FHB aus Spenge kleidet Handwerker in Zunftkleidung ein.

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„Das Gesicht bleibt immer gleich.“ Peter Hoffmann meint nicht zwei Augen, eine Nase und einen Mund, sondern zwei Reißverschlüsse. Dieses unverwechselbare Design prägt die Zunfthose schon seit etwa 100 Jahren. Hoffmann ist Geschäftsführer der FHB original GmbH & Co. KG in Spenge in Nordrhein-Westfalen. Das Unternehmen beschäftigt 130 Mitarbeiter und ist nach eigenen Angaben europä­ischer Marktführer für Zunftbekleidung. Diese Arbeitskleidung ist eine traditionelle Tracht für Handwerker wie Zimmerer, Dachdecker, Maurer, Tischler und Schornsteinfeger. Mit mehr als 40 Stunden Tragezeit in der Woche stehen Robustheit und Langlebigkeit an oberster Stelle.

Hoffmanns Onkel Fritz Höhne hat FHB 1947 in Bielefeld gegründet. Nach dessen Tod übernahm Hoffmann das Unternehmen. Er hatte BWL studiert und interessierte sich sehr für Mode. Zunfthosen gefielen ihm auf den ersten Blick. Er habe ihr „hohes modisches Potential“ erkannt, sagt er.

Zunftbekleidung besteht hauptsächlich aus Trenkercord und Englischleder, weshalb sie so schwer und dick anmutet und Sicherheit und Mut ausstrahlt. Trenkercord kommt aus England und ist ein weicher Stoff mit dicken oder dünnen Längsrillen. Diese entstehen durch die Webart: Die Fäden werden aufgeschnitten und bilden eine samtartige Oberfläche. Durch dreifach gezwirnte Kettfäden, die Dreidrahtkette, ist Trenkercord außergewöhnlich reißfest. Englischleder beschreibt ein sehr dichtes und festes Baumwollgewebe. Mit starken Kettgarnen und einer hohen Dichte von Schussgarnen ist der Stoff fast unverwüstlich und auffallend schwer. Laut Hoffmann kann eine Zunfthose ein ganzes Leben lang getragen werden.

Das Zimmerhandwerk strahlt durch die Zunft

FHB produziert seine Zunftbekleidung in Deutschland. Dafür kooperiert man mit dem Textilhersteller Hch. Kettelhack aus Rheine, dem Näh-und- Strickfäden-Produzenten Amann & Söhne aus Bönnigheim und dem Reißverschluss-Hersteller YKK aus Seligenstadt. Kollektionen blieben über viele Jahre hinweg im Sortiment, sagt Hoffmann. Das sei auch vorteilhaft für Unternehmen, die ihr Firmenlogo auf die Kleidung drucken ließen.

Dem Geschäftsführer ist der enge Kontakt zum Kunden, etwa auf Messen, wichtig. Dort erführen sie ehrliches Feedback mit Lob, Kritik und neuen Ideen. „Die Jungs und Mädels aus dem Handwerk nehmen kein Blatt vor den Mund.“ Beispielsweise entstand so eine Hotpants mit neun Zentimeter Schrittlänge. „Die Zimmerleute sind sehr eitel, die wollen braun werden“, sagt Hoffmann. Anregungen werden auch über Händler, die die Zunftkleidung verkaufen, weitergegeben. Dazu gehören Baumärkte mit speziellen Bereichen für Arbeits- und Zunftbekleidung, Fachgeschäfte und Zunftbedarfsläden.

Fast alle Zimmerer tragen im Alltag Zunfthose

In der Zimmerei Hansmann Holzbau GmbH in Steinach nahe Freiburg tragen laut Junior-Geschäftsleiter Max Hansmann fast 95 Prozent der Zimmerer eine Zunfthose im Arbeitsalltag. Hansmann beschreibt die Hose als robust und langlebig, günstig sei sie aber nicht. Der höhere Preis müsse in Kauf genommen werden, denn das Zimmererhandwerk strahle durch die Zunft. Wie Hoffmann glaubt auch Hansmann, dass die traditionelle Arbeitskleidung an Relevanz gewinne, weil durch das Tragen Einheit entstehe.

Innovation sei wichtig, heißt es von FHB. Wegen der Klimaerwärmung seien leichte Materialien gefragt, zum Beispiel eine Zunfthose aus 100 Prozent Baumwolle. Manche Handwerker wollten mehr Taschen, zum Beispiel für das Handy. Einige bevorzugten andere Passformen, sogar mit Stretchbund. Doch das Gesicht einer Zunfthose bleibe immer gleich, sagt Hoffmann.

Wenn doch mal die Inspiration ausbleibe, schnuppere man in andere Branchen hinein. So übernahm man eine Knieverstärkung aus Cordura, einem Stoff für Motorradbekleidung aus 100 Prozent Nylon. Andersherum gelte das genauso, sagt Hoffmann. So wurde ein Lederband am Saum einer Zunfthose, ursprünglich dafür gedacht, dass der Cord beim Wandern nicht abreibt, in die Welt der Arbeitskleidung eingebracht.

Keine Zunftbekleidung außerhalb Deutschlands

Im Jahr 2023 betrug der Umsatz von FHB laut Hoffmann 43 Millionen Euro. Auf die Zunftkleidung entfielen elf Prozent, der größte Teil stammte aus dem Bereich Arbeitskleidung. Für 2024 rechnet man mit rund 46 Millionen Euro Umsatz. Einen Erlösrückgang habe es noch nie gegeben. Jährlich würden etwa 1,3 Millionen Teile gefertigt, 150.000 bis 160.000 seien Zunftbekleidung.

Im Segment Zunftbekleidung betrage der Marktanteil 75 bis 80 Prozent. Ein Konkurrent sei die Strauss Deutschland GmbH & Co. KG aus Biebergemünd. Außerhalb Deutschlands werde keine Zunftbekleidung hergestellt, diese Art der Arbeitskleidung sei eine deutsche Sache. Doch wächst der Export nach Frankreich, Österreich, in die Schweiz und in die Niederlande.

Im Bereich Zunftbekleidung ist laut dem Geschäftsführer die Nachfrage nach Hosen am größten. Der Durchschnittspreis liegt bei 90 Euro. Die Preisspanne reicht von rund 50 Euro bis etwa 200 Euro. Für die Zukunft ist Hoffmann zuversichtlich: Man fühle sich in dieser Kleidung besonders wohl, es würden sich voraussichtlich immer Menschen für diese „Workwear“ interessieren.

Die freie Schule des Lebens

Wanderburschen pflegen eine alte Tradition. Nach der Gesellenprüfung war es im Spätmittelalter Pflicht, drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft zu gehen, um zur Meisterprüfung zugelassen zu werden. Bedingungen waren ein lediger Stand, keine Schulden und eine abgeschlossene Lehre. Auch musste der Reisende mindestens 50 Kilometer Distanz zum Heimatort einhalten.

Die Wanderjahre waren eine Art Studium in der freien Schule des Lebens. Damit dies gelingt, war und ist hochwertige Bekleidung von Bedeutung. Dabei kann eine komplette Zunftausstattung rund 1500 Euro kosten. Sie umfasst einen Hut, eine Hose mit zwei Reißverschlüssen, ein Hemd, auch Staude genannt, eine Weste mit acht Knöpfen, symbolisch für acht Arbeitsstunden am Tag, und ein Sakko mit sechs Knöpfen, symbolisch für sechs Arbeitstage in der Woche.

Der Artikel stammt aus „Jugend und Wirtschaft“ – ein Schulprojekt der FAZIT-Stiftung mit Unterstützung der Brost-Stiftung.