Die Führung der Grünen blickt selbstkritisch auf ihren Umgang mit Belästigungsvorwürfen gegen den früheren Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar. Man sei unter anderem angesichts der nahen Bundestagswahl mit dem Fall „strukturell überfordert“ gewesen, räumt der Bundesvorstand um die beiden Parteichefs Franziska Brantner und Felix Banaszak in einer Stellungnahme zum Bericht einer internen Kommission ein. Zuvor hatte der „Stern“ berichtet.
Zu den Folgen der Überforderung schreibt der Bundesvorstand: „Leidtragende sind Stefan Gelbhaar, ebenso meldende Personen, denen nach Aufdeckung der falschen Identität einer anderen Meldung zunächst nicht mehr ausreichend Vertrauen in ihre Schilderungen geschenkt wurde.“ Die Organisation sei damit ihrer Verantwortung gegenüber allen Beteiligten nicht gerecht geworden – mit „Organisation“ ist nach ergänzenden Angaben die Partei gemeint.
Nachdem die Vorwürfe gegen Gelbhaar bekannt und Thema in den Medien wurden, verlor er seine Direktkandidatur für den Wahlkreis Pankow. Zuvor hatte er schon seinen Verzicht auf die Kandidatur auf der Landesliste der Berliner Grünen erklärt. Der RBB musste Teile seiner Berichterstattung zurückziehen. Im Kern waren Zweifel an der Identität einer der Frauen aufgekommen, die dem Sender von Vorwürfen berichtet hatten.
Die Grünen wollen ihre Ombudsstrukturen nun überarbeiten, Details soll eine Arbeitsgruppe erarbeiten. Einen Beschluss soll der Parteitag im November fassen. Das Ombudsverfahren im Fall Gelbhaar soll nicht fortgesetzt werden. Die Vorsitzenden des direkt betroffenen Berliner Landesverbands der Grünen, Nina Stahr und Philmon Ghirmai, erklärten, der Landesverband habe bereits begonnen, Beschwerdestrukturen und Anlaufstellen weiterzuentwickeln. Ein Fürsorgekonzept werde im Herbst vorgestellt.