„Wohnungsbau-Turbo“ soll vor der Sommerpause kommen

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Bloß nicht so viel streiten wie die Ampel: So lautet einer der Vorsätze der schwarz-roten Koalition. In den vergangenen Wochen zeigte sich jedoch, dass es an Konfliktlinien auch in dieser Koalition nicht mangelt. Meist verlaufen sie, wie bei den Themen Steuern, Rente und Lieferkettengesetz, zwischen den beiden Parteien. Im Fall des „Wohnungsbau-Turbos“ gibt es aber auch innerhalb der SPD unterschiedliche Ansichten, weshalb der Gesetzentwurf bislang noch nicht vom Kabinett beschlossen wurde.

Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) bemühte sich am Mittwoch auf einer Veranstaltung des Immobilienverbands ZIA in Berlin, den Eindruck von Streit zu zerstreuen. „Ich hatte gestern ein sehr gutes Gespräch mit meinem Kollegen Carsten Schneider“, sagte sie. Schneider ist Bundesumweltminister; sein Haus hat noch Vorbehalte gegen die Pläne der Bauministerin. Zum Zeitplan sagte Hubertz: „Ich bin optimistisch: Das werden wir noch vor der Sommerpause schaffen.“

Der Gesetzentwurf setzt auf jenem auf, den bereits die Ampelkoalition auf den Weg gebracht hatte, der aber nach dem Bruch des Bündnisses nicht mehr vom Bundestag beschlossen wurde. Kern ist der Paragraf 246e im Baugesetzbuch, mit dem Kommunen zeitlich befristet – nach den Plänen von Hubertz bis 2030 – von dem üblichen Prozedere zur Aufstellung von Bebauungsplänen abweichen können, um den Bau von Wohnungen zu beschleunigen.

Zwei Monate statt mehrere Jahre

Oft ziehen sich diese Verfahren über viele Jahre hin, nun sollen zwei Monate reichen. Unter anderem sollen die oft langwierigen Umweltprüfungen abgekürzt werden. Voraussetzung ist, dass Häuser mit mindestens sechs Wohnungen gebaut werden. Für neue Einfamilienhäuser soll die Regel nicht gelten.

Einwände von Umweltverbänden zum Natur- oder Artenschutz bremsen immer wieder Bauvorhaben aus. Diese Interessenskonflikte müssten gelöst werden, sagte Hubertz. Dabei könne es „auch mal knallen“. Neben der „Experimentierklausel“ zu den Bebauungsplänen sind auch die im Gesetzentwurf geplanten Änderungen zum Lärmschutz umstritten. Die Leitlinie TA Lärm soll nur eine „Orientierungshilfe“ sein. Wohnhäuser könnten dadurch näher an Gewerbegebiete rücken.

„Wir können nicht in Schönheit sterben“, sagte Hubertz zu den vielen tausend Detailregelungen, die das Bauen in Deutschland kompliziert und teuer machen. Sie lobte den Ansatz der Hamburger Baubehörde, durch den Verzicht auf Vorgaben das Bauen wieder für unter 3000 Euro je Quadratmeter zu ermöglichen. Laut dem Bauforschungsinstitut Arge waren in deutschen Großstädten zuletzt rund 4300 Euro üblich. „Wir müssen sehen, dass der Business Case am Ende aufgeht“, sagte Hubertz, die vor ihrem Wechsel in die Politik ein Start-up für Kochtipps führte. Ziel müsse sein, dass die Mieten für Neubauwohnungen wieder unter 15 Euro sänken.

Die noch offene Frage ist, in welchem Ausmaß die Kommunen von den gelockerten Regelungen – wenn sie denn wie geplant in Kraft treten sollten – Gebrauch machen werden. In vielen Großstädten sind die Grünen in der Lokalpolitik stark vertreten und messen dem Natur- und Artenschutz eine hohe Bedeutung bei.