Wie japanische Forscher künstliches Blut entwickeln

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Stand: 14.06.2025 11:49 Uhr

Die Weltbevölkerung wächst – und damit auch der Bedarf an Blutspenden. In Japan arbeiten Forscher an der Entwicklung von künstlichem Blut – ein Vorhaben, das ein Gamechanger sein könnte – aber auch nicht ungefährlich ist.

Thorsten Iffland

Das Team um Hiromi Sakai von der Nara Medical University ist stolz auf die Fortschritte seiner Forschung. Seit drei Jahren arbeiten die Japaner intensiv an der Entwicklung von künstlichem Blut, im Frühjahr 2025 wurde es nun den ersten Probanden verabreicht. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zur Zulassung bis 2030.

Das künstliche Präparat enthält echte rote Blutkörperchen, soll menschliches Blut ersetzen und Sauerstoff transportieren, erklären die Wissenschaftler.

Knackpunkt: Verträglichkeit und Sicherheit

Das Prinzip ähnelt dem der bekannten Corona-mRNA-Impfstoffe: Die Forschenden extrahieren Hämoglobin aus abgelaufenen, echten Blutspenden. Das verpacken sie in eine Lipidhülle, also kleine Fettkügelchen – gefüllt mit dem Protein Hämoglobin. So soll das künstliche Blut am Ende verträglich sein – unabhängig von der jeweiligen Blutgruppe des Patienten.

Die Verträglichkeit und Sicherheit von Hämoglobin sind der Knackpunkt bei der Entwicklung von universellem Kunstblut. Freies Hämoglobin kann für den Körper nämlich sehr gefährlich werden, erklärt Transfusionsmediziner Torsten Tonn im Interview mit dem ARD-Studio Tokio: “Das kann starke Nierenschäden hervorrufen und eine Verengung der Blutgefäße. Das kann in der Folge bis zum Organversagen und auch zum Tod führen.“

Potential, die Blutversorgung und Transfusionspraxis entscheidend weiterzuentwickeln, habe die japanische Forschung aber allemal, sagt Tonn.

Einsatz nach Unfällen oder in Kriegsgebieten

Anwendung finden könnte das Ganze vor allem in Situationen, in denen es einen großen Blutverlust gibt: etwa bei schweren Unfällen oder in Kriegsgebieten. Mit einem universellen Blutersatzstoff direkt am Einsatzort könnte die Sauerstoffversorgung der Patienten überbrückt werden. Bislang ist das nicht möglich, da meistens erst mal die Blutgruppe überprüft und die Verträglichkeit getestet werden muss.

Hinzu kommt, dass Kunstblut bei Raumtemperatur zwei Jahre und gekühlt sogar fünf Jahre haltbar ist. Gerade in abgelegenen Teilen der Welt könnte das ein Gamechanger ein.

Blutknappheit immer drängenderes Problem

Auch im Bereich Organspende ergäben sich neue Möglichkeiten. Die Lebensdauer der Organe auf dem Transport könnte durch synthetisches Blut signifikant verlängert werden.

Forschungen in diesem Bereich gibt es schon seit Jahren. Blutknappheit ist ein immer drängenderes Problem – angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und des begrenzten Zugangs zu Bluttransfusionen, gerade in Nicht-Industrieländern. Auch in Japan nimmt die Zahl der Spender wegen des demographischen Wandels spürbar ab. Universelles Blut könnte die Versorgung weltweit deutlich verbessern.

Forschung auch mit Stammzellen

Gleichzeitig arbeiten Forschende auch daran, Stammzellen zu züchten, die menschliches Blut im Knochenmark bilden. Gelingt das, käme das einer menschlichen Blutspende noch deutlicher näher als das Produkt der japanischen Wissenschaftler um Hiromi Sakai. Die Problematik mit freiem Hämoglobin wäre dann gelöst.

Bis es soweit ist gilt aber: Eine echte Blutspende mit frischem Blut ist für die moderne Medizin unersetzlich.