Wirtschaft noch pessimistischer für 2025

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Anders als von Konjunkturbeobachtern erwartet, hat sich die Stimmung in den deutschen Unternehmen am Jahresende noch einmal deutlich verschlechtert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der wichtigste Frühindikator für die deutsche Wirtschaft, sank im Dezember um knapp einen Punkt auf 84,7 Punkte. Das ist der niedrigste Wert seit Mai 2020, also seit Beginn der Coronakrise. Clemens Fuest, der Präsident des Ifo-Instituts, kommentierte: „Die chronische Schwäche der deutschen Wirtschaft vertieft sich.“ Wie dieser Trend zu drehen ist, solle das zentrale Wahlkampfthema sein.

Ihre aktuelle Lage bewerteten die 9000 befragten Unternehmen aus Industrie, Dienstleistungsbranche, Handel und Bau zwar etwas besser als im November. Ihre Geschäftsaussichten für das kommende halbe Jahr schätzten die Betriebe aber sehr viel schlechter ein, was den Index insgesamt nach unten zog. Treibende Kraft dabei war einmal mehr das verarbeitenden Gewerbe. „Die Auftragslage verschlechterte sich erneut. Produktionskürzungen sind angekündigt“, schreiben die Ifo-Forscher. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sprach von einer „kalten Dusche“. Er kommentierte: „Die Probleme kommen vor allem aus der Industrie, die unter einer tiefgreifenden Strukturkrise leidet.“

Auch in den anderen Branchen blieb eine Belebung aus, selbst im Einzelhandel gab das Weihnachtsgeschäft den Betrieben keinen Schwung. Die Unternehmen zeigten sich zudem noch stärker verunsichert darüber, wie sich ihr Geschäft künftig entwickeln wird. Die hohe Unsicherheit gilt als ein Hauptgrund für die schwachen Investitionen der Unternehmen.

ZEW-Konjunkturerwartungen etwas positiver

Etwas positiver fielen die ebenfalls am Dienstag veröffentlichten ZEW-Konjunkturerwartungen aus. Für diesen Stimmungsindikator werden allerdings keine Betriebe, sondern Finanzmarktfachleute befragt. Der Dax hat trotz der Wirtschaftsschwäche zuletzt erstmals die Marke von 20.000 Punkten übertroffen.

Große Hoffnungen auf eine baldige Trendwende für die Konjunktur gibt es derzeit nicht. Am Dienstag äußerten sich Volkswirte skeptisch zu der Frage, ob die niedrigeren Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) für Rückenwind sorgen werden. Die Investitionsabsichten für 2025 seien laut verschiedenen Unternehmensbefragungen ungewöhnlich negativ, kommentierte Philipp Scheuermeyer von der staatlichen Bank KfW. Es sei fraglich, „ob allein die Lockerung der Geldpolitik das Ruder noch herumreißen kann“. Commerzbank-Volkswirt Krämer sagte, die niedrigeren Zinsen „dürften kaum positiv auf das Bruttoinlandsprodukt durchschlagen“. Die EZB hatte ihren Einlagenzins vergangene Woche zum vierten Mal in diesem Jahr auf nun 3,0 Prozent gesenkt.

Auch die Wahlprogramme der maßgeblichen Parteien lassen zwei Monate vor der Bundestagswahl auf keinen schnellen Schub für die Wirtschaft schließen. Monika Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrates, sagte der F.A.Z. (17. Dezember): Ob und in welcher Höhe das Bruttoinlandsprodukt mit dem Wahlprogramm der Union steigen könnte, sei nicht seriös abzuschätzen. „Die Wachstumseffekte dürften in der kurzen Frist sehr überschaubar sein“, so Schnitzer. Ähnliches gilt für die Programme von SPD und Grünen.

Wegen der anhaltend schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft haben führende Forschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen zuletzt nach unten korrigiert. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr um 0,2 Prozent schrumpfen und nächstes Jahr stagnieren dürfte. Ein Grund für die Abwärtsrevision sind die zu erwartenden Zölle auf europäische Produkte in Amerika, die der kommende US-Präsident Donald Trump einführen will. Würde die Prognose aus Kiel eintreten, wäre das deutsche Bruttoinlandsprodukt drei Jahre hintereinander nicht gewachsen, was eine historisch einmalige Durststrecke in der Bundesrepublik wäre. Andere Forschungsinstitute sind etwas optimistischer, die Ausschläge nach oben sind allerdings gering.

Immer bedrohlicher wird die Wirtschaftsschwäche für die Beschäftigten. Nachdem sich der deutsche Arbeitsmarkt lange relativ immun gezeigt hatte, ist in diesem Herbst der eigentlich übliche Herbstaufschwung ausgeblieben. Im November hatten 2,77 Millionen Menschen in Deutschland keine Arbeit, knapp 270.000 Beschäftigte waren zudem in Kurzarbeit. Prognosen lassen befürchten, dass die Zahl der Arbeitslosen im kommenden Jahr über die Marke von drei Millionen Menschen steigen wird. „Die Rezession hat mittlerweile auch den Arbeitsmarkt erreicht, die Arbeitslosenquote dürfte auf 6,3 Prozent steigen“, teilte das Kieler IfW mit. Im laufenden Jahr liegt die Quote bei 6,0 Prozent. Die Bundesregierung wird die maximale Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld von Januar an auf 24 Monate verdoppeln.