Eine alte Bauernregel besagt: „Ist der Mai kühl und nass, füllt’s dem Bauern Scheun und Fass.“ Doch in diesem Jahr trifft das nicht zu: Das Frühjahr 2025 zählt zu den trockensten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Das frische Grün auf den Feldern und an den Bäumen täuscht – vor allem im Norden, aber auch in anderen Regionen Deutschlands fehlt das Wasser. Von der holländischen bis zur polnischen Grenze hat es seit Monaten zu wenig geregnet. Daran konnten auch die Schauer am vergangenen Wochenende wenig ändern. Landwirte befürchten schlechte Ernten und zu wenig Futter für ihre Tiere. Auch die Binnenschifffahrt leidet, da Frachtschiffe bei sinkenden Pegeln weniger laden können. Laut dem Deutschem Wetterdienst (DWD) gab es von März bis Mitte Mai nur rund ein Drittel der üblichen Regenmenge.
Besonders drastische Worte fand der neue Umwelt- und Klimaminister Casten Schneider: „Was wir erleben, ist eine Naturkatastrophe“, sagte der SPD-Politiker bei einem Besuch am Rhein. Für die Einordnung ist jedoch auch ein Blick auf die Vorjahre wichtig: 2023 und 2024 waren ungewöhnlich nass, 2023 lag der Niederschlag 20 Prozent über dem langjährigen Mittel. Das Problem sind damit eher die starken Schwankungen innerhalb eines Jahres. Für die Bauern zählt vor allem, wann der Regen fällt – und der blieb diesmal ausgerechnet im Frühjahr aus. Forscher beobachten, dass Dürreperioden häufiger auftreten. Als „neues Normal“ ist das laut Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung aber noch nicht zu werten. Ähnliches sagt DWD-Agrarmeteorologe Andreas Brömser: „Von den Auswirkungen auf die Landwirtschaft her kann man bisher nicht von einer Dürre sprechen.“ Zwar sei es zu verzögertem Auflaufen gesäter Kulturen und lokalem Trockenstress gekommen, doch könnten sich viele Pflanzen mit aktuellem Regen noch erholen. Die Dürregefahr bleibe dennoch hoch.
Die Trockenheit schlägt sich vor allem in den oberen Bodenschichten bis 25 Zentimeter nieder. Besonders leiden Feldfrüchte, die erst im Frühjahr gesät wurden – wie Sommergetreide, Zuckerrüben oder Mais –, deren Wurzeln noch nicht tief genug reichen. Herbstgesäte Kulturen wie Wintergetreide können sich meist noch aus tieferen Schichten versorgen. Sandige Böden im Norden speichern Wasser dabei schlechter als tonhaltige Böden im Süden. Ein weiteres Problem: Blattmasse, die jetzt fehlt, kann später nicht mehr in Ertrag umgewandelt werden.
Frühzeitiger Wassermangel als wirtschaftliches Risiko
„Es droht ein weiteres Dürrejahr“, mahnte Umweltminister Schneider vergangenen Freitag in einer Rede im Bundestag. Die Böden seien schon im Frühjahr so trocken wie sonst nur in Dürresommern. Die Waldbrandgefahr sei hoch, ergänzte sein Ministerium. Das stelle Natur und Wirtschaft vor „enorme Herausforderungen“. Probleme gebe es auch für fossile Kraftwerke und Atomkraftwerke, die für Kühlprozesse ausreichend Wasser benötigen. Die aktuellen Niedrigwasserstände in den Flüssen seien nicht per se außergewöhnlich oder dramatisch, sagte Schneider. Besorgniserregend sei der Wassermangel so früh im Jahr.
Die Redner der AfD hingegen bestritten, dass Deutschland derzeit von einer Dürre betroffen sei und verwiesen auf Daten des Deutschen Wetterdienstes. Wetterextreme habe es immer schon gegeben. Der AfD-Abgeordnete Ingo Hahn warf den Grünen vor, sie wollten die Menschen „in den Panikmodus“ versetzen und unter dem Label des Klimaschutzes abkassieren und reglementieren.
Ob man es nun „Dürre“ nennt oder nicht: Für die Bauern zählt am Ende, wie sie durch die Saison kommen und welche Ernte sie einfahren. Besonders betroffen sind Landwirte in Niedersachsen. Nur 10 bis 25 Prozent der üblichen Regenmenge habe man in diesem Frühjahr bekommen, sagt Thorsten Riggert vom örtlichen Landvolk. Reagieren können die Landwirte zum Teil mit Beregnung. In Niedersachsen ist das gang und gäbe. Dort gibt es viele Betriebe, die Kartoffeln oder Zwiebeln anbauen und kaum noch ohne Beregnung auskämen. Schließlich müssten sie bestimmte Erntemengen und Qualitäten an ihre Vertragspartner abliefern. Das gehe nur mit gesicherter Wasserversorgung.
