Wo Trump und Merz eine Fraktion bilden könnten

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Donald Trump kam spät, wie es seine Art ist. Gastgeber Mark Carney, der kanadische Ministerpräsident, hatte sich am Sonntag schon mit einigen Regierungschefs aus dem G-7-Kreis, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz, getroffen, bevor der amerikanische Präsident am Abend am Gipfelort in Kananaskis in den Rocky Mountains erschien. Es war klar, dass sich alle Blicke auf den schwierigen Gast aus dem südlichen Nachbarland richten würden.

Zumal in Kanada, über das Trump mehrfach gesagt hatte, dass er sich das Land gerne als 51. Bundesstaat einverleiben würde, was Carney sehr scharf zurückgewiesen und die kanadisch-amerikanischen Beziehungen in eine schwere Krise gestürzt hatte. Bei einem ersten Besuch in Washington hatte man den Streit ein wenig deeskalieren können. Am Montag wollen Carney und Trump sich wieder zusammensetzen. Neben der Trumpschen Provokation ist da der vom Präsidenten losgetretene Zollkrieg, der, anders als seine territorialen Gelüste, real ist und auch die westlichen Verbündeten trifft. Schließlich gibt es die bange Frage, ob der Präsident in der Ukraine-Politik endgültig mit dem Westen bricht.

Bundeskanzler Friedrich Merz wird auf dem Flughafen in Calgary von Steven Crowchild, Chief der indigenen Tsuut·ina Nation, begrüßt.
Bundeskanzler Friedrich Merz wird auf dem Flughafen in Calgary von Steven Crowchild, Chief der indigenen Tsuut·ina Nation, begrüßt.dpa

Auch wenn Trumps Signale mit Blick auf Kiew und die NATO zuletzt weniger apokalyptisch waren, hatte sich Carney dazu entschlossen, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf die Gästeriste des G-7-Gipfels zu setzen – als demonstratives Zeichen der Solidarität. Trumps rhetorische Äquidistanz – Moskau sei zwar schwierig, Kiew aber auch – wollen die anderen G-7-Länder nicht mitmachen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hob am Sonntag zwar in Kananaskis in Anlehnung an Trump hervor, um „Frieden durch Stärke“ zu erreichen, müsse man mehr Druck auf Russland ausüben. Skepsis herrscht aber, ob es gelingen wird, den Präsidenten für neue Sanktionen gegen Moskau oder gar eine Ölpreisbremse gewinnen zu können, die Wladimir Putins Kriegskasse treffen soll.

Die Angst vor der „G-6 und 1“-Konstellation

Genug Stoff für einen Gipfel der sieben großen westlichen Industrienationen, für den Diplomaten schon vor Tagen das Ziel ausgegeben hatten, eine Spaltung in eine „G-6 und 1“-Konstellation zu vermeiden, wie es sie 2018, beim letzten Gipfel in Kanada, in Trumps erster Amtszeit gegeben hatte. Damals hatte der Präsident sich kurz nach seiner Abreise aus La Malbaie am Sankt-Lorenz-Strom von einem gerade mühsam zusammengeschusterten Abschlussdokument distanziert, weil er sich über Carneys Vorgänger Justin Trudeau geärgert hatte.

Nun kommt noch der israelisch-iranische Krieg dazu, der eine weitere potentielle Konfliktlinie für die Gruppe bedeutet, wenngleich mit anderem Verlauf. Hier stehen Amerika und Deutschland am deutlichsten auf der Seite Israels. Großbritannien, Frankreich, Kanada und Japan sind hingegen in den vergangenen Jahren, zumal seit Beginn des Gazakrieges, immer mehr ins Lager der Israel-Kritiker gerückt. Der Krieg, zu dem sich der anfängliche Militärschlag gegen das iranische Atomprogramm ausgeweitet hat, stellt eine neue Belastung für die G7 dar. Welche „Sprache“, wie Diplomaten Kommuniqué-Formeln nennen, wird man finden, um zumindest einen gemeinsamen Nenner für eine Erklärung zu finden?

Trump: „Manchmal müssen sie es auskämpfen“

Carney hatte schon vor Ausbruch des Krieges den Plan aufgeben, einen gemeinsames Abschlusskommuniqué zu formulieren, in dem alle Herausforderungen thematisiert worden wären. Stattdessen sind Einzelerklärungen geplant zu Themen, auf die sich die G7 einigermaßen verständigen können: Künstliche Intelligenz, Versorgungssicherheit mit kritischen Rohstoffen und Waldbrände etwa. Beim Nahostkrieg liegt es nahe, dass die Gruppe sich darauf einigt, die Parteien aufzufordern, auf eine weitere Eskalation zu verzichten.

Was das konkret heißt? Trump sagte vor Abflug nach Calgary zwar in Richtung Teheran, es sei „Zeit für einen Deal“ im Atomkonflikt, doch fügte er hinzu: „Manchmal müssen sie es auskämpfen“. Man werde sehen, was passiere. Er sehe für einen Deal immer noch eine gute Chance. Ein Ende der israelischen Luftschläge wollte der Präsident nicht fordern. Auch stellte er klar, dass die amerikanischen Streitkräfte Israel weiter bei der Selbstverteidigung helfen werden. Schließlich bestritt er, dass es zwischen Benjamin Netanjahu und ihm im Vorfeld der Militäroperation zu Spannungen gekommen sei: Man komme sehr gut miteinander aus und haben großen Respekt füreinander, sagte er.

Kein Wort dazu, dass er den israelischen Ministerpräsidenten zunächst gebeten hatte, den diplomatischen Bemühungen seines Sondergesandten Steve Witkoff noch eine Chance zu geben und erst später einlenkte: Er stelle sich Netanjahu nicht in den Weg, werde aber auch nicht helfen. Nach Beginn der Kampfhandlungen, so berichten amerikanische Medien, habe Trump zudem den Ministerpräsidenten aufgefordert, er solle Ali Khamenei, den Oberster Führer Irans, nicht ins Visier nehmen.

Gegen das westliche Auseinanderdriften

Zwar gab es vor dem Gipfel Signale, die Europäer könnten Trump drängen, seinen Einfluss auf Netanjahu zu nutzen, um Israel zu einem Waffenstillstand im Krieg gegen Iran zu bewegen. Von der Leyen wich allerdings der Frage aus. Zwar sagte sie am Sonntag, eine diplomatische Lösung sei langfristig die beste Option. Doch hob sie nach einem Telefonat mit Netanjahu auch Israels Recht auf Selbstverteidigung hervor und bekräftigte, dass Iran niemals Atomwaffen besitzen dürfe.

Der G-7-Gipfel ist eine Etappe auf dem Weg, angesichts der gefährlichen internationalen Lage ein weiteres Auseinanderdriften des Westens zu verhindern: gleichsam ein Gipfel der Schadensbegrenzung. Ende Juni folgt der NATO-Gipfel in Den Haag, von dem man sich in Europa erhofft, Washington angesichts von Putins Doppelstrategie – hier seine Hinhaltetaktik in den Verhandlungen mit Kiew, dort seine fortgesetzte aggressive Kriegsführung in der Ukraine – an Bord zu halten.

Auch der Nahe Osten dürfte die Bündnispartner in Den Haag weiter beschäftigen. Diplomaten rechnen mit wochenlangen Kampfhandlungen. Trotz der militärischen Erfolge Israels ist man offenbar überrascht darüber, wie groß das iranische Raketenarsenal ist.