IG Metall sieht die Tür einen Spalt offen

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Seit mehr als drei Monaten sorgt der Machtkampf zwischen Management und IG Metall für Ausnahmezustand im Volkswagen-Konzern. Zum Auftakt der fünften Verhandlungsrunde über einen neuen Haustarif in einem Tagungshotel im hannoverschen Stadtteil Groß-Buchholz haben die Verhandlungsführer jetzt Kompromissbereitschaft gezeigt, gleichzeitig aber an die jeweils andere Seite appelliert, erhebliche Zugeständnisse zu machen.

Die IG Metall habe von Beginn an gezeigt, dass sie bereit sei, sich zu bewegen, sagte der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Thorsten Gröger, am Montagmorgen vor den Mikrofonen der Fernseh- und Radiosender, die in das Foyer des Hotels Wyndham Hannover Atrium gekommen waren. „Wir haben jetzt die Tür, so würde ich das jetzt mal beurteilen, ein Spalt offen.“

Er betonte abermals den Standpunkt der Gewerkschaft, dass keine Werke geschlossen, keine Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt und die Monatsentgelte der Beschäftigten nicht dauerhaft gekürzt werden dürften. Wenn das Unternehmen diese roten Linien einhalte, könne eine Lösung möglich sein, sagte die Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Daniela Cavallo.

Eine Teillösung bis Mittwoch scheint in Reichweite

Der Verhandlungsführer von VW, Arne Meiswinkel, bekräftigte in einer Stellungnahme, man liege bei „zentralen Themen noch weit auseinander“. Konzern und Betriebsrat müssten jetzt „zusammen Lösungen finden“ und „weitere finanzielle Potenziale“ ausloten, um das Ergebnis dauerhaft zu entlasten. Für die Gespräche sind Räume im Hotel mindestens für Montag und Dienstag reserviert. Laut Verhandlungskreisen ist eine Option, zumindest in Teilen am Mittwoch eine Lösung vorzustellen.

Neben dem Haustarif für 120.000 Beschäftigte an mehreren Standorten in Niedersachsen und einem Komponentenwerk im hessischen Baunatal drehen sich die Gespräche auch darum, wie die Überkapazität abgebaut werden kann. Das Management hat mit Werksschließungen gedroht und diese Möglichkeit weiter nicht vom Tisch genommen.

Um die Position zu wahren, dass alle Standorte erhalten bleiben, könnte der Betriebsrat laut Verhandlungskreisen zustimmen, dass alle Fabriken die Kapazität senken, auch wenn das in manchem Werk schon jetzt für blanke Angst sorgt. Etwa in Zwickau: Die dortige Fabrik könnte gezwungen sein, den Kompaktwagen ID.3 nach Wolfsburg abzugeben. Schon beschlossen ist, dass der SUV ID.4 im Zuge einer geplanten Produktaufwertung Ende kommenden Jahres nach Emden geht, wo schon heute ein Teil Stückzahl vom Band läuft.

Kahlschlag in einigen Standorten

Am Standort in Sachsen verbliebe möglicherweise nur ein Fahrzeug von Audi. Aber auch dazu herrscht Unsicherheit, denn die Tochtergesellschaft mit den vier Ringen ist in ihren Fabriken Ingolstadt und Neckarsulm selbst schwach ausgelastet. Wolfsburg wiederum könnte ein schon eingeplantes elektrisches SUV an einen Produktionsstandort im Ausland verlieren, Hannover einen Teil der Produktion des E-Bulli „ID Buzz“ nach Polen abgeben. Der kleine Standort Osnabrück könnte verkauft werden, die „Gläserne Manufaktur“ in Dresden die Produktion ganz beenden und die Gebäude anderweitig nutzen.

All das sei Spekulation, heißt es unisono von Beteiligten auf Konzern- und Arbeitgeberseite. Die Gespräche seien in vollem Gange und nichts entschieden.

Falls man sich nicht annähert, werde die „Eskalationsplanung“ der IG Metall greifen und der Arbeitskampf weiter verschärft, drohen die Arbeitnehmervertreter. Cavallo verwies im Foyer des Hotels auf die jüngsten Warnstreiks, an denen sich nach Gewerkschaftsangaben jeweils rund 100.000 Mitarbeiter beteiligt hatten. Weitere Schritte seien möglich, und die Belegschaft sei bereit, „für ihre Zukunft auch zu kämpfen“, teilte die IG Metall in Hannover mit.