Unzuverlässig, unrentabel und jetzt auch noch familienunfreundlich: Politik und Kunden sind von der Deutschen Bahn enttäuscht, seitdem das Unternehmen Anfang der Woche angekündigt hat, mit dem neuen Fahrplan am Sonntag die günstige Familienreservierung in Höhe von 10,40 Euro zu streichen. In die Reihe der Kritiker hat sich zuletzt sogar Verbraucherschutzministerin Stefanie Hubig (SPD) gemischt: „Die Bahnfahrt zu den Großeltern oder in den Urlaub darf nicht an zu hohen Kosten scheitern“, sagte Hubig den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Wenn Eltern mit ihren Kindern Bahn fahren, seien sie auf eine Reservierung angewiesen, damit alle zusammensitzen können. „Gerade für Familien ist bezahlbare Mobilität sehr wichtig.“ Künftig wird es für sie deutlich teurer sein: Ein fester Sitzplatz in der zweiten Klasse in Fernverkehrszügen kostet ab Sonntag 5,50 Euro statt wie bisher 5,20 Euro – und zwar für jeden Reisenden einzeln. In der ersten Klasse steigt der Preis für eine Sitzplatzreservierung von bisher 6,50 auf 6,90 Euro. Das Ticket für Kinder unter 14 Jahren bleibt dagegen weiterhin kostenlos.
Auch der neue Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, der ehemalige hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne), stellt im Deutschlandfunk zwar klar, das Parlament könne jetzt nicht die Preispolitik des Staatskonzerns übernehmen. Aber der Verkehrsminister solle seine Rolle als Vertreter des Eigentümers Bund wahrnehmen und bei der DB intervenieren. Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) wiederum sieht in der Entscheidung zwar das falsche Signal. Aber die Regierung werde nicht eingreifen, stellte ein Sprecher klar. Es bleibe Aufgabe der Bahn, ihre Tarifpolitik selbst zu gestalten.
Nicht die klassischen Ziele einer Aktiengesellschaft
Familienfreundlichkeit und „klimaschonende bezahlbare Mobilität“ als Unternehmenszweck: Die Ziele, die die Politik an die Deutsche Bahn formuliert, sind anspruchsvoll – und passen zudem nicht zur Rechtsform einer Aktiengesellschaft, in die der Konzern mit der Bahnreform 1994 gegossen wurde. Dies geschah übrigens auch in dem festen Willen, die einstmals träge, hoch verschuldete Bundesbahn auf mehr Wirtschaftlichkeit zu trimmen.
Die Wirtschaftlichkeit ist dem Eigentümer Bund weiterhin sehr wichtig – sogar mehr denn je. Mit dem neuen Sondervermögen Infrastruktur stehen in den nächsten zwölf Jahren 500 Milliarden Euro bereit; ein Großteil davon wird in die Bahn fließen. Quer durch alle Parteien werden deshalb immer wieder Strukturreformen im Konzern und eine höhere Rentabilität gefordert, schließlich sollen die vielen zusätzlichen Milliarden nicht versickern. Vor allem der Fernverkehr hat in letzter Zeit unter den schlechten Pünktlichkeitswerten zu leiden. Gemeinsam mit der Güterverkehrssparte gehört er zu den Sorgenkindern im Konzern.
Politik erhöht die Preise — die Bahn badet es aus
Dabei ist nicht ohne Ironie, dass es eine geradezu verzweifelt wirkende Haushaltspolitik der früheren Ampelregierung war, die die Bahn und ihre Wettbewerber in weitere Schwierigkeiten brachte. In der größten Haushaltsnot hatten SPD, FDP und Grüne beschlossen, 2025 die ursprünglich als Baukostenzuschüsse versprochenen 8,5 Milliarden Euro als Eigenkapitalerhöhung zur Verfügung zu stellen.
Für den Bund hat das Charme: Solche Transaktionen können an der Schuldenbremse vorbeilaufen. Für die Eisenbahnunternehmen hat das jedoch handfeste Nachteile: Auf das zur Verfügung gestellte Geld muss die Tochtergesellschaft DB InfraGo Zinsen zahlen, die sie wiederum auf die Eisenbahnunternehmen abwälzen darf. Regional-, Fern- und Güterverkehr müssen deshalb eine deutlich höhere Schienenmaut zahlen. Die Kosten muss die Bahn jetzt an anderer Stelle einsparen.
Ebenfalls nicht ohne Ironie: Während der Bund schon seit Jahren für seine Führungslosigkeit gegenüber dem Bahnkonzern gescholten wird, verlieren sich beim Thema Familienreservierung Politiker im Mikromanagement. Immer wieder mahnen Bundesrechnungshof, die Monopolkommission und die Wettbewerber an, dass dem Bund eine überzeugende Eigentümerstrategie für sein wichtigstes Unternehmen fehlt. Die eisenbahnpolitischen Ziele des Bundes seien inhaltlich nicht klar definiert, moniert etwa die Monopolkommission in ihrem jüngsten Sektorbericht und empfiehlt dringend, sie gesetzlich festzulegen. Darunter könnten womöglich auch Ziele zur Pünktlichkeit und Familienfreundlichkeit festgelegt werden, daran fehlt es bisher.
Klar ist aber auch: Der Spielraum für gesellschaftliche Subventionieren ist begrenzt, schließlich steht die Deutsche Bahn im Wettbewerb. Der ist im Fernverkehr nur spärlich vorhanden, vor allem der Konkurrent Flixtrain hat sich dort etabliert. Größer ist der Wettbewerbsdruck im Regionalverkehr, dort hat die Bahn einen Marktanteil von knapp zwei Dritteln, im Güterverkehr liegt er deutlich unter der Hälfte. Gerade in diesem Bereich hat nicht zuletzt die Europäische Kommission für einen Warnschuss gesorgt: Die jahrelange Quersubventionierung der hoch defizitären DB Cargo durch den Konzern hat sie als unzulässige Staatshilfe gewertet. Künftig muss die Tochtergesellschaft aus eigenen Kräften profitabel werden.