Das Verwaltungsgericht Berlin hat am Montag drei Somaliern vorläufig recht gegeben, die Anfang Mai an der deutsch-polnischen Grenze Asyl beantragten und zurückgewiesen wurden. In einer Mitteilung der 6. Kammer heißt es: Personen, die bei Grenzkontrollen auf deutschem Staatsgebiet ein Asylgesuch äußerten, dürften nicht zurückgewiesen werden, ohne dass zuvor das Dublin-Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates durchgeführt werde. Das sei im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Zurückweisungen waren aus Sicht der Richter deshalb rechtswidrig.
Die drei somalischen Antragstellen, zwei Männer und eine Frau, waren mit dem Zug aus Polen an die deutsche Grenze in Frankfurt (Oder) gekommen. Dort wurden sie von der Bundespolizei kontrolliert und nach Äußerung eines Asylgesuchs nach Polen zurückgewiesen. Die Bundespolizei begründete das Vorgehen damit, dass die drei Personen aus einem sicheren Drittstaat einreisten. Die Antragsteller zogen daraufhin vor das Verwaltungsgericht.
Die Richter entschieden, dass sich Deutschland nicht auf eine Notlage berufen konnte, um die Dublin-Verordnung außer Kraft zu setzen. Insbesondere könne Deutschland die Zurückweisungen nicht auf die Ausnahmeregelung des Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union stützen. Dafür fehle es schon „an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“.
Die Antragsteller könnten ihrerseits allerdings nicht verlangen, in das Bundesgebiet einzureisen. Schließlich könne das Dublin-Verfahren auch an der Grenze durchgeführt werden.
„Illegale Migration steuern und Grenzen schützen“
Eine Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts allein ist aus Sicht von Politikern von CDU und CSU kein Grund, die Zurückweisungen von Asylsuchenden zu beenden. „Die Zurückweisungen müssen fortgesetzt werden“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), der Deutschen Presse-Agentur.
Man werde die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin natürlich genau prüfen. „Klar ist aber auch, dass es Einzelfallentscheidungen ohne allgemeine Wirkung sind“, sagte Throm. Diese Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz gegenüber den drei Antragstellern ändere nichts daran, dass das Ziel richtig bleibe: „Wir werden illegale Migration steuern und unsere Grenzen schützen.“
Der geschäftsführende Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Thomas Silberhorn (CSU), sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: „Dass die Zurückweisung an der Grenze vor Gericht landet, ist keine Überraschung.“ Schließlich sei die Frage, wie die Dublin-Verordnung anzuwenden sei, bereits seit zehn Jahren strittig. Durch das neue Vorgehen an den deutschen Binnengrenzen könne dies nun höchstrichterlich geklärt werden. Bis dahin bestehe aus seiner Sicht keine Veranlassung, direkte Zurückweisungen generell einzustellen.
Grüne: Dobrindt soll Anweisung zurückziehen
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte im Mai wenige Stunden nach seinem Amtsantritt eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, künftig sollten auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Dies soll allerdings nicht für Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler Gruppen gelten.
Die Grünen forderten Dobrindt auf, angesichts der Gerichtsentscheidung „unverzüglich seine Anordnung zurückzuziehen“. „Das ist eine harte Niederlage für die Bundesregierung und sollte eine Mahnung sein, sich künftig an Recht und Gesetz zu halten und die eigenen Kompetenzen nicht wissentlich für populistische Zwecke zu überschreiten“, sagte die Parlamentsgeschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, der „Rheinischen Post“.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht sich in ihrer Skepsis bestätigt. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass die jetzt eingeführten Verfahrensweise, Zurückweisung von Asyl- und Schutzersuchenden, juristisch stark umstritten ist“, sagte der Vorsitzende des GdP-Bereichs Bundespolizei, Andreas Roßkopf, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.