Als die Polizei sich am frühen Samstagmorgen dem Haus der demokratischen Abgeordneten Melissa Hortman aus Minnesota näherte, sahen die Beamten ein Fahrzeug in der Auffahrt stehen. Es sah aus wie ein Geländewagen der Polizei, mit angeschaltetem Blaulicht. Doch der vermeintliche „Beamte“, der aus dem Haus trat, eröffnete das Feuer auf die hinzugekommenen Polizisten und floh schließlich aus der Hintertür. Im Haus fanden die Beamten Hortmann und ihren Mann Mark, durch Schüsse getötet.
So beschrieb der Polizeichef von Brooklyn City, Mark Bruley, die Situation später in einer Pressekonferenz. Der mutmaßliche Täter habe eine Schutzweste, einen Taser und eine Polizeimarke getragen. Wäre er in diesem Raum, fügte Bruley hinzu, würde die Person „ohne Zweifel“ für einen echten Polizeibeamten gehalten werden. Eine großangelegte Suche nach dem Täter, der zu Fuß auf der Flucht sein soll, blieb am Samstag zunächst ohne Erfolg. Angesichts der ungewissen Situation hob Bruley hervor, Polizeibeamte würden sich Privathäusern derzeit mindestens zu zweit nähern. Die Bevölkerung in der Gegend war dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben.
Dass die Polizei nachts um halb vier bei Hortman vorbeifuhr, lag daran, dass eineinhalb Stunden vorher ein Notruf aus dem Haus des demokratischen Senators des Parlaments in Minnesota, John Hoffman, abgesetzt wurde. Ein Angreifer – wohl derselbe Täter – hatte mehrfach auf ihn und seine Frau Yvette geschossen, die beiden überlebten schwer verletzt. Der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, sagte in einer Pressekonferenz später, die beiden seien operiert worden und man sei „vorsichtig optimistisch“, dass sie das Attentat überlebten.

Walz sprach von einer „unbeschreiblichen Tragödie“, die sich in Minnesota abgespielt habe. Bei der Tat handele es sich um ein „offenbar politisch motiviertes Attentat“. Ein im Fahrzeug des mutmaßlichen Täters gefundenes Manifest enthielt laut Ermittlern eine Liste mit Namen „vieler Abgeordneter und anderer Amtsträger, unter anderen die Hortmanns und Hoffmanns. Polizeichef Bruley versicherte am Samstagmorgen, alle auf dieser Liste seien informiert worden und erhielten besondere Sicherheitsvorkehrungen. Laut dem Sender CNN waren darauf knapp 70 Personen genannt, unter ihnen auch Abtreibungsärzte, Abtreibungsbefürworter und Parlamentsabgeordnete aus anderen Bundesstaaten. In einem Beutel voller Munition sei außerdem eine Vatertags-Grußkarte gefunden worden, die an den mutmaßlichen Täter adressiert war.
Die Minnesota State Patrol veröffentlichte außerdem ein Foto aus dem Auto des mutmaßlichen Täters, auf dem weiße Flyer mit der Aufschrift „No Kings“ zu sehen sind. Angesichts der großen Militärparade in Washington am Samstagabend, die auf Präsident Donald Trumps 79. Geburtstag fällt, hatten Organisatoren im ganzen Land zu „No Kings“-Protesten aufgerufen. Es sind insgesamt 2000 Veranstaltungen geplant. In dem Beitrag der Polizei in Minnesota hieß es jedoch, die Öffentlichkeit sei „aus Vorsicht“ dazu aufgerufen, nicht an den geplanten Demonstrationen in Minnesota teilzunehmen.
Präsident Donald Trump schrieb gut zwei Stunden nach der Pressekonferenz auf seiner Plattform „Truth Social“, er sei über den „schrecklichen Schusswaffenangriff“ informiert worden, „bei dem es sich offenbar um einen gezielten Angriff auf Abgeordnete des Bundesstaates handelt“. Justizministerin Pam Bondi und das FBI ermittelten in dem Fall und würden alle Beteiligten „mit voller Härte“ verfolgen. Solche „grausame Gewalt“ werde in den Vereinigten Staaten nicht toleriert. Der frühere Präsident Joe Biden schrieb auf X, man dürfe Hass und Extremismus in den Vereinigten Staaten keinen sicheren Hafen bieten, „und wir müssen uns als Nation gemeinsam gegen politische Gewalt stellen“.
Melissa Hortman, die führende Demokratin und langjährige Sprecherin des Abgeordnetenhauses von Minnesota, war 2004 zum ersten Mal als Abgeordnete gewählt worden. Die 55 Jahre alte Juristin setzte sich unter anderem für die Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der Verfassung des Bundesstaates und für freies Schulessen für Kinder ein. Sie und ihr Mann hinterlassen zwei Kinder. Der 60 Jahre alte Senator John Hoffmann sitzt seit 2013 im Senat des Bundesstaates. Im vergangenen Jahr schrieb er in einem Brief an seine Wähler, es sei sein „Markenzeichen“, die Dinge mit parteiübergreifender Zusammenarbeit anzugehen.