„Wir haben diese Entscheidung in letzter Minute getroffen, nachdem alle anderen Wege ausgeschöpft waren“, sagte Israels Außenminister Gideon Saar seinem deutschen Pendant Johann Wadephul (CDU) laut israelischen Angaben in einem Telefongespräch, kurz nach dem Beginn des israelischen Großangriffs auf Iran. Das Regime in Teheran sei nicht bereit gewesen, die Atomanreicherung einzustellen, habe Saar zur Begründung gesagt – „wir mussten sie stoppen“. Israel habe keine andere Wahl gehabt.
Über einen israelischen Angriff auf Iran war seit Jahren spekuliert worden. In den vergangenen Wochen und Monaten waren die Berichte und Spekulationen dazu wieder lauter geworden – einhergehend mit den Fortschritten Irans bei der Uran-Anreicherung, aber auch parallel zu den amerikanisch-iranischen Verhandlungen.
Manche interpretierten die Spekulationen als Teil einer Drohkulisse, die gegenüber dem Regime in Teheran aufgebaut werden sollten, in Abstimmung zwischen Jerusalem und Washington. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu war offenkundig überrascht gewesen, als der amerikanische Präsident Donald Trump im Frühjahr verkündete, dass es Gespräche mit Iran geben werde. Seither hatte Trump immer wieder gesagt, dass er eine diplomatische Lösung für den Konflikt über das iranische Atomprogramm bevorzugen würde.
USA haben Botschaftspersonal in der Region reduziert
Die israelische Führung soll ihm versprochen haben, dass es keinen eigenmächtigen Angriff auf Iran geben werde, solange die Verhandlungen liefen. Glaubt man den allerdings oft erratischen Äußerungen Trumps, waren diese Gespräche zuletzt jedoch wohl in eine Sackgasse geraten. Am Donnerstagabend sagte Trump, es könne möglicherweise bald einen israelischen Angriff geben.
Wann in Israel die Entscheidung dazu getroffen wurde, war am Freitagmittag nicht bekannt. Laut einem Mitarbeiter des Sicherheitsestablishments, der in einem israelischen Medienbericht zitiert wurde, instruierten Netanjahu und Verteidigungsminister Israel Katz die Armee am Montag offiziell, den Angriff auf Iran vorzubereiten. Mehrere amerikanische Sender berichteten am Donnerstag, Israel habe die Planungen abgeschlossen und erwäge, in den kommenden Tagen anzugreifen – ohne Beteiligung der USA. Die amerikanische Regierung sei darüber aber informiert worden. Ebenfalls am Donnerstag verkündete diese, dass das Personal in Botschaften in der Region reduziert werde.
Gleichzeitig soll Washington schon vor etwa zwei Wochen ein Geschwader von F-15-Kampfflugzeugen nach Jordanien verlegt haben. Als Iran im April und im Oktober des vergangenen Jahres Israel mit Raketen und Drohnen angriff, hatten amerikanische Flugzeuge dieses Typs in Jordanien bei der Abwehr geholfen.
Israelische Verschleierungstaktik
Zugleich versuchte die israelische Seite offenbar bis zuletzt, den bevorstehenden Angriff zu verschleiern. So wurde verkündet, dass Netanjahu am Wochenende einen Kurzurlaub im Norden Israels verbringen werde – den ersten seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023. Sein Büro verschickte sogar eine Mitteilung, in der Berichte dementiert wurden, er habe die Reise aufgrund der an verschiedenen Fronten angespannten politischen Lage abgesagt.
Wie erfolgreich dieses Ablenkungsmanöver war, ist allerdings offen. In israelischen Medien wurde schon Mitte der Woche spekuliert, dass der Kurzurlaub dazu dienen solle, Iran in falscher Sicherheit zu wiegen. Ein Bericht wies darauf hin, dass auch im Jahr 2007 Berichte über eine Urlaubsreise des damaligen Ministerpräsidenten Ehud Olmert nach Italien gestreut wurden, kurz bevor die israelische Luftwaffe einen Atomreaktor in Syrien angriff.
Planmäßig vorbereitet war der Angriff auch in propagandistischer Hinsicht. Als Argentiniens Präsident Javier Milei am Donnerstag Israel besuchte, begleitete Netanjahu ihn zur Klagemauer in der Jerusalemer Altstadt. Dort steckte er selbst einen Zettel in eine der Ritzen zwischen den Steinen, auf dem er den offiziellen Namen des nächtlichen Großangriffs – „Sich erhebender Löwe“ („Rising Lion“) – vorwegnahm. Sein Büro verschickte am Freitagmorgen Fotos des Zettels und des Ministerpräsidenten an der Klagemauer.
Netanjahu zitierte in seiner Notiz aus einem Bibelvers: „Ein Volk wie ein Löwe, der aufsteht, / wie ein Raubtier, das sich erhebt“. Der Vers Numeri 23:24 geht weiter: „Es legt sich nicht hin, / bevor es die Beute gefressen / und das Blut der Erschlagenen getrunken hat“. Der Stamm Juda wird in der jüdischen Tradition allegorisch durch einen Löwen dargestellt und heute gelegentlich als Symbol des Staates Israel oder des jüdischen Volkes verwendet.
Verteidigungsminister Katz hob am Freitag noch einmal hervor, wie lang Israel einen Angriff auf Iran vorbereitet habe – über Jahre – und wie außergewöhnlich die militärischen Fähigkeiten seien, über die man verfüge. Gleichwohl warnten er und Netanjahu schon kurz nach den ersten Luftschlägen, dass es Gegenangriffe geben werde. „Iran hat beträchtliche Kapazitäten, uns zu schaden“, sagte Netanjahu in einer Videoansprache, die in der Nacht veröffentlicht wurde. Aber man sei darauf vorbereitet.
Zahlreiche Vorsichtsmaßnahmen wurden in der Nacht zum Freitag getroffen. Öffentliche Versammlungen wurden eingeschränkt, Krankenhäuser angewiesen, Patienten in sichere Bereiche zu verlegen. Viele Notfallpläne waren schon ausgearbeitet. An Israelis im Ausland erging die Warnung, vor möglichen Attacken auf der Hut zu sein. „Schwere Tage stehen bevor“, sagte Netanjahu. Er fügte hinzu: „Aber auch großartige Tage.“