Wie Landwirte auf Wassermangel reagieren
Riggert kritisiert die Auflagen und Begrenzungen für die Beregnung. Die Bewässerung habe zu Unrecht ein schlechtes Image, findet er. Die deutsche Landwirtschaft hält er im internationalen Vergleich für sehr nachhaltig: Im Mittel entfielen nur etwa drei Prozent des gesamten Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft. „Wenn wir hier die Produktion einschränken oder aufhören würden zu bewässern, kämen eben mehr Kartoffeln aus Ägypten, wo ein Vielfaches an Wasser eingesetzt wird“, sagt er. Rein wirtschaftlich trägt sich eine Beregnungsanlage aber oft nur für Sonderkulturen wie Kartoffeln oder Zwiebeln. Für Getreide, das an Vieh verfüttert wird, rentiert sich das kaum.
Ähnlich angespannt scheint die Situation in Mecklenburg-Vorpommern. Es habe seit Februar kaum geregnet, sagt Frank Schiffner, Pflanzenbaureferent beim dortigen Bauernverband. Besonders kritisch werde es für Futterbaubetriebe: Der sogenannte erste Schnitt des Grünlands sei schon unterdurchschnittlich ausgefallen. Es müsse dringend regnen, damit Gras nachwachse.
Als Reaktion hat Mecklenburg-Vorpommern nun als erstes Bundesland Dürremaßnahmen ergriffen. Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) teilte Ende vergangener Woche mit, man habe gewisse Umwelt- und Naturschutzauflagen temporär aufgehoben, um Futterbaubetrieben zu helfen. Konkret geht es um ein Förderprogramm zur naturschonenden Nutzung von Grünland. Bestimmte Einschränkungen gelten nun nicht, ohne dass sich daraus negative Folgen für die Förderprämie ergeben. Backhaus hat außerdem weitere Hilfen in Aussicht gestellt, sollte es keine ausreichenden Niederschläge geben. Geprüft würden die Stundung von Zinszahlungen für die Pacht landeseigener Flächen, die Herabsetzung der Steuervorauszahlungen oder die Stundung fälliger Steuerzahlungen. Die Landwirtschaftsministerien von Schleswig-Holstein, Brandenburg und Niedersachsen bewerten die Lage für ihre Bauern zwar ebenfalls als herausfordernd. Dürrehilfen seien aber derzeit nicht geplant. Man unterstütze die Landwirte ohnehin seit Längerem, sich auf die Veränderungen durch den Klimawandel anzupassen.
Staatliche Dürrehilfen für Bauern?
Das Bundeslandwirtschaftsministerium betonte, die Sorgen der Landwirte sehr ernst zu nehmen und die Lage aufmerksam zu verfolgen. Sollte sich die Situation weiter zuspitzen und zu Ertragsausfällen führen, liege es laut verfassungsrechtlicher Kompetenzordnung zunächst an den Bundesländern, Hilfsmaßnahmen zu prüfen. Bundeshilfen kämen erst in Betracht, wenn die Bundesregierung ein „Ereignis von nationalem Ausmaß“ feststelle – wie etwa beim Hochwasser 2021. „Aber es macht auch keinen Spaß, immer wieder nach dem Staat zu rufen“, sagte Johann Meierhöfer vom Bauernverband. Sinnvoller sei es, bestehende Instrumente wie die steuerliche Gewinnglättung dauerhaft abzusichern. So könnten landwirtschaftliche Betriebe Rücklagen bilden und sich besser auf schlechte Jahre vorbereiten.
Neben staatlichen Hilfen versuchen die Landwirte selbst, sich zu wappnen, wie der Agrarforscher Claas Nendel betont. Eine erweiterte Fruchtfolge könne das Risiko verteilen, dass einzelne Kulturen starke Einbußen verzeichnen. Darüber hinaus setzen viele Betriebe auf trockenresistentere Sorten sowie auf Anbaumethoden, die Wasser im Boden speichern. Eine weitere Option sei ein dezentraler Wasserrückhalt, um Winterniederschläge effizienter zu nutzen. Die Herausforderungen dürften bleiben: Neben trockenen wird es auch weiter sehr nasse Jahre geben.