An diesem Donnerstag stimmt der Bundestag über die Diäten der Abgeordneten ab. Union und SPD wollen die geltende Regelung zur automatischen Erhöhung auch für diese Legislatur verlängern. Derzeit bekommen die Parlamentarier etwa 11.227 Euro pro Monat. Zum 1. Juli sollen es nach Angaben der Linkspartei noch einmal 606 Euro mehr sein. Ist die Summe angemessen? Über diese Frage wird immer wieder diskutiert.
Dieses Mal wird die Debatte von den Abgeordneten selbst befeuert. Die AfD ist gegen die Erhöhung, die Linkspartei auch. Deren Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek sagte, die Abgeordnetengehälter entfernten sich „zunehmend von der Realität der Menschen“. Sie kündigte an, mit dem Mehr an Geld die Summe ihrer Spenden zu erhöhen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion Stephan Brandner äußerte: „Wir sagen, der Mechanismus muss weg.“ Deutschlands wirtschaftliche Situation sei gerade nicht gut genug, um eine solche Erhöhung zu rechtfertigen. SPD und Union verteidigen den Automatismus und können bei der Abstimmung am Abend wohl mit einer Mehrheit rechnen.
Wie funktioniert die Anpassung der Diäten?
Laut dem Grundgesetz steht den Abgeordneten eine „angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“ zu. Seit 2014 orientiert sich diese am Gehalt eines einfachen Richters an einem obersten Gerichtshof wie etwa dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Die Entschädigung erhöht sich jährlich zum 1. Juli um den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Anstieg der Nominallöhne, also der Löhne, wie sie auf der Gehaltsabrechnung stehen, ohne Berücksichtigung von Inflation oder Deflation. So vorzugehen, war die Empfehlung einer Expertenkommission unter dem früheren Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP).
Eine Abstimmung über die Anpassung ist allerdings in jeder Wahlperiode neu nötig. Der Bundestag muss innerhalb von drei Monaten nach seiner konstituierenden Sitzung darüber entscheiden, sonst gilt der letzte ermittelte Betrag, bis die Abgeordneten ein neues Gesetz dazu beschlossen haben.
Im Corona-Jahr 2020 sprachen sich alle Abgeordneten einstimmig gegen eine Erhöhung anhand der Nominallöhe aus, da in den Daten des Statistischen Bundesamtes die Folgen der Pandemiebekämpfung noch nicht enthalten gewesen seien. Durch die Bindung an die Nominallöhne ist es auch möglich, dass die Aufwandsentschädigungen der Abgeordnenten schrumpfen. Das geschah zum Beispiel 2021. Damals sank der Nominallohnindex um 0,7 Prozent und mit ihm auch die Abgeordnetendiäten. Die AfD-Fraktion will an diesem Donnerstag einen Gesetzentwurf einbringen, der vorsieht, die Bindung an die Nominallöhne abzuschaffen.
Ihre Aufwandsentschädigung müssen die Abgeordneten seit 1977 versteuern. Das sogenannte Diäten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 verpflichtet sie zudem ausdrücklich dazu, selbst und „vor den Augen der Öffentlichkeit“ über die Höhe ihrer Entschädigung abzustimmen.
Wie haben sich die Diäten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen entwickelt?
Derzeit erhält ein Abgeordneter des Deutschen Bundestags gut fünfmal so viel Aufwandsentschädigung pro Monat wie jemand, der Vollzeit für den Mindestlohn arbeitet. Der Mindestlohn beträgt seit dem 1. Januar 12,82 Euro pro Stunde. Damit liegt die gesetzliche Lohnuntergrenze laut dem Statistischen Bundesamt rechnerisch bei 2161 Euro, berechnet auf 38,8 Wochenstunden und eine Wochenanzahl von 4,345 Wochen pro Monat.
Seit 2002 haben sich die Diäten der Bundestagsabgeordneten fast verdoppelt, der deutsche Durchschnittslohn aber auch. Berücksichtigt man, wie sich die Verbraucherpreise entwickelt haben, hat sich die Kaufkraft kaum verändert, weder bei den Abgeordneten, noch in der Gesellschaft.
