Damit stellt sich Kretschmer klar gegen die Linie von Bundeskanzler und Parteichef Friedrich Merz. Der unterstützt den Plan der EU-Kommission, die Reaktivierung der Pipelines im Zuge eines neuen Sanktionspakets gegen Russland zu unterbinden. Mit diesem Paket will die EU auf die Weigerung Russlands reagieren, in eine Waffenruhe mit der Ukraine einzuwilligen. Kretschmer hält diese Strategie nicht für zielführend. Es gebe zwei Wege, ins Gespräch zu kommen, sagte er: „Entweder man versucht, Russland zu zwingen, wie es bislang der Fall war, oder man versucht einen positiven Ansatz.“ Der sächsische Regierungschef plädiert klar für den positiven Ansatz. „Solange wir sagen: Wir wollen nichts, wir wollen keine Gaslieferungen, wir verhängen nur noch Sanktionen, muss man auch nicht mit uns reden.“
Eine Reaktivierung der Pipelines könnte nach seiner Ansicht auch der deutschen Wirtschaft helfen. Kretschmer argumentiert, dass schon jetzt die Abwanderung von Firmen wegen hoher Produktionskosten beginne und die Frage der Energiepreise dabei zentral sei. „Es würde unsere Situation schon sehr verbessern, wenn man etwa 20 Prozent des Gases aus Russland holt.“
Er sehe derzeit zwar noch keine Bereitschaft zu einem entsprechenden Strategiewechsel in der deutschen Politik. Er sei sich allerdings sicher: „Wenn die wirtschaftliche Entwicklung so voranschreitet, werden wir in ein, zwei Jahren gezwungen sein, unseren Kurs zu ändern.“