Knapp die Hälfte der Syrer in Deutschland hat Arbeit

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Es ist nur noch ein halbes Jahr hin, dann jährt sich zum zehnten Mal der sogenannte lange Sommer der Migration, in dem die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach: „Wir schaffen das.“ Vor allem Syrer waren unter jenen Hunderttausenden Migranten, die 2015 in Deutschland Asyl suchten. Nun wurde Syriens Machthaber Baschar al-Assad gestürzt. Und für Deutschland stellt sich die Frage, ob aus der Willkommenskultur von damals eine Abschiedskultur wird. Müssen die Syrer zurück, sollte es die Lage in ihrer Heimat tatsächlich künftig hergeben?

Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz (CDU), spricht sich dafür aus, keine Syrer mehr aufzunehmen. Und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat alle entsprechenden Asylentscheidungen gestoppt, bis mehr Klarheit über die Zukunft in Syrien herrscht. Merz sagt auch, dass Syrer, die in Deutschland arbeiten, bleiben sollten – jene aber, die arbeiten können, dies jedoch nicht tun, sollten das Land verlassen. Immerhin zwei Drittel der Syrer arbeiteten nicht, behauptete Merz jüngst.

Yuliya Kosyakova, Arbeitsmarktforscherin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, kann die Zahl so nicht stehen lassen. Sie dröselt auf: In Deutschland lebten gut 974.000 Syrer, von denen seien nur gut 70 Prozent zwischen 15 und 64 Jahre alt. Und unter den Syrern im erwerbsfähigen Alter wiederum lag die Beschäftigungsquote zuletzt bei 42 Prozent. Rechne man noch Syrer hinzu, die als Selbständige arbeiten, liege der Wert noch mal drei, vier Prozentpunkte höher.

Bedenken müsse man auch, dass Zugezogene, die mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben (also gut Integrierte), gar nicht mehr in dieser Statistik auftauchen – und diese damit schlechter aussieht, als sie ist. Auch auf einen weiteren Punkt weist die Forscherin hin: Jedes Mal, wenn ein Syrer neu nach Deutschland ziehe, drücke er den Durchschnittswert nach unten.

Viele wollen bleiben

„Je länger syrische Geflüchtete in Deutschland leben, desto erfolgreicher verläuft ihre Integration in den Arbeitsmarkt, und auch die Qualität der Beschäftigung nimmt über die Zeit zu. Dafür ist jedoch Geduld erforderlich“, sagt Kosyakova. Von den erwerbsfähigen Syrern, die 2015 gekommen sind, waren sieben Jahre später immerhin 60 Prozent in Arbeit. Von diesen wiederum arbeiteten zwei Drittel in Vollzeit.

Diesen Werten stehen nach wie vor hohe Kosten gegenüber. Die Bundesagentur für Arbeit teilt mit, dass – Stand Sommer 2024 – 518.000 Syrer Anspruch auf Bürgergeld hatten, wovon jedoch 52 Prozent jünger als 25 Jahre waren.

Die Arbeitsaufnahme für Ausländer in Deutschland mit all ihren Hürden und der Blick auf die Zahlen seien komplex, sagt Kosyakova. „Manchmal werden Dinge in der Politik verkürzt und stark vereinfacht – oftmals auch populistisch getrieben. Das ist weder analytisch angemessen noch politisch zielführend.“ Komplex werde auch die Frage nach einer Rückkehr der Syrer. „Ein möglicher Weggang einiger Syrerinnen und Syrer wird für Deutschland insgesamt keine dramatischen Folgen haben“, sagt Kosyakova. In Einzelfällen könne es Probleme geben, andererseits würden Fachkräfte in Syrien bei einem Wiederaufbau benötigt.

Eine Befragung ihres Instituts zeige aber, dass viele Syrer längerfristig in Deutschland bleiben wollten; das werde sich auch mit der neuen Lage in Syrien nicht ändern. Die Migrationsforschung zeige: Je länger Migranten in einem anderen Land leben und je besser sie integriert sind, desto eher bleiben sie.