Wie reagiert Iran? Khameneis Optionen nach Israels Angriff

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Von einem geheimen Ort aus meldete Ali Khamenei sich zu Wort. Der braune Vorhang hinter ihm sollte jeden Hinweis darauf vermeiden, wo er sich befand. Flankiert von einer Nationalflagge und einem Bild des Gründungsvaters der Islamischen Republik, Ajatollah Ruhollah Khomeini, gelobte der Oberste Führer Rache. Und er sprach von Krieg. Zeitgleich mit der Ausstrahlung des Videos am Freitagabend feuerte Iran erstmals seit Oktober 2024 Raketen auf Israel ab. Gleich zweimal in seiner dreiminütigen Rede hob Khamenei hervor, dass das iranische Volk hinter seinem Regime und den Streitkräften stehe. So spricht wohl ein Führer, der sein Regime vor folgenschweren Entscheidungen, wenn nicht in einer existenziellen Krise sieht.

Zuvor hatte Israel mit der Ermordung der militärischen Führung Irans aller Welt wie auch der iranischen Bevölkerung die Schwächen des Regimes vor Augen geführt. Am Samstag wurde in Teheran der Tod zweier weiterer Generäle bestätigte. Mehrere der getöteten Kommandeure hatten eine erstaunliche Sorglosigkeit an den Tag gelegt, als sie trotz der Berichte über einen unmittelbar bevorstehenden Angriff die Nacht in ihren Wohnhäusern verbrachten.

Aus Regimekreisen wurde der „New York Times“ berichtet, dass die Führung die Warnungen für eine Drohkulisse hielt, die Iran zu Zugeständnissen in den Atomverhandlungen mit den Vereinigten Staaten bewegen sollte. Sie hätten, so schrieb die Zeitung, von Israel niemals erwartet, dass es vor der für Sonntag angesetzten Gesprächsrunde zuschlagen würde. Eine bemerkenswerte Fehlkalkulation, die manche Beobachter zu der Bemerkung bewegte, im Teheraner Regime zähle offenbar Loyalität mehr als Kompetenz.

Nur noch schlechte Optionen

Der Oberste Führer hat nun nur noch die Wahl unter schlechten Optionen im Kampf gegen ein militärisch und geheimdienstlich überlegenes Israel. Ursprünglich hatte er den Gesprächen mit Washington wohl vor allem deshalb zugestimmt, weil er hoffte, auf diese Weise einem israelischen Angriff zu entgehen. Das erweist sich nun als strategische Fehlkalkulation.

Der amerikanische Präsident Donald Trump bietet den Iranern zwar weiterhin einen Atomdeal als Ausstieg aus der Eskalationsspirale an. Das würde aus Khameneis Sicht aber einer Kapitulationserklärung gleichkommen. Das Atomprogramm ist so eng mit seinem Machtanspruch verbunden, dass Khamenei schon 2003 sagte, er werde eher zurücktreten, als auf Urananreicherung zu verzichten. Zudem ist schwer zu erkennen, wie Teheran darauf vertrauen könnte, dass eine Einigung im Atomstreit nicht nur ein Zwischenschritt wäre, um das Regime weiter zu schwächen und einen Wechsel zu erzwingen.

Aus dem Lager der Hardliner kommen nun Forderungen, genau den umgekehrten Weg zu gehen und eine Entscheidung zum Bau von Atomwaffen zu treffen. Damit hatte Teheran seit langem für den Fall gedroht, dass seine Atomanlagen angegriffen würden. Im Februar waren amerikanische Geheimdienstinformationen öffentlich geworden, wonach ein Team iranischer Wissenschaftler damit beauftragt worden sei, nach Wegen zu suchen, in kurzer Zeit eine krude Waffe zu entwickeln, die getestet werden könne, um Iran zur Atommacht erklären zu können. „Wir brauchen eine neue Abschreckung, um dieses Regime (Israel) zu bestrafen“, forderte am Samstag etwa der Abgeordnete Alaeddin Boroujerdi im Staatsfernsehen.

Steigt Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag aus?

