehmen. Wie die Ökonomen Clyde Hufbauer und Zhiyao Lu zeigen, führen höhere Staatsausgaben, wenn sie das Haushaltsdefizit des Bundes erhöhen, zu einer niedrigeren nationalen Sparquote und zu einem Anstieg des Handelsdefizits. Trumps angestrebte Steuerreform, die schon durch eine Kammer des Kongresses gelangt ist gerade, weitet das Haushaltsdefizit noch einmal deutlich aus.

3. Trump sollte dringend Irland genauer betrachten. Trumps Steuerreform aus dem Jahr 2017 hat steuerliche Anreize speziell für US-Pharmakonzerne geschaffen, ihre Produktion, ihre Gewinne und ihre Patente nach Irland zu verlagern. Da hatte zur Folge, dass sich die amerikanischen Importe von Arzneimitteln zwischen den Jahren 2017 und 2024 mehr als verdoppelt haben, zeigt der Zahlungsbilanz-Experte Brad Setser. Sie machen nun fast einen Prozentpunkt des amerikanischen Bruttoinlands-Porduktes aus. Die Folge: Das kleine Irland weist nach Deutschland den zweitgrößten Handelsbilanzüberschuss mit den USA auf.

4. Trump könnte netter zu Ausländern sein, selbst wenn sie keine reichen Scheichs sind. In den USA studieren aktuell mehr als eine Million junge Leute aus anderen Ländern. Die meisten zahlen hohe Studiengebühren, mit denen sie die Bildung der US-Amerikaner subventionieren. Die rund 50 Milliarden Dollar, die so zusammenkommen, sind eine Exportleistung der USA, die das Handelsdefizit drückt und nahezu komplett von Arbeitnehmern in Amerika bereitgestellt werden. Das unterscheidet sie von Kraftfahrzeugen, deren Export zwar etwas größer ausfällt, der aber viele Vorleistungen aus anderen Ländern enthält. Trumps Politik gegen die Harvard-Universität und andere Elitehochschulen sowie reihenweise Visa-Aufkündigungen verängstigen heutige und künftige Studenten. Dasselbe gilt für den Tourismus, der unter dem Rückgang ausländischer Besucher leidet.

5. Trump hat völlig recht: die EU-Handelsbarrieren sind zu hoch. Die EU hat mehr sogenannte nicht-tarifäre Handelshemmnisse errichtet als die USA. Die größten Unterschiede zwischen den beiden Volkswirtschaften bestehen im Bereich der Schuhwaren, Maschinen und elektrischen Ausrüstungen, zeigt der Ökonom Fernando Leibovici in einer Analyse für die Notenbank Federal Reserve. Auch im Lebensmittelsektor hat die EU deutlich höhere Hürden gegen Exporte etabliert. Tatsächlich leiden die EU-Länder selbst stark unter Barrieren anderer EU-Länder. Fachleute des Internationalen Währungsfonds beziffern und rechnen die Höhe der nicht-tarifären Handelshemmnisse innerhalb der EU um auf 45 Prozent Zölle.

6. Wenn es um Autozölle geht dann sagt Trump nur die halbe Wahrheit. Zu den meistverkauften Autos in den USA seit vielen Jahren gehören Pickup-Trucks wie der F 150 von Ford, der jahrelang die Verkaufsrangliste anführte. Jedes dritte in den USA verkaufte Auto ist ein solcher Pickup-Truck. Er hat den Vorteil, dass importierte Pickup-Trucks mit einem Zoll von 25 Prozent belegt sind. Das vergisst Trump stets zu erwähnen, während er über EU-Einfuhrzölle für Autos lamentiert. Diese betragen wiederum gegenwärtig 10 Prozent, während die USA eingeführte Autos lange mit nur 2,5 Prozent belasteten. Generell liegt das durchschnittliche Zollniveau der beiden Wirtschaftsräume zwischen 2 und 3 Prozent.

7. Trump liegt falsch: Die Mehrwertsteuer diskriminiert Amerikaner nicht. Europäische Unternehmen müssen sie genauso zahlen wie amerikanische.

8. Wer gewinnt den Handelskrieg? In Handelskriegen gibt es nur Verlierer. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft zeigt als Folge des 50-Prozent-Zollschocks negative BIP-Effekte auf die USA (1,5 Prozent), die doppelt so hoch sind wie für die EU (0,78 Prozent). Der Preisdruck in den USA steigt, während er in der EU sinkt. Eine etwaige Vergeltung ist dabei nicht berücksichtigt.

9. Immerhin nimmt Trump Geld ein. Die Vereinigten Staaten haben in diesem Jahr bis zum 22. Mai genau 67,3 Milliarden Dollar aus Zölleneinnahmen erzielt – das sind beinahe 77 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Doch eine dramatische Entlastung für den Staatshaushalt ist das nicht, zum Vergleich: Die Einkommenssteuern des Bundes beliefen sich im Jahr 2024 ungefähr auf 2,4 Billionen Dollar.

10. Zum Schluss ein bisschen Geschichte. Die EU wurde nicht gegründet, um die USA über den Tisch zu ziehen, wie Trump behauptet. Die europäische Einigung und wirtschaftliche Stärkung war ein Kernelement der US-amerikanischen Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie wollte damit ein Bollwerk gegen den Kommunismus und den russischen Imperialismus bilden.