Auf ihrer Website „Die gläserne Abgeordnete“ gibt die SPD-Politikerin Svenja Stadler an, ihr blieben netto pro Monat 5514,62 Euro. Mit einem Nettolohn in dieser Höhe gehört man laut einem Onlinerechner des Institus der deutschen Wirtschaft, der Daten aus dem Jahr 2022 zugrunde legt, zu den Spitzenverdienern – zumindest als Singlehaushalt: Nur drei Prozent der Bevölkerung sind reicher.
Wie viel Geld steht den Abgeordneten für Büros, Mitarbeiter oder Reisen zu?
Zusätzlich zu der Abgeordnetenentschädigung erhalten die Mitglieder des Bundestags eine steuerfreie Aufwandpauschale. Sie wird jährlich zum 1. Januar an die Lebenshaltungskosten angepasst und beträgt derzeit 5349,58 Euro monatlich. Dieses Geld ist gedacht für mandatsbezogene Ausgaben, also zum Beispiel die Miete für das Wahlkreisbüro oder einen zweiten Wohnsitz in Berlin. Für Druckerpapier, Porto, Laptops und sonstige Bürokosten steht ein Budget von 12.000 Euro jährlich zur Verfügung. Diese Einkäufe müssen einzeln bei der Bundestagsverwaltung abgerechnet werden.
Für die Mitarbeiter in den Abgeordnetenbüros stehen pro Parlamentarier 25.874 Euro monatlich zur Verfügung. Diese Mitarbeiterpauschale wird nicht an das Konto der Abgeordneten überwiesen, sondern über die Bundestagsverwaltung direkt an die Angestellten ausgezahlt. Zum Reisen bekommen die Abgeordneten außerdem eine DB-Netzkarte der 1. Klasse, sie können sich Kosten für Inlandsflüge erstatten lassen und erhalten Zugang zum Bundestagsfahrdienst in Berlin.
Bundestagsabgeordnete erhalten kein Sitzungs- oder Tagesgeld. Werden Abstimmungen oder Sitzungstage verpasst (auch bei Krankheit), werden zwischen 20 Euro (bei genehmigter Dienstreise) und 100 Euro (bei unentschuldigtem Fehlen) pro Tag von der Kostenpauschale abgezogen.
Abgeordnete zahlen in die Kranken- und Pflegeversicherung ein, nicht aber in die Rentenversicherung. Stattdessen erhalten sie eine Altersentschädigung, die pro Jahr im Bundestag wächst. Nach dem ersten Jahr beträgt sie 2,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung, nach 26 Jahren im Parlament liegt sie theoretisch bei 65 Prozent, dem Höchstbeitrag. Außerdem müssen die Abgeordneten Geld an ihre Parteien zahlen, den sogenannten Mandatsträgerbeitrag, weil die ja unter anderem für sie Wahlkampf machen.
Welche Nebeneinkünfte dürfen Abgeordnete haben?
Die Idee hinter der im Grundgesetz festgeschriebenen angemessenen Entschädigung für Abgeordnete: Der Staat zahlt ihnen so viel, dass sie in ihrer Zeit als Abgeordnete keiner anderen Tätigkeit nachgehen müssen. Das Abgeordnetengesetz legt zudem fest, dass die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestags stehen muss. Nebentätigkeiten sind aber erlaubt.
Nach Recherchen der NGO Abgeordnetenwatch hatten in der vergangenen Legislaturperiode knapp die Hälfte der Abgeordneten Nebeneinkünfte. 66 davon bezogen diese aus einer Tätigkeit in einem Unternehmen, zum Beispiel als Aufsichtsrat. Alle Nebentätigkeiten sowie Posten in Vereinen sind anzeigepflichtig.
Wie viel verdienen die deutschen Abgeordneten im internationalen Vergleich?
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit den Bezügen seiner Abgeordneten im vorderen Teil der Statistik. In Österreich erhalten die Nationalratsabgeordneten monatlich 10.351,39 Euro. Als Abgeordneter des Europaparlaments erhält man 10.927,44 Euro. Etwas mehr als in Deutschland verdienen Senatoren in den USA: 174000 Dollar jährlich, auf den Monat gerechnet also 14500 Dollar, derzeit umgerechnet 12.732,96 Euro. Der Betrag wurde allerdings seit 2009 nicht erhöht: Seitdem stimmen die Senatoren jedes Jahr gegen eine eigene Gehaltserhöhung.