Vorerst hält Teheran sich in dieser Frage aber bedeckt. Selbst die sonst häufig geäußerte Drohung mit einem Ausstieg aus dem Nichtverbreitungsvertrag ist derzeit nicht zu hören. Der Sprecher des Außenministeriums nannte die Verhandlungen zwar angesichts der israelischen Angriffe „bedeutungslos“. Er sagte aber auch, eine endgültige Entscheidung über das weitere Vorgehen sei noch nicht gefallen. Ähnlich soll sich Außenminister Abbas Araghchi am Samstag im Telefonat mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas geäußert haben. Khamenei mag in diesen Stunden an den Ausspruch seines Vorgängers Khomeini denken, der 1988 nach acht verheerenden Kriegsjahren widerwillig in einen Waffenstillstand mit dem Irak einwilligte und das als „Giftbecher“ bezeichnete, den er habe trinken müssen. An diesem Punkt scheint er allerdings noch längst nicht zu sein.

Auch wenn der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Option eines Regimewechsels in den Raum stellte. „Während wir unser Ziel erreichen, ebnen wir euch auch den Weg, um eure Freiheit zu erreichen“, sagte er in einem am Samstag ausgestrahlten Video, in dem er das iranische Volk direkt ansprach. Ein Regimewechsel von unten ist allerdings äußerst unwahrscheinlich. Wenn überhaupt, könnte er wohl nur aus dem Machtapparat selbst initiiert werden. Zudem ist, wie die Iranexpertin Nicole Grajewski vom Carnegie Endowment for International Peace auf der Plattform X schrieb, „schwer zu erkennen, dass jemand in Iran die israelischen Angriffe auf Zivilisten und die Zerstörung von Wohnhäusern in Teheran willkommen heißen würde“. Iran sei gesellschaftlich und militärisch verhärteter, als viele zugeben wollten, äußerte sie weiter. In jedem Fall sei das Regime nicht so ausgehöhlt wie jenes des syrischen Diktators Baschar al-Assad, das im Dezember 2024 wie ein Kartenhaus zusammengefallen war.

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Iranische Regimegegner verbreiteten zwar am Samstag einzelne Videos, in denen Bewohner „Tod dem Diktator“ riefen und eines, auf dem Iraner auf einer Party die israelischen Raketen zu feiern schienen. Doch überwogen die Stimmen derer, die die Angriffe auf Wohngebiete der militärischen und atomwissenschaftlichen Elite als Bedrohung für ihre eigene Sicherheit sehen. Der Tod von Frauen und Kindern dürfte Wut gegen Israel schüren. Ebenso die Drohung des israelischen Verteidigungsministers, wonach „Teheran brennen“ werde.

Konsolidierung durch Krieg

Die Zustimmung zum iranischen Regime, das zeigt die Beteiligung an Wahlen, ist an einem historischen Tiefpunkt. Doch ebenso gering erscheint die Erwartung, dass ein Regimewechsel das Land in eine bessere Richtung führen könnte. Die bisherige Militärelite hatte ihre Macht im Zuge des Krieges gegen den Irak in den Achtzigerjahren konsolidiert und von der Konfrontation mit dem Westen wirtschaftlich profitiert. Die neue Generation der Militärs, die jetzt nachrückt, könnte auf einen ähnlichen Effekt setzen.

Die israelische Rhetorik dürfte in Teheran zudem alte Reflexe stärken. In Zeiten, in denen Khamenei seine Macht gefährdet sah, hat er in der Vergangenheit eher die Flucht nach vorn ergriffen. So wie 2019, als sich Iran mit Angriffen auf Ölanlagen in der Region aus dem Würgegriff von Trumps Politik des maximalen Drucks zu befreien suchte.

Das Staatsfernsehen verbreitete am Samstag neue Drohungen, amerikanische Stützpunkte in der Region anzugreifen, falls Amerika Israel dabei unterstütze, iranische Raketen abzuschießen. Der Sender zitierte einen „ranghohen Kommandeur“ mit der Aussage: „Der von Israel begonnene Krieg wird in den kommenden Tagen auf alle Gebiete unter israelischer Besatzung und auch US-Basen in der Region ausgeweitet.“ Iran würde damit Gefahr laufen, einen weiteren militärisch überlegenen Gegner in den Konflikt hineinzuziehen. Die Drohung könnte aber auch ein Versuch sein, Trump zu bewegen, Netanjahu einzuhegen.